Lutherkirche Glocken von 41 Kirchen läuten

BONN · In einer Zeit, als es weder Verkehrslärm noch Baustellenkrach gab, waren in Bonn die Kirchenglocken weithin zu hören und wichtigstes Kommunikations-Mittel: Ob die Ratssitzung begann oder der Markt seinen Anfang nahm - die Glocken teilten es mit. Ein wenig dieser alten Macht war am Freitag um 19.45 Uhr zu spüren, als 41 Bonner Kirchen zugleich die Kirchennacht einläuteten.

 Wenn die drei Glocken der Lutherkirche läuten, muss auch Küster Reinhard Knur das Weite suchen, so laut sind sie.

Wenn die drei Glocken der Lutherkirche läuten, muss auch Küster Reinhard Knur das Weite suchen, so laut sind sie.

Foto: Barbara Frommann

In der Lutherkirche an der Reuterstraße brachte Küster Reinhard Knur die drei schweren Stahlgussglocken in Gang, um sie in den Kanon einstimmen zu lassen.

1,4 Tonnen wiegt die größte und lauteste von ihnen und wer sie in ihrer mannshohen Massivität sieht, freut sich mit dem Küster, dass sie nicht mehr wie früher durch Muskelkraft bewegt wird. "Ich muss nur noch drei Knöpfe treffen", lächelt Knur, aber das ist vielleicht zu bescheiden. Denn auch, wenn es per Knopfdruck geschieht, erfordert es Fingerspitzengefühl, das Läuten der dunklen, mittleren und hellen Glocke in einen harmonischen Dreiklang zu bringen. Anders als die Kreuzkirche am Kaiserplatz blieb die Lutherkirche im Zweiten Weltkrieg von Bombenschäden verschont. Trotzdem beherbergt das 1903 errichtete Gotteshaus in seinem Turm nicht mehr die Original-Bronzeglocken. Sie wurden 1917 abmontiert und zwei von ihnen zu Kriegszwecken eingeschmolzen - fünf Jahre lang blieb die Lutherkirche glockenlos. "Aus tiefer Not schrei ich zu dir", wurde 1922 in die "neue" große Glocke eingraviert, aber diese Worte aus einem Kirchenlied Martin Luthers bekommen die Wenigsten zu sehen.

"Unser Turm ist ja der Öffentlichkeit nicht zugänglich", erklärt der Küster, "nur ich bin einmal im Monat oben, um Lampen auszutauschen und manchmal gehen wir auch mit den Konfirmanden hier hoch." Zweimal jährlich werden die Glocken gewartet, ein Techniker prüft, ob die Klöppel richtig hängen oder etwas gebrochen ist und schmiert das Kettengetriebe des Elektromotors. "Der sitzt dann da mit schweren Schallschutz-Kopfhörern und ich muss wieder heruntersteigen, weil es ohne solche Dinger gar nicht möglich ist, sich in Glockennähe aufzuhalten".

Jeden Samstag um 17.55 Uhr läuten die Glocken der Lutherkirche den Sonntag ein. Sie rufen zum Gottesdienst und sind zu hören, wenn Traugottesdienste oder Einsegnungen stattfinden. Am schönsten aber findet Reinhard Knur es, wenn er während des Vaterunsers ganz leicht die hellste der drei Glocken erklingen lassen darf. "Das ist auch ein Signal nach draußen, das sagt: Jetzt betet gerade eine Gemeinschaft zu Gott!"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort