"Die blockierte Stadt - Folge 6" Freibäder hui, Hallenbäder pfui

BONN · Alle Argumente sind ausgetauscht, alle Diskussionen erfolgt, alle Stellungnahmen angefertigt. Und doch: Die Schwimmbäder in Bonn sind in der politischen Diskussion ein Dauerbrenner. Und ein Zankapfel. Warum ist das so? Und warum bewegt sich unterm Strich so wenig?

Das Ziel:

Rat und Verwaltung sprechen von der "Zukunft der Bonner Bäderlandschaft". Dabei geht es darum, den Bürgern möglichst viele Bäder in der Stadt zu erhalten und doch gleichzeitig an den städtischen Zuschüssen für die Bäder zu sparen. Zwei Ziele, die schwer vereinbar sind. Geht das ohne Schließungen?

Was bisher geschah:

Lange Jahre erst mal nicht viel, sieht man von ein paar Aufhübschungen im Hardtbergbad (Nordsee-Feeling) und im Ennertbad (Karibik-Flair) ab. Das Viktoriabad machte 2010 dicht, weil die anstehenden Sanierungen dem Rat zu teuer waren, es gammelt aber ungenutzt weiter vor sich hin, weil das Grundstück noch nicht vermarktet ist. Einnahmen also Fehlanzeige. Auch andere Hallenbäder in Bonn sind technisch überholt und müssen erneuert werden.

Das Grundübel: Viele Jahre wurde kaum investiert. Der Politik waren andere Dinge wichtiger als die Bäder, Instandsetzungen wurden gestrichen. Ex-Sportamtsleiter Peter Mähler drückte das einmal so aus: "Wir sind zu arm, um zu sparen." Will heißen: Selbst Ausgaben, die sich innerhalb weniger Jahre amortisieren und dann finanzielle Vorteile bringen, wurden nicht genehmigt. Die Mängel jedenfalls waren stets bekannt, die Verwaltung schrieb regelmäßig Sachstandsberichte. Das war es aber auch. Und das merkten die Besucher - und blieben weg. Die Einnahmenseite verschlechterte sich weiter.

Wenn investiert wurde, dann an der falschen Stelle. Als die Stadt 1998 neue Kassenautomaten anschaffte, um Personalkosten zu senken, stellte sich im Nachhinein heraus: Die Automaten fielen ständig aus, spuckten zu wenige Tickets pro Stunde aus, zählten das Geld nicht richtig, gaben zu viel Wechselgeld heraus, waren hitzeempfindlich und produzierten Kartenstau. Deshalb, so das Rechnungsprüfungsamt in einem 70-Seiten-Bericht, gab es manchmal stundenlang freien Eintritt, und einmal spuckte eine Münztube 850 Euro Rückgeld raus.

Dann aber ging doch etwas: Die Beueler Bütt wurde 2005 energetisch modernisiert, über ein Con?tracting-Modell, nach dem sich die Investition über die im Laufe der Jahre eingesparten Energiekosten refinanziert. Die Sanierung kostete die Stadt keinen Cent. Es blieb ein Einzelfall.

Ein Einzelfall war auch das Melbbad. 2008 senkten sich beide Becken ab, das Bad musste zumachen - und guter Rat war teuer. Sollte es aufgegeben werden? Nach Protesten aus der Bevölkerung und auf politischen Druck hin ließen sich die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann und der Rat erweichen und gaben schnell grünes Licht für die Sanierung. Sie kostete 3,5 Millionen Euro. Trotzdem standen danach das Melbbad, aber auch die Beueler Bütt immer wieder zur Disposition. Frisch sanierte Bäder schließen? Ein Irrsinn.

Stattdessen wird herumgedoktert. Einmal verfügt der Rat, dass Schulschwimmen nur noch bei schönem Wetter stattfindet, weil die Hallenbäder schon sechs Wochen vor Ferienbeginn schließen sollten. Ein anderes Mal wird mal eben ins Gespräch gebracht, Römer- und Rüngsdorfer Bad im Sommer gar nicht erst zu öffnen, um zu sparen. Und dann wieder hieß es, der Bäderetat werde im Rasenmäher-Verfahren um 30 Prozent gekürzt, was quasi die Schließung von Standorten bedeutet hätte. Umgesetzt wurde alles nicht.

Im vorigen Jahr hatte die Ratsmehrheit von CDU und Grünen genug und traf eine kaum beachtete Grundsatzentscheidung, die auch von anderen Fraktionen mitgetragen wurde: Alle Freibäder Bonns bleiben erhalten und geöffnet, auch die regelmäßig zur Schließung ins Gespräch gebrachten "Friesi" und das Melbbad. An diesem Erfolg hatten die dortigen Förderverein großen Anteil, die rührig für ihre Bäder kämpfen. Insgesamt spricht für die Freibäder: Sie garantieren vielen Bonnern ein Stück Urlaub, sind wunderbar gelegen und deshalb zu Recht sehr beliebt. Das sieht inzwischen auch die Politik so.

Die Entscheidung wurde aber kombiniert mit der Durchführung einer Bürgerbefragung zu den Hallenbädern. Insgesamt floss damit aber schon wieder viel Wasser den Rhein hinunter. Zeit wurde mit dem Bäder-Gutachten und besagter Bürgerbeteiligung vertan. Deshalb hat das Römerbad nun schon im vierten Jahr kein Kinderplanschbecken, weil alle Investitionen so lange auf Eis lagen. Über Jahre konnte man Pächtern der Kioske keine Zusage machen, ob sie im nächsten Jahr noch ihr Geschäft betreiben dürfen. Der Förderverein Melbbad durfte noch nicht mal auf eigene Kosten Kleiderspinde anschaffen.

