Fraktionsgeschäftsführer der Bonner Grünen Frühstück mit Tom Schmidt im Café Blau

Bonn · Der Mann steckt voller Überraschungen: Wer hätte gedacht, dass Tom Schmidt, Fraktionsgeschäftsführer der Bonner Grünen, katholische Theologie studiert hat? Dass sein "absoluter Lieblingssender" Servus TV ist, ein österreichischer Privatsender, der Red Bull gehört?

 Im Blau vor Blau: Tom Schmidt ahmt nach, wie ein chilenischer Musiker in die Saiten greift. Der Bonner Grüne hat zwei Jahre dort gelebt und mal Bands in einem Bulli durchs Land kutschiert.

Im Blau vor Blau: Tom Schmidt ahmt nach, wie ein chilenischer Musiker in die Saiten greift. Der Bonner Grüne hat zwei Jahre dort gelebt und mal Bands in einem Bulli durchs Land kutschiert.

Foto: Barbara Frommann

Oder dass er seiner Familie zwar ein opulentes Frühstück bereitet, diese dabei aber tage- oder sogar wochenlang zwingt, dieselbe Klassik-CD zu hören, weil er eben eine Weile braucht, bis er sich das jeweilige Werk erschlossen hat?

Zur Zeit läuft im Hause Schmidt übrigens Mozarts Oboenkonzert KV 314 zu frisch aufgebackenen Brötchen, mit Umluft der Mikrowelle, damit nicht zu viel Energie im Backofen verpufft, wachsweichen Eiern und "sehr gutem, sehr leckerem Cappuccino".

Tom Schmidt: Um zehn vor sieben muss alles fertig sein, damit mein Sohn Joschka und meine Tochter Marie pünktlich in die Schule kommen. Blumen, Kerzen, auch das gehört für mich dazu. Und wenn ich Zeit habe, mache ich im Winter auch noch meinen Ofen an.

Nur die Zeitung, die hat Schmidt sozusagen vom Frühstückstisch verbannt, damit sich nicht alle anschweigen. Aber einen Blick muss der 53-jährige Kommunalpolitiker auf dem Weg vom Briefkasten schon vor dem Frühstück rasch hinein werfen, damit er keine Neuigkeit verpasst. Ausführliche Lektüre folgt später.

Schmidt, der sich beim Treffen im Café Blau das Englische Frühstück zu Milchkaffee und frisch gepresstem Orangensaft schmecken lässt, steckt mittendrin, wenn in Bonn politisch die Strippen gezogen werden, auch wenn er sich selbst nicht als Strippenzieher sehen will.

Schmidt: Das ist für mich ein Schimpfwort, denn es klingt so, als wären andere Marionetten.

Andererseits weiß der hauptberufliche Fraktionsgeschäftsführer, der mit der Kommunalpolitik anders als die meisten seine Brötchen verdient, dass sich an ihm die Geister scheiden: Während manche ihn für einen der klügsten Köpfe in der Bonner Politik halten, gilt er anderen als der unbeliebteste Grüne.

Schmidt: Natürlich will auch ich gemocht werden. Aber es ist mir nicht wichtig genug, um meine Haltung zu ändern. Außerdem interessiert es mich nicht, was die Leute über mich reden, wenn ich nicht dabei bin. Wenn es den Betreffenden wichtig ist, sollen sie es mir selbst sagen.

Für einen Punkt, an dem sich seine Kritiker reiben, hält Schmidt seine Situation, die sich von der der meisten Kommunalpolitiker unterscheidet: Während das Gros der gewählten Stadträte und Bezirksverordneten Kommunalpolitik neben dem Beruf betreibt, ist Politik zwar Schmidts Beruf, er selbst aber kein Mandatsträger.

Was ihn nicht daran hindert, seine politischen Überzeugungen mit in die Waagschale zu werfen. Zum Beispiel in der Fraktionssitzung, wo er nach den Gepflogenheiten der Grünen Stimmrecht besitzt. Oder im ständigen Dialog mit dem Koalitionspartner CDU, der nach Schmidts Überzeugung von Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten geprägt wird.

Schmidt: Da geht es immer auch darum, die Grundüberzeugungen des anderen zu respektieren, nicht das Maximum der eigenen Ideen durchzudrücken und bestimmte rote Linien nicht zu überschreiten.

Seine rote Linie liegt zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik.

Schmidt: Es geht nicht, dass vierköpfige Familien auf weniger als zwölf Quadratmetern leben. Eine Stadt wie Bonn muss es schaffen, sie menschenwürdig unterzubringen.

Was auch damit zu tun haben kann, dass Schmidt, obwohl er sich nicht für handwerkliches Talent hält, zur Zeit des Pinochet-Diktatur zwei Jahre lang in Chile Holzhäuser für Arme gebaut hat.Verdient hat er damals nichts, nur freie Kost und Logis in einer katholischen Pfarrei waren für den Studenten drin. Trotzdem erinnert er sich gerne an die Zeit, in der er Bands aus dem ganzen Land für ein Folklorefest einsammelte oder ein Schwein, gedacht für die Armenspeisung, sich auf der Ladefläche seines Lasters losriss.

Schmidt: Die Jahre ohne Geld waren sehr glücklich. Seitdem weiß ich: Ich brauche nicht viel. Zumindest nicht zu viel, was einen auf Dauer verpflichtet.

Für die Einmalinvestition in ein Surfbrett und ein Paar Ski darf es aber schon reichen, damit der in Friesdorf wohnende Schmidt von Zeit zu Zeit mit dem Wohnwagen zum Gardasee oder zum Tourenskifahren in die österreichischen Alpen starten kann. Was er mit Vorliebe tut. Was sagen Sie? Das passt nicht zu ihrem Bild von einem Grünen? Tom Schmidt steckt eben voller Überraschungen.

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