Interview mit Bonner Oberbürgermeister Sridharan erwägt Ausweichquartier für Stadtverwaltung

Bonn · Ein knappes Jahr vor der Wahl zieht der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan Bilanz und bringt ein Investoren-Modell für das Landesbehördenhaus ins Spiel, das ein Ausweichquartier der Stadtverwaltung werden könnte. Er zeigt sich zufrieden mit dem bisher Erreichten.

 Oberbürgermeister Ashok Sridharan sieht Bonn als internationale Stadt gut aufgestellt.

Oberbürgermeister Ashok Sridharan sieht Bonn als internationale Stadt gut aufgestellt.

Foto: Benjamin Westhoff

Ashok Sridharan ist seit 2015 Bonner Oberbürgermeister. Die CDU hat ihn vor einer Woche als Kandidaten für eine weitere Amtszeit nominiert. Über seine Bilanz und seine Ziele sprachen mit ihm Lisa Inhoffen und Philipp Königs.

Herr Sridharan, ein Jahr vor der Kommunalwahl: Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Ashok Sridharan: Ich persönlich bin zufrieden mit dem bisher Erreichten. Vieles, was ich mir vorgenommen hatte, wurde umgesetzt oder doch zumindest angestoßen. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, das lebens- und liebenswerte Bonn als Beethoven- und UNO-Stadt weiter nach vorne zu bringen. Auch in Bezug auf die Verwaltung habe ich einiges auf den Weg bringen können, allerdings kann in einer Amtsperiode nicht alles erreicht werden, was man gerne gestalten oder verändern möchte. In meinen bisherigen vier Jahren ist es mir aber gelungen, neun neue UN-Organisationen in die Stadt zu holen. Für den internationalen Standort Bonn ist das ein wichtiges Zeichen.

Man hört auch Kritik, Sie seien zu viel im Ausland unterwegs und würden sich zu wenig um Bonner Angelegenheiten kümmern...

Sridharan: In den vier Jahren meiner bisherigen Amtszeit bin ich an 38 Tagen aufgrund von Auslandsreisen daran gehindert gewesen, Termine in Bonn wahrzunehmen. Das ist weniger als ein Tag im Monat. Das halte ich für einen Einsatz, der für eine internationale Stadt meines Erachtens vertretbar und erforderlich ist. Demgegenüber habe ich in Bonn in den vier Jahren 6500 Termine absolviert.

Stichwort Beethoven: Wie sieht da Ihre Bilanz aus?

Sridharan:  Wir haben uns bis 2014 den Luxus geleistet, die Karte Beethoven nicht stärker zu spielen. Das hängt damit zusammen, dass wir als ehemalige Hauptstadt ohnehin in aller Munde waren. Wir müssen nun mit anderen Pfunden wuchern, wie mit unserer Museumslandschaft oder eben Beethoven. Da erweist sich die Jubiläumsgesellschaft als beste Lösung. Ich denke, damit ist uns ein großer Wurf gelungen, ohne den wir die nun zur Verfügung stehenden Finanzmittel des Bundes sicher nicht bekommen hätten. 30 Millionen Euro, die wir zu einem großen Teil in Bonn und der Region ausgeben werden.

In der Jubiläumsgesellschaft hat es im Frühjahr einen Wechsel in der Führung gegeben, die Sanierung der Beethovenhalle gerät finanziell und im Zeitplan aus den Fugen. Glauben Sie dennoch an die von Ihnen viel beschworene internationale Strahlkraft dieses Festes?

Sridharan: Wir haben jetzt ein rundes Programm für das Jubiläumsjahr. Dass es das eine oder andere Sandkorn im Getriebe gegeben hat, ist wohl normal bei Projekten dieser Größenordnung. Ich weiß, dass aufgrund der vielen internationalen Partner nicht nur hier bei uns etwas stattfinden wird, sondern weltweit. Das wird auch eine Wirkung auf die Beethovenfeste in den kommenden Jahren haben. Ich bin sicher, dass sich die Strahlkraft dieses Jubiläums auch über Deutschland hinaus entfalten wird und wir – wie – erhofft viele zusätzliche Gäste nach Bonn holen können.

Wie geht es mit der Beethovenhalle weiter?

Sridharan: Ich habe in der jüngsten Ratssitzung mitgeteilt, dass mit zwei kritischen Unternehmen eine Einigung erzielt werden konnte, und zwar hinsichtlich der Planung wie auch der Ausführung. Wir sind zuversichtlich, dass es jetzt mit verstärktem Einsatz auf der Baustelle weitergehen kann. Sie wissen, dass ich bei der Beethovenhalle eigentlich für eine einfache Sanierungslösung war. Der Stadtrat hat aber etwas anderes beschlossen, und das werden wir jetzt umsetzen.

