Fall vor dem Arbeitsgericht Bonn Frau fällt bei Busanfahrt aus der noch offenen Tür

Bonn · Die Stadtwerke kündigen dem Fahrer fristlos. Eine Einigung gab es vor dem Arbeitsgericht nicht. Das Verfahren wird fortgesetzt.

Den 17. Januar wird eine Bonnerin wohl nicht so schnell vergessen: Die Frau wollte in Höhe des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in Bad Godesberg in einen Bus der Linie 614 einsteigen, als der Fahrer plötzlich losfuhr und sie durch die noch geöffnete Tür auf die Straße fiel. Dabei trug sie leichte Verletzungen davon. Als die Stadtwerke Bonn (SWB) von dem Vorfall erfuhren, reagierten sie umgehend: Sie kündigten dem Mann fristlos. Doch der 58-Jährige, der drei Kinder zu versorgen hat, will seinen Job behalten und hat gegen die Kündigung geklagt. Am Montag trafen sich die Parteien im Arbeitsgericht Bonn vor der dritten Kammer.

SWB kündigen, weil der Fahrer die Fahrgäste gefährdete - der Fahrer bestreitet

Ein Busfahrer, der Leben und Gesundheit der Fahrgäste gefährde, indem er mit offener Türe anfahre, sei für die Stadtwerke nicht tragbar, begründete SWB-Anwalt Nikolai Besgen die Kündigung des Mitarbeiters, der seit 2011 bei den SWB tätig ist. Kläger-Anwalt Baasem Jürgen Kannich zufolge hat der 58-jährige Fahrer sich während seiner Zugehörigkeit zu den SWB noch nie etwas zuschulden kommen lassen und sei auch in dem Fall unschuldig. „Mein Mandant ist bisher ohne Fehl und Tadel. Er verrichtet seinen Job sehr gerne.“

Nach den Schilderungen Besgens hatte an jenem Nachmittag ein Mann der Geschädigten, die mit ihrem vierjährigen Neffen die letzten Meter zum Bus an der Haltestelle im Laufschritt zurücklegte, die Türe aufgehalten, damit sie noch mitfahren könne. Als die Frau auf dem Treppenabsatz stehenblieb, um auf das Kind zu warten, das hinter ihr zurückgeblieben war, setzte sich der Bus in Bewegung. „Der Tachoscheibe zufolge fuhr der Fahrer sogar sehr schnell an“, sagt Besgen.

Kannich bestreitet den Vorgang: „Der Fahrer hat gar nicht bemerkt, dass die Türe noch offen war. Außerdem ist er lediglich eine Wagenlänge vorgerollt“, sagt er, und habe dann wieder gestoppt. Doch Besgen verweist auf ein Video, auf dem zu sehen sei, dass der 58-Jährige abrupt losgefahren sei. „Die Tachoscheibe weist für diese Zeit schon 28 Stundenkilometer auf“, so Besgen. „Man sieht auf dem Video auch, wie andere Fahrgäste aufschreien, und einer auf den Fahrer zurennt.“ Zudem befänden sich im Cockpit Signalleuchten, die bei geöffneten Türen leuchteten. Das Licht gehe erst aus, wenn die jeweilige Tür wieder geschlossen sei.

Fahrer lehnt Abfindung ab

Doch Kannich beteuert: „Wir wissen nicht, warum die Tür nicht geschlossen war.“ Im Übrigen sei es auch in anderen Bussen schon vorgekommen, dass sich Türen nicht vorschriftsmäßig geschlossen hätten. Es könne sich also um einen technischen Defekt handeln, meint er. „Wir räumen allerdings ein, es war ein Fehler, dass mein Mandant den Vorgang nicht sofort gemeldet hat.“ Die SWB erhielten davon erst Kenntnis, als die Geschädigte und ein anderer Fahrgast sich auf dem Beschwerdeportal der Stadtwerke meldeten.

SWB-Ausbilder Michael Goroll, der Besgen zum Gerichtstermin begleitet, schließt indes einen technischen Fehler aus. Der Busfahrer hätte bemerken müssen, dass die hintere Türe noch offen gewesen sei. Auch Kammervorsitzender Wilfried Löhr-Steinhaus macht deutlich: „Trotz aller Technik liegt die letzte Verantwortung immer noch beim Fahrer.“ Sein Vorschlag zur Güte: Die SWB wandeln die fristlose in eine ordentliche Kündigung um und zahlen dem Fahrer eine Abfindung in Höhe von 3.000 Euro. Der Kläger lehnt ab. Er wolle seinen Job behalten, sagt er. Das Verfahren wird fortgesetzt.

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