Bonner Gedenken an die Opfer der Kriege Im Schicksal vereint

Bonn · Bonner Bürger gedenken zusammen mit syrischen Flüchtlingen der Zerstörung der Bonner Altstadt im Zweiten Weltkrieg. Die Bilder erinnern an deren Heimatstadt Aleppo.

Ohrenbetäubend laut heulten die Sirenen, die in Bonn am 18. Oktober 1944 vor dem drohenden Unheil warnten. Überall in der Stadt hasteten die Menschen in ihre Keller oder in Luftschutzbunker und hofften im Schutz ihrer Unterstände darauf, gut davonzukommen. Denn bislang hatte der Krieg in Bonn verhältnismäßig wenig Spuren hinterlassen, gerade einmal 500 der insgesamt mehr als 27.000 Wohnungen waren bis zu diesem Zeitpunkt durch Bomben zerstört worden. Für die Alliierten war die Stadt am Rhein lange kein strategisch wichtiges Ziel.

Doch an diesem schicksalhaften Mittwochmorgen war alles anders: Um 11.03 Uhr warfen 129 britische Lancester-Bomber bei einem Testlauf für ein neues Zielsystem ihre tödliche Fracht über der Altstadt ab. Innerhalb von sechs Minuten legten sie Bonn in Schutt und Asche. 72 Jahre später und auf die Minute genau begann im Innenhof des Frauenmuseums vor den Trümmern der bei dem Angriff zerstörten Gertrudiskapelle am Dienstag eine Gedenkfeier für die Opfer des Angriffs. Unter den Gästen waren auch Flüchtlinge aus Syrien, bei denen beim Gedanken an das Bombardement Erinnerungen an den Krieg in ihrer Heimat wach wurden.

„Die Fotos des zerstörten Bonn erinnern mich sehr an Bilder aus meiner Heimatstadt Aleppo“, sagte Soubhi Kalghssi (34). Der syrische Christ floh aus Angst vor Verfolgung vor rund einem Jahr nach Deutschland und ließ alles zurück. „Meine Familie und viele Freunde sind noch dort, auch meinen Laden musste ich schließen.“ Kalghssi betrieb vor seiner Flucht einen Supermarkt. „Ich habe selbst Bombenangriffe miterlebt und kann deshalb nachvollziehen, wie sich die Menschen damals gefühlt haben müssen.“

Jean Claude Hauser sprach stellvertretend für Nivelles

Die Gedenkfeier stand ganz im Zeichen der Gertrudiskapelle und begann mit einer Begrüßung durch Curt Delander, der sich seit Jahren für den Erhalt der Überreste des zerstörten Gotteshauses einsetzt. Nach der Predigt von Pastoralreferentin Ingeborg Rathofer über den Erhalt des Friedens in unruhigen Zeiten sprach Jean Claude Hauser stellvertretend für die belgische Gemeinde Nivelles. Dort hatte die Wehrmacht 1940 eine Gertrudis-Kapelle zerstört. Des Weiteren zündete Heinz Meyer im Namen der Kolpingsfamilie eine Kerze an. Die Glaubensgemeinschaft fand während der NS-Zeit Unterschlupf in der Kapelle. CDU und SPD steuerten Kränze bei.

Zu Wort meldete sich auch Johannes Kieserg. Der Zeitzeuge legte eine Rose vor die Trümmerstücke und erzählte von jenem schicksalhaften Tag. „Es war eigentlich ein sehr schöner Morgen. Ich war 15 Jahre alt und gerade beim Schanzeinsatz, einer Arbeitsmaßnahme, als die Bomber kamen.“ Das Haus seiner Großmutter bekam einen Treffer ab, sie wurde aber nach dem Angriff lebend aus ihrem Keller geborgen, erzählte Kieserg. „Ein Malergeschäft brannte noch tagelang, wegen starker Winde war das Feuer in der Stadt kaum in den Griff zu kriegen.“

Zum Schluss beteten die Flüchtlinge zusammen mit den Bonnern das Vaterunser – erst auf Aramäisch, dann auf Deutsch. „Egal ob Syrer, Kurde, Deutscher, Christ oder Moslem: Bomben machen keinen Unterschied“, resümierte Rolkan Hajio Thman (31) aus Aleppo. „Bonn und Aleppo sind vergleichbar. In beiden Fällen wurden unschuldige Menschen zu Opfern.“

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