Wagen Sie eine Prognose, wann die Beethovenhalle wieder eröffnen wird?

Sridharan:  Wir sind zurzeit dabei, einen neuen Zeitplan zu erstellen. Wenn wir da etwas klarer sehen, kann ich auch Näheres zum Fertigstellungstermin sagen.

Ist das Worst-Case-Szenario verbindlich?

Sridharan: Es wird bei den zuletzt genannten 166 Millionen Euro bleiben. Auf meine Veranlassung hin sind sämtliche Risiken, die es im Zusammenhang mit der Fertigstellung geben könnte, eingepreist. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir am Ende eine tolle Beethovenhalle bekommen werden. Zwar keine reine Konzerthalle, aber eine Multifunktionshalle, die unserem hervorragenden Beethoven-Orchester endlich wieder eine angemessene Heimstätte bieten wird.

Die Allianz für Bonn hat in der jüngsten Ratssitzung wegen dieses Baudesasters den Rücktritt von Stadtdirektor und Projektleiter Wolfgang Fuchs gefordert. Sie haben dazu nicht viel gesagt, warum nicht?

Sridharan: Dazu habe ich bereits im Vorfeld der Sitzung schriftlich Stellung genommen und mich auch in der Sitzung zu Wort gemeldet. Das Projekt zu managen, ist neben eigenen Abläufen, die wir sicher optimieren müssen, und angesichts zahlreicher Faktoren, die wir gar nicht beeinflussen können – ich sage nur: die Lage am Baumarkt und die damit verbundenen sehr hohen Preise –, eine große Herausforderung. Ich sehe keinen Anlass, mittendrin die Pferde zu wechseln, zumal Stadtdirektor Fuchs das Projekt von Anfang an betreut hat.

 Aktuell stellt sich auch die Frage, wie es beim Opernhaus weitergehen soll. Wie sehen sie einen möglichen Abriss dort?

Sridharan:  In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es mir gemeinsam mit dem Generalintendanten Bernhard Helmich gelungen ist, für die komplette Neubestuhlung der Oper im Sommer private Sponsoren zu finden. Die Erneuerung ohne zusätzliche Betriebsunterbrechung hat die Stadt Bonn keinen Cent gekostet. Weitere Reparaturarbeiten im laufenden Betrieb bzw. während der spielfreien Zeit im Sommer durchzuführen, könnte ein Vorbild sein. Sie hören richtig, ich persönlich möchte bei der Oper eher von Reparaturarbeiten als von Sanierung wie bei der Beethovenhalle sprechen. Beim Brandschutz sind ja schon viele Maßnahmen umgesetzt. Weitere müssen folgen. Es muss einiges getan werden, um den Spielbetrieb der Oper in den nächsten 30, 40 Jahren aufrechterhalten zu können. Ein Abriss und Neubau wird nach meiner Einschätzung mittelfristig also nicht nötig sein.

     Das Bonner Stadthaus, Sitz der Stadtverwaltung, ist sanierungsbedürftig. Noch ist unklar, wie es dort weitergeht.

Das Bonner Stadthaus, Sitz der Stadtverwaltung, ist sanierungsbedürftig. Noch ist unklar, wie es dort weitergeht.

Foto: Lannert/Volker Lannert

Was ist dann mit der Bürgerbeteiligung?

Sridharan: Ich habe Ihnen meine persönliche Auffassung zur Oper gesagt. Der Rat hat beschlossen, dazu auch die Bürger zu befragen. Das werden wir natürlich machen. Aber: Die Oper setzen wir erst wieder auf unsere Agenda, wenn wir alle Fragen zur Verteuerung der Beethovenhalle beantwortet bekommen haben. Auch die Fragen, warum und was alles schief gelaufen ist.

Wann wird das sein?

Sridharan: Ich gehe davon aus, dass die Antworten bald vorliegen. Wir werden sie dann auswerten, und ich denke, dass wir dann mit den Ergebnissen zu Beginn des Jahres auf den Stadtrat zugehen können.

Gibt es zur Oper und auch zur Frage der Sanierung oder Neubau des maroden Stadthauses noch in dieser Ratsperiode Entscheidungen?

Sridharan: Das wünsche ich mir schon sehr. Wir erwarten die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsprüfung eines Abrisses und Neubaus oder einer Sanierung des Stadthauses noch in 2019. Wir wollen dann nächstes Jahr mit Vorschlägen auf die Politik zugehen und hoffentlich schnell entscheiden, schließlich arbeiten 1500 Menschen im Stadthaus. Egal, zu welcher Entscheidung wir kommen: Wir müssen dann eine Ausweichstätte für die Mitarbeiter finden, was bei der hohen Auslastung der Büroflächen in Bonn nicht einfach werden wird.

Haben Sie eine Idee, wo?

