Auszeichnung für das Projekt "Flüchtlinge im Blick" Gesundheitspreis NRW für "pro familia"

BONN · Treffpunkt Paulusheim: In der Flüchtlingsunterkunft bietet Shohreh Ghavidel, Mitarbeiterin von "pro familia", mit einigen Ehrenamtlichen ihre regelmäßige Beratung an. Es gehört zum "pro familia"-Pilotprojekt "Flüchtlinge im Blick", das am 10. Dezember in Düsseldorf vom Ministerium einen der diesjährigen Gesundheitspreise NRW verliehen bekommt.

 "Pro familia" hilft bei der Flüchtlingsarbeit: Shohreh Ghavidel und Stéphanie Berrut vor dem Paulusheim.

"Pro familia" hilft bei der Flüchtlingsarbeit: Shohreh Ghavidel und Stéphanie Berrut vor dem Paulusheim.

Foto: Barbara Frommann

"Unsere aufsuchende Arbeit erreicht die Menschen in Flüchtlingsunterkünften, Gemeindehäusern oder Sprachkursen", erläutert Stéphanie Berrut, Leiterin von "pro familia" in Bonn. Dabei orientiere sich das Angebot genau an den Bedürfnissen dieser Menschen. "So erklären wir den Asylbewerberinnen die für sie relevanten Bereiche unseres Gesundheitssystems."

Pädagogin Ghavidel informiert die Flüchtlingsfamilien über Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Schwangere, Geburt, Impfungen oder Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern im fremden Land. Sie erläutert die Eltern-Kind-Bindung in belastenden Lebenssituationen, spricht über Verhütung, lehrt relevante Vokabeln für den Besuch beim Gynäkologen oder Kinderarzt und natürlich für die Entbindung im Krankenhaus.

Das Projekt läuft seit Oktober 2014. "Bis Oktober dieses Jahres haben wir damit 218 Menschen, 125 Frauen und 93 Männer, in 38 Gruppenveranstaltungen und Beratungen erreicht", rechnet Berrut vor.

Shohreh Ghavidel wird von fünf bis zehn ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen unterstützt. "Alle haben einen Migrations- oder Fluchthintergrund. Die Mehrheit ist bis Mitte 30 Jahre alt und hat mehrere Kinder", berichtet Stéphanie Berrut. Die Aufgabe der Ehrenamtlichen besteht in der Übersetzung der Inhalte in die verschiedenen Fremdsprachen. Außerdem begleiten sie die Flüchtlinge zu Terminen bei Ärzten, im Krankenhaus oder zu anderen Beratungsstellen.

Mindestens 28 dieser Begleitmaßnahmen seien bislang erfolgreich gelaufen. "Ziel ist es, dass die Flüchtlinge gesundheitliche und psychosoziale Regelangebote bei Bedarf möglichst bald selbstständig nutzen können", so Berrut. Zudem vermittle man, wenn nötig, in andere Fachbereiche der Beratungsstelle. Insgesamt 24 Sitzungen hätten den Betroffenen aus dem Paulusheim in ihrem schwierigen Alltag schon weitergeholfen. Shohreh Ghavidel hat mit einer Familienhebamme auch einen Kursus zur Geburtsvor- und Nachbereitung in der Flüchtlingsunterkunft durchgeführt.

Die Situation von Flüchtlingsfrauen sei schon oft speziell, erläutert Berrut an Beispielen: Es gebe Frauen, die hätten eine große Distanz zum eigenen Körper, sodass sogar einfache Atemübungen für sie schwierig würden. Einige hätten sexuelle Gewalterfahrungen, sodass die Treffen vor allem dazu genutzt werden müssten, mit einfachen Methoden, die Geburt in sehr fremder Umgebung stabil zu ermöglichen. "Überlegen Sie mal, was diese Frauen dann erwartet: ungewohnte Kreißsaalbedingungen oft ohne Partner oder Familie, Sprachbarrieren, das Ausgeliefertsein des Körpers und das Gefühl, nun von Fremden angefasst zu werden."

Die Finanzierung des Projekts "Flüchtlinge im Blick" am am Standort Bonn befindet sich aktuell im Bewilligungsverfahren für eine Landesförderung der Projektarbeit bis Januar 2018 durch das Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter. Die Evaluation des Projekts wird finanziell unterstützt von der UN-Flüchtlingshilfe.

Kontakt zur Beratungsstelle von pro familia, Kölnstraße 96, unter 02 28/3 38 00 00.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort