Unfall in Bonn-Beuel Freispruch für Künstlerin nach Tod von Zehnjährigem

BONN · Ein Zehnjähriger wurde im vergangenen Frühjahr auf dem Gelände der Beueler Tapetenfabrik von einer Marmorstele erschlagen. Nun hat das Bonner Amtsgericht im Urteilsspruch entschieden: Die Bildhauerin trifft keine Schuld an dem Tod des Jungen.

 Hinter diesem Bauzaun am Siebenmorgenweg stehen Granit- und Marmorplatten. Eine von ihnen war auf das Kind gestürzt.

Hinter diesem Bauzaun am Siebenmorgenweg stehen Granit- und Marmorplatten. Eine von ihnen war auf das Kind gestürzt.

Foto: Alf Kaufmann

„Die Gefahr ist von niemandem gesehen worden.“ Mit diesen Worten begründete Richterin Kerstin Ritter-Heuser den Freispruch im Fall eines zehnjährigen Jungen, der im Frühjahr vergangenen Jahres auf dem Gelände der Beueler Tapetenfabrik zu Tode kam. Der Schüler wollte an einem Märznachmittag einen Workshop des Vereins Abenteuer Lernen besuchen. Um dorthin zu gelangen, muss man vom Eingang der Tapetenfabrik einen Hof überqueren, an diesen grenzt auch eine Freifläche, die die Beueler Künstlerin Petra Siering zum Aufstellen ihrer teils großvolumigen Kunstwerke nutzt. Der Vater des Verunglückten hatte seinen Sohn und einen Freund mit dem Wagen zur Tapetenfabrik gefahren; die letzten Meter liefen die Jungs zu Fuß. Dort sahen sie mehrere Marmorstelen, und das Opfer rüttelte an einer von ihnen, während es seinen Fuß gegen den unteren Bereich des Kunstwerks stemmte. Die mindestens 500 Kilo schwere Stele kam ins Kippen und begrub den Schüler unter sich – trotz der schnellen Hilfe des Vaters und weiterer Personen, die der Freund zügig herbeirief, konnte im Krankenhaus nur noch der Tod des Jungen festgestellt werden.

Die Säule gehört zu der Skulptur „Innerhalb/Außerhalb“, die noch bis kurz vor dem Unfall im Rheinischen Landesmuseum zu sehen gewesen war. Nach Ausstellungsende war das Kunstwerk zum Atelier zurückgebracht worden; die auf den Rollstuhl angewiesene Künstlerin hatte es dann mit einem Flaschenzug und der Unterstützung eines Freundes an derselben Stelle platziert, an der es seit seiner Entstehung gestanden hatte. Weil der Verdacht bestand, dass das Werk dort nicht standsicher genug gewesen sei, hatte die Bonner Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung erhoben.

Siering richtete ihr Atelier 1994 in der Tapetenfabrik ein. Ihre Nachbarn wechselten im Laufe der Zeit, schließlich zog der Verein Abenteuer Lernen mit seinem Bildungsangebot für Kinder in die Werkstätten am Ende des Geländes ein. Nicht zuletzt, weil Siering befürchtete, dass durch unbeaufsichtigt spielende Kinder auch Schäden an ihren Werken entstehen könnten, entwickelte sich ein dauerhafter Dialog zwischen Künstlerin und Verein. Der Tenor: Die Kinder sollten stets darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie sich von den Arbeiten fernhalten müssten. Dies geschah auch, wie mehrere Zeugen aussagten. Allerdings mit Blick auf den Schutz der Kunstwerke. Dass diese ihrerseits eine Gefahr für die jungen Besucher darstellen könnten, kam weder der Künstlerin noch dem Team von Abenteuer Lernen in den Sinn.

„Die Steine hätten niemals so aufgestellt werden dürfen“, äußerte sich ein sachverständiger Bauingenieur, der die Statik der Skulptur nachgerechnet hatte und zu dem Ergebnis gekommen war, dass diese nicht standfest sei. Auch er hätte sich aber zuvor nicht vorstellen können, dass eine konkrete Gefahr bestanden hätte. Auch die Staatsanwältin hegte schließlich starke Zweifel daran, dass die Angeklagte die tragische Konsequenz hätte vorhersehen können und plädierte genau wie die Verteidigung auf Freispruch. Die Vertreterin der Eltern des Opfers, die als Nebenkläger auftraten, hatte eine Geldstrafe im Ermessen des Gerichts gefordert.

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