Interview mit Bonner Oxford-Club „In Oxford war die Mehrheit gegen den Brexit“

Bonn · Doris Daufeldt und Barbara Börner vom Partnerschaftsclubs sprechen im Interview über Englandreisen, Nachwuchssorgen, Whiskyproben und Anschauungsunterricht für Bonn.

 Very british: Die rote Telefonzelle an der Adenauerallee, vor Jahren zum Bücherschrank umfunktioniert, signalisiert: Hier residiert der Oxford-Club

Very british: Die rote Telefonzelle an der Adenauerallee, vor Jahren zum Bücherschrank umfunktioniert, signalisiert: Hier residiert der Oxford-Club

Foto: Benjamin Westhoff

Wer das Domizil des Bonner Oxford-Clubs nicht kennt, der kennt doch mit hoher Wahrscheinlichkeit die rote britische Telefonzelle davor. In dem denkmalgeschützten Anwesen mit prächtigem Treppenhaus und eigenem Pub genießen Doris Daufeldt und Barbara Börner den Blick in den Stadtgarten. Rüdiger Franz traf die beiden Verantwortlichen des Oxford-Clubs zum Tee.

Frau Daufeldt, Frau Börner, wir sitzen zur klassischen Tea Time zusammen. Welchen Tee trinken wir denn gerade?

Barbara Börner: Einen Earl Grey, also einen klassischen Nachmittagstee mit einer leicht rauchigen Note, was ihn geschmacklich nicht unumstritten macht.

Ist das Ihr Klassiker?

Börner: Zur regelmäßigen Tea Time tischen wir meistens fünf Kannen mit verschiedenen Sorten auf. Dann sitzen wir meist mit 25 bis 30 Gästen bei selbst gebackenen Scones, Erdbeermarmeladen und Sandwiches beisammen.

Doris Daufeldt: Das mag ich auch an England: Dass man in nahezu jedem Hotelzimmer ein Tablett mit einem Wasserkocher, Teebeuteln, Milch, Zucker und Cookies vorfindet. Wenn man abgekämpft aufs Zimmer kommt, gibt es nichts Wohltuenderes als „a nice cup of tea“.

Ihr Club residiert in einem markanten Gebäude. Wie erklären Sie jemandem in wenigen Worten, was dort passiert?

Daufeldt: In einem Satz: Der Oxford-Club ist ein privater Club zur Förderung der Städtepartnerschaft zwischen Bonn und Oxford. Deren Gründung im Jahr 1947, also wenige Jahre nach dem Krieg, war eine Pionierleistung, vor allem auf englischer Seite. Die Partnerschaft zwischen unseren beiden Universitätsstädten war ja die erste, die nach dem Zweiten Weltkrieg begründet worden ist.

Zunächst ging es um eine Partnerschaft auf offizieller Ebene, richtig?

Daufeldt: Das stimmt. Besucht haben einander zuerst die Offiziellen der beiden Städte. Die Bürger waren so unmittelbar nach dem Krieg so gut wie gar nicht involviert. Das kam erst einige Jahre später ganz allmählich ans Laufen.

Und das führte zur Gründung des Oxford-Clubs?

Daufeldt: Richtig, und zwar als 1971 eine kleine Gruppe Bonner nach Oxford gefahren ist und derart fasziniert war, dass der damalige Vorsitzende überzeugt war: Die Städtepartnerschaft muss neben den Institutionen wie Stadt, Universität und Feuerwehr auch die Bürger erfassen. Mit den Teilnehmern jener Oxfordreise wurde dann der Club ins Leben gerufen und wuchs und wuchs bis auf eine stolze Mitgliederzahl von 450.

Das war vor dem Beschluss, Parlament und Regierung nach Berlin zu verlegen?

Daufeldt: Ja, das war ein Bruch. Dadurch haben wir viele Mitglieder verloren. Wir konnten die Rückgänge zwar eine Zeit lang durch Neueintritte auffangen. Unterm Strich stellen wir wie sehr viele Vereine aber einen altersbedingten Mitgliederrückgang fest.

Gibt es denn die Konversationskurse noch?

