Drahtloses Internet in der Innenstadt In Bonn wächst das Freifunk-Netz

BONN · Den WLAN-Router mit Strom versorgen, ihn an den Computer anschließen und ein Programm installieren: So einfach ist es, "Freifunker" zu werden. Die Idee dahinter ist eine Mischung aus freiem Internet für alle und Nächstenliebe.

Kirchtürme sind beliebte Standorte für die Freifunk-Router, in Bonn ist das aber bisher nicht erlaubt.

Kirchtürme sind beliebte Standorte für die Freifunk-Router, in Bonn ist das aber bisher nicht erlaubt.

Foto: Nicolas Ottersbach

Jeder kann seinen Internetanschluss über einen Freifunk-Router öffentlich zugänglich machen - ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Was öffentliche WLAN-Hotspots bisher in Deutschland ausbremst, sind nicht nur die Kosten für den Ausbau. Vielmehr ist es die umstrittene Störerhaftung, die es ausschließlich in der Bundesrepublik gibt. Wer Fremde über sein WLAN surfen lässt, muss mit Abmahnungen rechnen. Zum Beispiel für illegale Musik-Downloads. Denn im deutschen Recht kann für eine Rechtsverletzung auch ein weitgehend Unbeteiligter haften. Freifunker umgehen diese juristische Hürde. Freifunk-Router nutzen den lokalen Internet-Anschluss nur, um den Datenstrom zu einem Provider zu leiten. Die Anschlusskennung des Router-Betreibers steht deshalb nicht in den Protokollen. Und Provider sind laut Gesetz von der Störerhaftung ausgenommen.

Als Freifunker schließt man einen zusätzlichen Router an sein Heimnetzwerk an, der ein separates WLAN erzeugt. Das eigene, private Netzwerk bleibt dabei von der Öffentlichkeit unberührt und sicher. Der Datenverkehr wird auf dem Zusatz-Router verschlüsselt und über einen sogenannten VPN-Tunnel, den man sich als Tunnel mit einem Ziel vorstellen muss, an die Server des Chaos Computer Clubs (CCC) in Berlin geschickt. Erst dort gelangen die Daten ins Internet. Damit genießen die Freifunker den Schutz des CCC, der sich für Informationsfreiheit einsetzt, die Menschen an Technik heranführen will. "

Alles läuft über unsere Freifunk-Server beim CCC in Berlin", erklärt ein Informatiker von den Freifunkern Köln, Bonn und Umgebung (KBU), der sich "Nunatak" nennt. Bisher habe sich wegen des Renommees und Sachverstandes noch niemand getraut, den CCC zu verklagen. Der Club speichert keine Daten, die - nach Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs - nicht gespeichert werden müssen.

Das Freifunk-Netz von Köln, Bonn und Umgebung

Die Freifunkergemeinde wächst stetig, auch in Bonn. Seit 2006 gibt es die KBU-Gruppe, die zunächst in Köln als Projekt des CCC startete. Im Bonner "Netzladen" an der Breite Straße trifft man sich immer am ersten Donnerstag des Monats. In der Altstadt hat sich so eine Freifunk-Szene entwickelt, Anwohner und Geschäftsleute machen mit. Mittlerweile ist es möglich, mit gutem Empfang und ordentlicher Geschwindigkeit an vielen Orten, wie rund um das Frankenbad, zu surfen. Dafür muss man sich lediglich mit dem Endgerät in das offene WLAN kbu.freifunk.net einloggen. Die Freifunk-Router bauen untereinander ein sogenanntes Mesh-Netzwerk auf, was die Ausfallsicherheit erhöht und aus vielen kleinen ein großes WLAN herstellt. Auf einer Karte, die es auf der Internetseite der Freifunker gibt, sieht das dann wie ein unregelmäßiges Spinnennetz aus, das sich über Straßenzüge in Köln oder Teile der Bonner Altstadt spannt.

"Es geht darum, das Internet in die Hände der Bürger zu holen, ohne es zu beschränken", sagt Freifunker Dirk Theisen. Deshalb haben die Netzaktivisten der Stadt Bonn den Vorschlag gemacht, das Freifunknetz mit städtischer Hilfe auszubauen. In einer Stellungnahme an die Ratsfraktionen ist die Stadt angetan, darüber zu sprechen.

Man könne Strom oder kommunale Gebäude als Standorte für die Router stellen. Hohe Punkte wie das Stadthaus oder Kirchen sind für die Richtfunk-Verbindung von Freifunk-Inseln ideal. Ein flächendeckendes WLAN der Stadt war aus rechtlichen Gründen und mangels Geld bisher gescheitert.

"Ein Freifunk-Netz ist hierbei allerdings ohne jegliche Garantien, die das Hotspot-Angebot der Telekom bietet", sagt Nunatak. Denn Freifunk wird von Bürgern gemacht und kann von ihnen auch jederzeit wieder beendet werden. Dafür ist Freifunk ohne umständliche Anmeldung möglich, frei von Zensur und auch nicht wie die Telekom-Hotspots auf 30 Minuten pro Tag beschränkt.

"Was wir machen, ist nicht umsonst, wir sind kein kommerzieller Anbieter. Letztendlich ist es ein Ehrenamt, ohne die Bürger funktioniert es nicht", sagt Nunatak. So möchte man sich verstanden wissen, wie den Trainer einer Jugendfußballmannschaft, der seine Freizeit für andere einsetzt. "Es gibt viele, die sich keine teueren Datentarife leisten können, aber trotzdem via WLAN mit Freunden und Verwandten kommunizieren und sich online informieren möchten. Die Vernetzung mit Nachbarn unterstützt darüber hinaus den nachbarschaftlichen Dialog.“

Weitere Infos unter kbu.freifunk.net

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