Sridharan: Das frühere Landesbehördenhaus wäre eine Möglichkeit. Das Land will es zum Verkauf ausschreiben. Wir müssten es nicht unbedingt selbst machen, da gibt es Investoren, die würden sich freuen, ein Neubauprojekt zu entwickeln und Büros zu vermieten. Aber es gibt sicher noch andere Optionen.

Was sind das für Investoren?

Sridharan:  Darüber möchte ich derzeit nicht reden und bitte um Geduld.

In Bonn mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. Warum läuft der Wohnungsbau so schleppend?

Sridharan: Das Problem: Wir haben in Bonn nur noch wenig Flächen für den Wohnungsbau. Zwei Drittel der Stadt Bonn stehen unter Natur- oder Landschaftsschutz. Und da werden wir sicher nicht rangehen. Deshalb haben wir ja zum Beispiel den Rahmenplan für das Bundesviertel aufgestellt, wo es eben nicht nur um neue Büros, sondern auch um neue Wohnungen gehen soll. Die Menschen sollen möglichst nahe am Arbeitsplatz wohnen, allein schon, um die Verkehrsprobleme besser in den Griff zu bekommen.

Bonn hat riesige Verkehrsprobleme. Was tut die Stadt als Lead City?

Sridharan:  Das 365-Euro-Ticket in der derzeitigen Form halte ich persönlich nicht für die beste Idee, die Probleme dauerhaft zu lösen. Denn es steht für die Einpendler nicht zur Verfügung. Die Krux ist außerdem, dass unser ÖPNV zurzeit nicht zuverlässig ist, das liegt vor allem am Mangel an Fahrerinnen und Fahrern. Das Problem haben alle Kommunen bundesweit.

Aber ein zuverlässiger ÖPNV ist ja auch nötig, um das drohende Fahrverbot für die Reuterstraße und den Belderberg zu verhindern. Wird das klappen?

Sridharan: Da bin ich sehr zuversichtlich. Ich setze mich ja auch für Smart-City ein, um die Luft in Bonn schnell sauberer zu bekommen. Sie wissen, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit für mich mit an oberster Stelle stehen. Das war auch schon lange vor Fridays for Future so. Fridays for Future hat aber dafür gesorgt, dass der Umweltschutz weltweit mehr Aufmerksamkeit erlangt hat. Wir haben und werden nicht nur bei dem Engagement in Netzwerken, sondern auch mit konkreten Handlungen wie der Energieagentur, der Verwendung umweltfreundlichen Papiers, der sukzessiven Umstellung des städtischen Fuhrparks auf Elektromobilität, der Energieeffizienz bei Neubauten und vielen Dingen mehr uns für den Klimaschutz einsetzen. Aufgrund unserer Klimastrategie und dem im Sommer ausgerufenen Klimanotstand in Bonn arbeiten wir derzeit an noch weitergehenden Maßnahmen, die wir in Kürze der Politik und der Öffentlichkeit vorstellen werden. Wir wollen bis 2035 klimaneutral sein.

Die Personalkosten der Stadt steigen immer weiter. Bonn muss ab 2021 eine schwarze Null schreiben. Wie wollen Sie das schaffen?

Sridharan: Wir bekommen von übergeordneten Ebenen, aber auch vom Stadtrat immer mehr Aufgaben übertragen. Dafür brauchen wir das Personal. Hinzu kommt, dass die Einwohnerzahl Bonns wächst. Auch das erfordert zusätzliches Personal. Und wir dürfen uns nicht in die eigene Tasche lügen: Neue Mitarbeiter brauchen wir auch für die wachsende Zahl an Kita- und OGS-Plätzen, wo ich übrigens auch stolz bin, dass wir in meiner Amtszeit allein 1000 zusätzliche OGS-Plätze und rund 900 neue Kita-Plätze geschaffen haben. Die Zahl muss natürlich weiter wachsen, der Bedarf, das muss ich einräumen, ist längst nicht gedeckt.

Müssen die Bonner mit kommunalen Steuererhöhungen rechnen?

Sridharan: Nein. Die kommen für mich nicht in Frage. Steuererhöhungen können immer nur „ultima ratio“ sein.

Andererseits wollen Sie in Bad Godesberg ein neues Schwimmbad bauen lassen. Das kostet…

Sridharan: Ja, ich habe den Vorschlag gemacht, auf dem Parkplatz an der Rigal’schen Wiese ein neues Hallenbad zu bauen, das würde dort gut hinpassen. Aber es geht jetzt zunächst um das Bürgergutachten zur Bonner Bäderlandschaft, das ich diese Woche erhalte. Darauf bin ich gespannt.

Wann wird der Berlin-Bonn-Vertrag vorliegen?

Sridharan: Ich gehe davon aus, dass er vor der Sommerpause 2020 unterschrieben sein wird.

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