Bei den Hallenbäder ist die Situation viel dramatischer. Sie haben den größten Sanierungsstau, sind unattraktiv, die Besucherzahlen mau. Deshalb kamen CDU und Grüne auch auf die Idee, den Bürgern die Wahl zu überlassen: Sie fragten 2500 ausgewählte Bonner repräsentativ, was ihnen lieber ist: Entweder ein Hallenbad zumachen und andere dafür auf Vordermann bringen? Oder alle Hallenbäder in ihrem Bestand erhalten und im Gegenzug die Eintrittspreise spürbar erhöhen? Die Befragten votierten mit Mehrheit für die erste Variante, doch als es darum ging, nun auch konkret ein Bad zur Schließung vorzuschlagen, versagte das System: Das Godesberger Kurfürstenbad lag bei der Abstimmung nur knapp vor der Beueler Bütt. Das Ergebnis war nicht eindeutig genug.

Außerdem liefen die CDU-Mandatsträger aus Bad Godesberg Sturm und forderten, das Bürgervotum - für das sie selbst zuvor gestimmt hatten - in seinem Ergebnis (Schließung Kurfürstenbad) nicht umzusetzen. Und tatsächlich: Die "Rebellen" setzten sich durch, der Rat beschloss zwar die Sanierung von Frankenbad und Hardtbergbad, die Gegenfinanzierung fand jedoch keine Mehrheit. Der Kämmerer muss weiter die zuletzt 6,73 Millionen Euro städtischen Zuschuss für die Bäder locker machen, nach Abzug der Eintrittsgelder von zwei Millionen Euro. Und eine Einsparmöglichkeit ist bisher nicht in Sicht.

Kritiker meinen, man hätte sich sowohl das Gutachten als auch die Bürgerbefragung sparen können. Denn von beidem wurden die entscheidenden Ratschläge nicht umgesetzt. Mehr noch: Es wurden zwei Jahre Zeit vertan, weil die Ratsmehrheit sich nicht imstande sah, selbst eine Idee zu entwickeln. Dabei war längst alles bekannt: Schon vor 13 Jahren hatte das Kölner Institut für Markt- und Werbeforschung 4589 Bonner Bürger befragt und festgestellt: Ihnen fehlt ein multifunktionales Allround-Bad, das für jeden Geschmack etwas bietet, vor allem für jüngere Familien. Und schon damals gaben die Bonner gute Noten für die Freibäder und schlechte Noten für die Hallenbäder. Dieses Ergebnis hat sich bis heute nicht verändert.

Wo es hakt:

Die Grundsatzfrage ist nicht beantwortet: Wie viele Bäder braucht Bonn? Will Bonn? Was kann man sich leisten? Und vor allem: Sind die Bäder ein Fluch oder ein Segen? Sollte man in einer Stadt, die viel Zuzug verzeichnet, Bäder-Angebote abbauen?

Es hakt an vielen Stellen: Da wären die unübersichtlichen Öffnungszeiten der Hallenbäder und die geringe Zahl an Angeboten (Wellness, Massage, Tummeltage). Die Bäderverwaltung strotzte nicht vor Kreativität und Flexibilität. Innovation Fehlanzeige. Grundübel auch: Der zuständige Dezernent der Stadt ist für Kultur und Sport zuständig, wobei die Bäder nur am Rande mitlaufen. In anderen Städten sind die Bäder zum Beispiel im Ressort Gesundheit oder Soziales angesiedelt.

Auch in anderen Ämtern hakt es. Seit etlichen Jahren gibt es einen Investor, der am Melbbad entlang der Trierer Straße bauen will. Es existiert Baurecht, aber die Sache geht nicht voran - obwohl die Politik die Vermarktung der Melbbad-Randflächen explizit fordert. Also wieder keine Einnahmen.

Und nicht zuletzt dies: Es gibt keine Einigkeit. Der Oberbürgermeister hat andere Vorstellungen als die Ratsmehrheit, die SPD andere als der OB mit SPD-Parteibuch, und CDU/Grüne können wiederum den SPD-Ideen nichts abgewinnen und umgekehrt. Auch innerhalb der CDU/Grünen-Koalition ist das Thema umstritten. Jeder kocht sein Süppchen. Und am Ende passiert - nichts.

Wie geht es weiter:

Der Rat hat beschlossen, das Frankenbad und dann das Hardtbergbad zu sanieren. Das Geld dafür (16,7 beziehungsweise 11,7 Millionen Euro) soll bei den Finanzberatungen in den Haushalt 2015 eingestellt werden. Doch was ist, sollte die Stadt in den Nothaushalt rutschen oder die Zinsen steigen? Ob dann auch die Freibad-Bestandserklärung noch gilt, steht in den Sternen. Wenn erst ein Finanzaufseher in Köln das Sagen in Bonn hat, könnte es schnell auf Schließungen hinauslaufen.

Die GA-Prognose: Die Bäder bleiben ein Dauerbrenner, die Lage ist verfahren. Die Bürger werden auch nach den Sanierungen keine deutlich attraktiveren Hallenbäder vorfinden. Deshalb bleibt der Frust, und die Familien werden weiter ins Umland fahren, um einen attraktiven Badetag zu verleben. Die Gutachterin mit ihrem Rat, zwei Bäder zu schließen und dafür ein neues, attraktives Familienbad zu bauen, hatte Recht. Das wäre es gewesen, was die Bürger begeistert hätte. Doch für das neue Bad gibt es angeblich kein passendes Grundstück in ganz Bonn. Die Wurstelei, aber auch das Hauen und Stechen, geht also weiter. Und das liegt an der Konzeptlosigkeit von Rat und Verwaltung.

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