Börner: Die gibt‘s noch. Unser Angebot, zu dem auch Nichtmitglieder willkommen sind, gliedert sich in Sommer- und Wintersemester. Dazu gehören auch die English Conversation Circles auf verschiedenen Leistungsebenen. Viele Teilnehmer kündigen gar nicht, sondern wechseln nahtlos von einem ins nächste Semester.

Was tut der Club sonst noch?

Börner: Jeden Donnerstag treffen wir uns zum „Pub“, in dem ausschließlich Englisch gesprochen wird. Die Themen sind frei und ergeben sich aus der Zusammensetzung der Gruppe. Zudem unternehmen wir Tagestouren und Reisen. Beliebt sind auch die Whiskyproben unseres Schatzmeisters Ulrich Röttger, der dazu stilecht im Kilt auftritt. Gäste sind stets willkommen. Mit dem Vorstand waren wir zuletzt im Oktober in Oxford, um eine für Mai geplante Reise vorzubereiten. Der 1. Mai, der „May Morning“, wird dort groß gefeiert; dann ist ganz Oxford auf den Beinen.

Ich stelle mir Ihre Mitglieder als besonders anglophil vor. Liege ich richtig?

Börner: Natürlich haben die meisten eine intensive Affinität zu Land und Leuten. Das heißt aber längst nicht, dass alle fließend englisch sprechen.

Also muss sich niemand schämen, dessen Englisch nicht über Harry-Potter-Niveau hinausreicht?

Börner: Aber nein! Bei unserer Tea Time zum Beispiel gibt es einen English speaking Table, an den anderen Tischen geht es sprachlich kreuz und quer.

Daufeldt: Wir werben immer damit, dass wir keinen Schulunterricht anbieten, sondern Konversationskreise.

Müssten dennoch nicht gerade die Konversationskreise ein Anreiz für Jugendliche sein, um beispielsweise das Englisch für die Schule zu verbessern?

Daufeldt: Es ist und bleibt schwierig, obwohl wir auch immer wieder damit werben. Wir hören dann immer: Die Schüler haben für so etwas gar keine Zeit.

Gibt es eigentlich in Oxford ein Pendant wie den Bonn-Club?

Daufeldt: Den gab es, aber leider ist er, von einigen Einzelmitgliedern abgesehen, nicht mehr aktiv. Außerhalb gibt es aber zahlreiche Oxforder, die uns eng und freundschaftlich verbunden sind.

Sind denn Städtepartnerschaften noch zeitgemäß? Viele Partnerschaften sind nicht mehr allzu vital.

Daufeldt: Stimmt. Aber der Einsatz, etwa der Bezirksvertretung Bonn, ist weiter intensiv. Das Problem hier wie in Oxford ist schlichtweg, dass viele Jugendliche und junge Leute andere Interessen haben und stark beansprucht sind. Dieses Problem haben alle Vereine. Es steht und fällt mit den handelnden Personen.

Was schätzen Sie besonders an der englischen Lebensart?

Börner: Besonders schön finde ich die große Hilfsbereitschaft, die man als Gast erfährt, die Höflichkeit und die Herzlichkeit. Immer schön ist es auch, die Sprache zu erleben und zu praktizieren.

Daufeldt: Nicht zu vergessen die Traditionen. Ich konnte zwei Mal Gast bei einem Empfang der Queen sein, das war schon beeindruckend.

Und was sagen Sie zum Brexit, der bald bevorsteht?

Daufeldt: Als Verein sind wir politisch neutral. Aber persönlich finde ich es schon sehr schade, dass es so gelaufen ist.

Wird der Brexit das Verhältnis zwischen Deutschen und Engländern beeinträchtigen?

Börner: Die Gefahr sehe ich aus Sicht des Clubs nicht. Die Menschen in Oxford haben zumindest überwiegend gegen den Brexit gestimmt.

Warum sollte man als Bonner nach Oxford reisen, wenn man noch nicht dort war?

Börner: Oxford hat eine bestimmte Atmosphäre, allein schon wegen der besonderen College-Gebäude.

Und was können die Bonner von den Oxfordern lernen?

Daufeldt: Das disziplinierte Anstehen ohne Drängeln und Schieben.

Börner: Und die Stadt ist sehr sauber. Graffiti gibt es in der Innenstadt rund um die Universitätsgebäude nicht.

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