Beethovenfest: Ausstellung im Kunstmuseum Immer in Aktion

Bonn · Das Kunstmuseum Bonn präsentiert in Kooperation mit dem Beethovenfest die US-amerikanische Tänzerin Simone Forti unter dem Titel „Sound move“

 Simone Forti führt in Bonn ihre Arbeit „Face Tunes“ von 1968 vor.

Simone Forti führt in Bonn ihre Arbeit „Face Tunes“ von 1968 vor.

Foto: Benjamin Westhoff

Eine diebische Freude bemächtigt sich der zierlichen Choreografin und Tänzerin Simone Forti, sobald eine junge Akteurin die mit Schrauben gefüllte Metallpfanne schließt und zu schütteln beginnt, eine zweite Akteurin den ohrenbetäubenden Lärm zu überschreien versucht. Die 81-jährige Forti, deren Performance „Censor“ aus dem Jahr 1961 gerade im Bonner Kunstmuseum aufgeführt wird, genießt den Schockmoment, den der Krach bei den Besuchern auslöst, erzählt dann milde lächelnd, dass sie in der New Yorker U-Bahn auf der Höhe der 14. Straße bei einer Kurve, in der die Bahn fürchterlich quietscht, auf die Idee zu dieser „Censor“ kam. Die Tänzerin als Bürgerschreck.

Wenn sie sich bewegt, sind das zwar geschmeidige, aber selten im klassischen Sinn schöne Bewegungen. Ihr Tanz hat etwas Animalisches, Archaisches, er ist bisweilen aggressiv, die Mimik unterstützt diesen Charakter, knurrende Laute, auch Schreie sorgen für Spannung. Ein Film zeigt sie auf ihrem Garagenhof in Los Angeles, wie sie wie eine Schamanin zu eigenen Zeichnungen tanzt, die wiederum nach der Bronzeskulptur „Le Chant des Voyelles“ (Gesang der Vokale) des Kubisten Jacques Lipchitz entstanden. Ein spannender Crossover-Dialog.

In Kooperation mit dem Beethovenfest bietet das Kunstmuseum einen Einblick in den bizarren Kosmos der außergewöhnlichen Künstlerin, die sich allen Versuchen, sie einzuordnen, entzieht. Für Stephan Berg, Intendant des Kunstmuseums, ist die Forti-Ausstellung mit ihrer Kombination aus Performance, Tanz, bildender Kunst und Sound der Beginn eines neuen Formats, das sich der interdisziplinären Kunst widmen soll. Im kommenden Jahr steht das Duo Lundahl & Seitl auf dem Programm. Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner findet Simone Forti ideal passend für das diesjährige Revolutionen-Motto des Festivals: „American Post Modern Dance ist mit seinen Wurzeln bei Cage und Cunningham ein gefundenes revolutionäres Fressen.“

Die Schau vereinigt 13 Zeichnungen und Performance-Objekte Fortis mit acht Kompositionen befreundeter Komponisten in der kuscheligen Sound-Lounge, ferner Filme und Klanginstallationen. Die Ausstellung wird durch Performances nach Stücken Simone Fortis begleitet, die Studierende des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz der Hochschule für Musik und Tanz Köln aufführen werden. Darunter ist „Cloths“, eine Aktivierung dreier Gestelle, über die verschiedenfarbige Tücher geworfen wurden. Hinter den Gestellen kauern die Akteure, die singend und Geräusche erzeugend, beginnend bei Schwarz die Tücher wechseln. Eine meditative Choreografie.

1967, als Forti „Cloths“ komponierte, hatte sie sich von dem Theatermacher Robert Whitman getrennt und war auf dem Sprung nach Rom, eine Reise in ihr erstes Heimatland. 1935 wurde sie in Florenz geboren, bereits 1938 wanderte sie mit ihrer jüdischen Familie aus Angst vor den italienischen Faschisten in die USA aus. Forti studierte Kunst, lernte ihren ersten Ehemann, den Künstler Robert Morris, kennen und zog mit ihm nach San Francisco. Forti begann dort ihre Tanzkarriere, lernte bei Anna Halprin, ging dann nach New York, um ihre Studien bei Martha Graham und Merce Cunningham fortzusetzen, beschäftigte sich mit Komposition. Es war eine überschaubare, sehr durchlässige und vielseitige Szene, in der sie sich bewegte: Forti machte Happenings, kannte John Cage, Nam June Paik und Claes Oldenburg, arbeitete mit Yoko Ono zusammen, betrieb Tierbewegungsstudien. Und sie begeisterte sich für die aktuelle Musik – der Besuch beim Woodstock-Festival 1969 war ein prägendes Ereignis.

Der Ausstellungsmacher Kasper König, der 1974 Fortis erstes Buch „Handbook in Motion“ veröffentlichte, sah in ihr zunächst eine Minimalistin, wie Kuratorin Sigrid Gareis verrät. Dabei sei sie, von den Drogendelirien von Woodstock benebelt, eher „hippieesk“ (Gareis) unterwegs gewesen. Auch als Fluxuskünstlerin wurde Forti verortet. Sie selbst will sich nicht festlegen lassen: „Ich bin Choreografin und Interpretatorin.“

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