Neue Straßenverkehrsordnung in Bonn Gemeinsam auf Bonner Gehwegen radeln

BONN · Die neue Straßenverkehrsordnung schützt Kinder und gibt Eltern die Chance, sie besser beaufsichtigen zu können. Denn sie dürfen künftig auf dem Gehweg mitradeln.

 Radfahrregeln: Kind fährt auf dem Gehweg und wird von einem Erwachsenen auf der Straße begleitet.

Radfahrregeln: Kind fährt auf dem Gehweg und wird von einem Erwachsenen auf der Straße begleitet.

Foto: Barbara Frommann

Luca ist hochkonzentriert bei der Sache. Noch ein wenig wackelig steuert der Junge sein neues Fahrrad über den Gehweg am Herzogsfreudenweg in Röttgen und versucht die Balance zu halten. „Prima“, lobt Heike Bläsch ihren sechsjährigen Sohn.

Sie fährt neben ihm auf der Straße und sorgt dafür, dass Luca rechtzeitig vor jeder Kreuzung stehen bleibt und den Verkehr beobachtet. „Genauso bin ich schon mit meinen älteren Kindern unterwegs gewesen. Erst als ich wusste, dass sie sicher sind, durften sie alleine radeln.“

Doch in Zukunft muss sie nicht mehr nebenher auf der Straße fahren. Denn aufgrund einer Novelle der Straßenverkehrsordnung soll es jetzt auch erwachsenen Radlern erlaubt sein, den Gehweg zu benutzen. „Wirklich?“, fragt die 43-Jährige ein wenig ungläubig. „Davon habe ich nichts gewusst.“

Bisher mussten Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr auf dem Fußgängerweg fahren, bis Zehnjährige durften ihn benutzen. Jetzt hat das Bundeskabinett entsprechende Änderungen der Straßenverkehrsordnung beschlossen, um schwächere Verkehrsteilnehmer besser zu schützen.

Dazu gehört auch, dass – sobald der Bundesrat der Novelle zugestimmt hat – Eltern und Aufsichtspersonen ab 16 Jahren den radelnden Nachwuchs auf dem Gehweg begleiten dürfen. Das erleichtere die Kommunikation und mache es einfacher, die Kleinen zu beaufsichtigen und anzuleiten. Zudem sei so ein direkten Sichtkontakt möglich. „Auf Fußgänger müssen beide natürlich weiter Rücksicht nehmen, die haben auf dem Gehweg absoluten Vorrang“, betont das Verkehrsministerium.

„Dieser Schritt geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Für uns geht er allerdings nicht weit genug“, kommentiert Werner Böttcher die Neuerung. Der Sprecher der Verkehrsplanungsgruppe des ADFC Bonn/Rhein-Sieg hätte sich gewünscht, dass Eltern selbst entscheiden können, wo ihr Nachwuchs fährt.

„Keiner wird sein Kind an der Reuterstraße auf der Fahrbahn fahren lassen“, meint Böttcher. „Aber wir würden es begrüßen, wenn Kinder unter acht Jahren gemeinsam mit ihren Eltern in ruhigen Wohngebieten auch auf der Straße fahren dürften. Das ist unter Umständen für beide einfacher.“

Sind Gehwege zum Radfahren ungeeignet, zu schmal oder nicht geräumt, sei es sicherer, wenn Kinder mit Begleitpersonen die Fahrbahn nehmen. „Kinder haben ein Recht auf Teilnahme am Straßenverkehr. Bei ihren täglichen Fahrten zur Kita und Schule sollten sie nicht verpflichtet werden, auf Gehwegen zu fahren. Leider wurde mit der jetzt bevorstehenden Änderung die Chance verpasst, den Eltern im Rahmen ihrer Eigenverantwortung die Wahl zu lassen“, sagt Böttcher.

Auch Helmine Arenz ist nicht ganz wohl bei der Sache. „Ich bin nicht mehr gut zu Fuß und meine Augen sind nicht mehr die Besten. Bisher habe ich mich auf dem Bürgersteig immer sicher gefühlt“, sagt die pensionierte Lehrerin. „Doch wenn jetzt mehr Radfahrer den Gehweg benutzen, dann bedeutet das, dass wir Fußgänger zur Seite gedrängt werden“, befürchtet die 76-Jährige.

Für den ADFC ist diese Sorge nicht von der Hand zu weisen: „Die Gehweg-Regelung zeigt ein verkehrspolitisches Dilemma auf: Es gibt in kaum einer deutschen Stadt eine familienfreundliche Fahrrad-Infrastruktur, auf der Vater, Mutter und Kind bedenkenlos Radfahren können.

Wir brauchen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, durchgängige Radverkehrsnetze von hoher Qualität, mehr Fahrradstraßen ohne Durchgangsverkehr und Radschnellwege, damit Radfahrer jeden Alters sicher und komfortabel unterwegs sein können. Denn natürlich wollen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern auf denselben Wegen fahren.“

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