Ausreißer auf Bonner Waldau Hirsch erliegt dem Duft der Weibchen

Venusberg · Anderthalb Jahre hat der Ausreißer einen Bogen um sein altes Zuhause gemacht. Doch jetzt ist er dem Duft der Weibchen erlegen. Der im Mai 2015 aus dem Wildgehege der Waldau entlaufene Damhirsch ist dieser Tage regelmäßig bei seiner alten Herde zu sehen – allerdings vor und nicht hinter dem Zaun. Spaziergänger rücken ihm manchmal zu nah auf die Pelle.

 Der Ausreißer will zurück ins Gehege. Seine Haltung drückt aus, dass er sich von den Spaziergängern bedroht fühlt.

Der Ausreißer will zurück ins Gehege. Seine Haltung drückt aus, dass er sich von den Spaziergängern bedroht fühlt.

Foto: Rainer Behrendt

Dort kommen ihm, vor allem am Wochenende, die Spaziergänger in die Quere. Die Stadtförsterei rät dringend, dem Hirsch nicht zu nah zu kommen.

Das hat aber nichts mit Aggressivität zu tun. Im Gegenteil. Der Hirsch zeigt sich zutraulich, wie es GA-Leser Rainer Behrendt beobachtet hat. Das Tier stand zwischen dem Rot- und Damwildgehege. „Es ließ sich streicheln, bis es sich eingeengt fühlte“, teilt er mit. Als der Hirsch ausgebrochen sei, sei eine Frau gestürzt. Zum Glück kam sie mit ein paar Schürfwunden davon.

Stadtförster Sebastian Korintenberg erinnert sich, dass vor anderthalb Jahren ein umgekippter Baum den Zaun des Geheges beschädigt hatte. Zwei Hirschbullen und vier -kühe nutzten die Chance, um in die freie Wildbahn zu entkommen.

Die Stadt teilte daraufhin das Gehege und ließ ein Gatter für mehr als sechs Wochen offen stehen. Eine Kuh und ein Hirsch ließen sich mit Futter ködern und kamen zurück. Wie berichtet, wurde vor allem das fehlende Männchen immer wieder in der Nähe gesichtet.

Doch ohne es zu wissen, geht der Hirsch dabei ein Risiko ein. Er befindet sich im Wald nämlich nicht mehr unter dem Schutz der Stadt, sondern unterliege dem Jagdgesetz, so der Förster. Das bedeute: Richtet das Tier Schäden an, sei je nach Vertrag der Jagdpächter zuständig. Das könne Verbiss sein, also wenn junge Pflanzen angefressen werden und sie dann eingehen. Bei Fegeschäden reiben die Hirsche ihr Geweih an Bäumen, die dadurch ihre Rinde verlieren.

Besteht eine Gefährdung, kann das Wild sogar außerhalb der Schonzeit geschossen werden. In der Jagdzeit unterliegt es einem Abschussplan. Wäre der Vermisste nun innerhalb einiger Wochen zurückgekommen, hätte er wohl wieder zu seiner alten Herde gedurft. Doch irgendwann war dort die Tür zu.

„Mittlerweile habe ich schon mehrere E-Mails mit Hinweisen auf den Hirsch bekommen“, berichtet Korintenberg. Er selbst sieht ihn jeden Tag. Er würde sich sogar für seine Rückkehr einsetzen, falls Gefahr bestünde, dass sich noch mehr Waldau-Besucher verletzen. „Es müsste auch geprüft werden, wie man ihn einfängt“, sagt der Förster.

Doch es ist nicht wirklich Heimweh, das den zwischen vier und sechs Jahre alten Hirsch immer wieder an den Zaun lockt. „Er kommt zurück, weil gerade Brunftzeit ist“, sagt Korintenberg. Die hormongeladenen Weibchen sind mit ihrem Duft so unwiderstehlich, dass auf der Rückseite des Geheges noch vier weitere, allerdings wesentlich scheuere Männer Spalier stehen. Die Brunftzeit dauert noch bis zu vier Wochen.

Für den Entlaufenen sind die Menschen „wie wandelnde Kaugummiautomaten. Er kennt sie als Freund und Futterquelle“, erklärt der Förster. Die Damwildherde bestehe mittlerweile aus 20 Tieren. „Es sind auch drei, vier jüngere Hirsche dabei.“ Der eine Rückkehrer ist mittlerweile aber einen tragischen Tod gestorben. Nachdem er mit seinem Geweih am Zaun hängengeblieben war, konnten die Wildhüter ihn noch befreien. Doch er ist schließlich ein paar Tage später – wohl an inneren Verletzungen – verendet.

Die Stadtförsterei ist regelmäßig mit anderen Tierparks im Austausch. Nächstes Jahr sollen zwei größere Hirsche zur Waldau kommen. Auch Weibchen treten ab und an die Reise zu einem anderen Gehege an. In welchem Rhythmus das geschieht, empfehlen in Bonn zwei Tierärzte. Nach der Brunft geht der Rückkehrer „wieder in seine Einstände zurück“, ist sich Stadtförster Korintenberg sicher. „Er sucht dann weniger die Nähe zu seinen alten Kumpels.“

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