Mehr aggressive Fahrgäste Gewerkschafter berichtet von Gewalt gegen Bahn-Mitarbeiter

Bonn · Die Zahl der Übergriffe auf Mitarbeiter der Deutschen Bahn steigt. Davon hat ein Gewerkschafter bei einem Vortrag in Bonn berichtet.

 Mitarbeiter der DB Sicherheit sind inzwischen mit Stichschutzweste und Schlagstock ausgestattet.

Mitarbeiter der DB Sicherheit sind inzwischen mit Stichschutzweste und Schlagstock ausgestattet.

Foto: dpa

"Die zweite und dritte Beleidigung kann ich noch überhören, aber bei der 20. reißt auch mir der Geduldsfaden." So zitiert Marco Rafolt einen Mitarbeiter der Deutschen Bahn. Als Fachbereichsleiter für Sicherheit und Privatbahnen bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hört Rafolt täglich Geschichten über Bedrohungen, Übergriffe und sexuelle Belästigung. Oft seien die Bediensteten der Verkehrsbetriebe die direkten Adressaten, wenn sich bei Passagieren der Frust über Pannen und verspätete Züge entlädt. Bei einem Vortrag im DGB-Haus informierte er über die psychischen und körperlichen Belastungen, denen Bahnmitarbeiter ausgesetzt sind.

2550 Fälle von leichter und schwerer Körperverletzung wurden der Deutschen Bahn 2017 von Mitarbeitern offiziell gemeldet. Das bedeutet einen stetigen Anstieg im Vergleich zum Jahr 2012, in dem 966 Fälle aufgenommen wurden. Die Dunkelziffer dürfte noch weit höher liegen.

Ein Großteil der Fälle ereignet sich laut Rafolt in den Regionalbahnen und bei der DB Sicherheit an den Bahnhöfen. "Im Fernverkehr - also ICE, IC und EC - wird viel Geld für Sicherheit ausgegeben. Die DB Regio wird vom Staat subventioniert und muss jeden Cent umdrehen. Der Bereich Sicherheit wird da oft kaum bedacht", sagte Rafolt. Er hat bei der Bahn eine Ausbildung zum Schaffner absolviert und kennt den Arbeitsalltag, ob im Zug, in der Servicestelle oder am Schalter.

Die Anzahl der Übergriffe steigt seinen Angaben zufolge am Wochenende und zu späterer Stunde. "Aber vor allem auch im Berufsverkehr nachmittags ist ein rapider Anstieg zu verzeichnen. Der Stress vom Tag führt bei den Passagieren zu einem deutlich höheren Aggressionspotenzial.", so Rafolt. Es falle auf, dass die Täter meist männlich seien und immer jünger werden. Schwarzfahrer und psychisch Kranke griffen am häufigsten an. Und: Durchaus seien darunter oft Reisende der ersten Klasse.

Inzwischen sei jeder Mitarbeiter der DB Sicherheit mit Stichschutzweste und Schlagstock ausgestattet, so Rafolt. Auch von Bodycams ist er, trotz anfänglicher Skepsis, inzwischen überzeugt. "In Pilotprojekten hat sich gezeigt, dass diese tatsächlich präventiv wirken und viele abschrecken."

Beständig verhandeln Rafolt und seine Kollegen mit der Deutschen Bahn über Maßnahmen, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu erhöhen. So konnten sie beispielsweise das Angebot regelmäßiger Deeskalationsschulungen durchsetzen, und seit 2017 gibt es das EVG-Helfertelefon. Bei "Ruf Robin!" bekommen Mitarbeiter rund um die Uhr Hilfe und werden im Falle von Übergriffen oder Problemen psychologisch und rechtlich beraten. Das bedeute viel Arbeit und teils monatelange Betreuung, so Rafolt. Aber die Mitarbeiter seien für die Unterstützung und das Interesse an ihren Problemen mehr als dankbar.

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