Unter dem Fundament versenkt Grundstein des Bonn-Centers nach Detektivarbeit freigelegt

BONN · Für Architekt Joachim Kaiser war es ein historischer Moment: Der Grundstein, den er vor fast 50 Jahren unter dem Fundament des Bonn-Centers versenkt hat, ist wieder da. Mit detektivischem Spürsinn hatte der Bauleiter von 1968 nach ihm gesucht.

 Feucht und zerfleddert kommt die Urkunde zur Grundsteinlegung des Bonn-Centers 1968 aus der Kapsel. Für Gesamtprojektleiter Thomas Leise (rechts) und den ehemaligen Bauleiter Joachim Kaiser (Mitte) trotzdem ein historischer Moment.

Feucht und zerfleddert kommt die Urkunde zur Grundsteinlegung des Bonn-Centers 1968 aus der Kapsel. Für Gesamtprojektleiter Thomas Leise (rechts) und den ehemaligen Bauleiter Joachim Kaiser (Mitte) trotzdem ein historischer Moment.

Foto: Benjamin Westhoff

Gespannt öffneten Mitarbeiter der Firma Art-Invest und des Abrissunternehmens AWR Abbruch die Kapsel, die einige verwitterte Münzen und eine sehr mitgenommene Urkunde enthielt. Heil ist die Marmorplatte geblieben, die den Grundstein abgedeckt hatte und das Datum 26.03.1968 trägt. „Für mich ist der Grundstein wie die Seele des Bauwerks gewesen“, sagte Kaiser am Freitagnachmittag beim Pressetermin in der tiefen Baugrube am Bundeskanzlerplatz. Mit detektivischem Ehrgeiz hatte er anhand von alten Fotos versucht, den genauen Standort zu lokalisieren, denn in den Bauplänen war der nicht eingezeichnet.

Ein 2,5 Meter dickes Fundament aus besonders hartem Beton, an dem sich die Bagger des Abrissunternehmens gerade die Zähne ausbeißen, gab den entscheidenden Hinweis. Durch eine Schicht Sand war der Betonmantel des Grundsteins von der Bodenplatte getrennt, sodass er sich am Baggerarm aus dem Loch heben ließ. Die erste Überraschung dann, als der marmorne Deckel entfernt war: Die Kapsel war zusätzlich einbetoniert und musste erst mit Maschinenkraft befreit werden. „Das ist nicht in meinem Beisein gemacht worden“, sagte der 75-Jährige. Er musste sich noch gedulden, bis er die Kapsel endlich wie einen WM-Pokal in die Höhe recken konnte.

Grundstein des Bonn-Centers freigelegt
23 Bilder

Grundstein des Bonn-Centers freigelegt

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Kaiser erinnert sich noch, wo Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller am Tag der Grundsteinlegung gestanden und den Bonnern einen „Hauch von Manhattan“ versprochen hat, eher untypisch für die sonst so bescheidene Hauptstadt am Rhein. Der Architekt war 26 Jahre alt, als er örtlicher Bauleiter für das Bonn-Center wurde. Trotz „Pech und Pannen“ beim Hochhausbau verfolgte er die Sprengung des Gebäudes im März wehmütig vom Dach des WCCB-Parkhauses aus.

Was nur er als Fachmann erkennen konnte: Das Fundament des Mercedes-Sterns, der Markenzeichen des Bonn-Centers war, lag am Ende wie ein Sahnehäubchen oben auf dem Schuttberg. Der ist inzwischen weitgehend zerkleinert und abgetragen. Was man von der Straße aus nicht sieht: Zurzeit wird die Bodenplatte zerkleinert, in der Grube türmen sich nach wie vor Schuttberge, verknäuelt mit Baustahl. Der Abriss soll voraussichtlich noch weitere vier Wochen dauern.

„Wir werden verantwortungsvoll damit umgehen, was diesen Ort ausgemacht hat“, kündigte Thomas Leise, Gesamtprojektleiter der Firma Art-Invest, die an gleicher Stelle das Quartier „Neuer Kanzlerplatz“ errichtet, an. Er verfolgte gespannt, was aus der historischen Kapsel zum Vorschein kam. Die alte Urkunde, die offenbar sehr durch Feuchtigkeit gelitten hat, will er sichern und später in den Grundstein des neuen Quartiers integrieren. Wie allerdings eine Postkarte der Galerie Pro aus Bad Godesberg in den Grundstein kam, auf der für „preisgünstige Grafikangebote“ geworben wurde, bleibt ein Rätsel. Die staubige Schatzsuche mit Bagger und Presslufthammer war trotz magerer Ausbeute ein Erlebnis.

Thomas Leise freute sich über Kaisers Engagement: „Es kommt selten vor, dass jemand den gesamten Zyklus eines Bauwerks begleitet.“ Eine Frage ist weiter offen: Erst im Herbst wird laut Art-Invest feststehen, ob das geplante Hochhaus des neuen Gebäudeensembles 70 oder 100 Meter hoch werde. Das bestimme der Markt, so der Projektleiter. Er geht davon aus, dass mehrere Mieter in den neuen Bürokomplex einziehen werden.

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