Medizinische Betreuung Flüchtlinge erhalten gute ärztliche Betreuung

Bonn · Wie ein Syrer aus Alfter müssen viele Flüchtlinge medizinisch behandelt werden. Das ist oft umständlich. In Bonn soll die Gesundheitskarte nun Abhilfe schaffen.

 Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am Uni-Klinikum.

Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am Uni-Klinikum.

Foto: Axel Vogel

Aid Jasim legt sich auf die Liege im Behandlungszimmer, es ist wieder Zeit für eine Untersuchung. Das kleine Gerät, das Mediziner dem syrischen Flüchtling im vergangenen Jahr unter die Haut transplantiert hatten, muss erneut von einem Spezialisten in der Kardiologie der Bonner Uniklinik ausgelesen werden. Alle sechs Monate ist das Pflicht.

Schließlich ist der Handtellergroße Defibrillator in Herznähe so etwas wie eine Lebensversicherung für den Syrer, der in Alfter lebt. Der 28-Jährige, den der General-Anzeiger bei seinem neuen Leben in Deutschland begleitet, leidet nach Aussage seines behandelnden Arztes, Dr. Adem Aksoy, unter einer sehr seltenen, lebensbedrohlichen Erbkrankheit: einer Ionenkanalstörung. Die wurde erst in Bonn diagnostiziert und „ist erst seit den 90er Jahren bekannt“, erklärt Aksoy.

Patienten müssten mit einem erhöhten Risiko leben, an einem plötzlichen Herztod zu sterben. Behandeln lasse sich die Krankheit nicht, führt Aksoy aus, der Assistenzarzt in der Kardiologie ist. Wohl aber könne man mit dem Implantieren des Defibrillators dafür sorgen, dass im Falle des Falles das Herz automatisch durch Stromstöße wieder zum Schlagen gebracht wird.

In Jasims Heimat, da sind sich die Mediziner in der Uniklinik sicher, wäre die Chance gering gewesen, dass die Erkrankung überhaupt erkannt worden wäre. Auch hätte er dort für die Kosten einer Behandlung – wenn sie überhaupt möglich gewesen wäre – selbst aufkommen müssen. Die übernimmt nun im Fall von Aid Jasim die öffentliche Hand, wie auch bei allen anderen Flüchtlingen. Freilich waren die Abrechnungsverfahren oft umständlich für die Patienten wie die Kommunen. Darum geht man in Bonn neue Wege.

Bereits vor der Flüchtlingskrise war die Übernahme der medizinischer Versorgung von Asylbewerbern fester Bestandteil des Asylbewerberleistungsgesetz Freilich ist das Verfahren in der Regel bürokratisch und für den Flüchtling umständlich. Wie landesweit üblich, ist auch in den 19 Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises folgendes Prozedere Standard: Vor einem Arztbesuch müssen Flüchtlinge, die noch nicht länger als 15 Monate in Deutschland leben, in dem für sie zuständigen Gesundheits- oder Sozialamt einen sogenannten Behandlungsschein beantragen, der für das Quartal gilt.

In Alfter, wo der Syrer Aid Jasim wohnt, läuft das Verfahren dann so: Das dortige Sozialamt schickt den Flüchtling bei Beschwerden mit dem Behandlungsschein zum Hausarzt, der den Patienten wenn notwendig an einen Spezialisten überweist. Behandlungsscheine für Fachärzte wie Gynäkologen werden direkt vom Sozialamt ausgestellt.

„Die jeweiligen Ärzte können dann direkt über den ausgestellten Berechtigungsschein mit dem Rhein-Sieg-Kreis als zentrale Kostenabrechnungsstelle für die jeweiligen kreisangehörigen Kommunen abrechnen“, erklärt Daniela Höver vom Alfterer Sozialamt. Handelt es sich um einen Notfall wie bei Aid Jasim können Flüchtlinge direkt ein Krankenhaus aufsuchen: „Die Krankenhäuser rechnen dann in diesem Falle direkt mit der zentralen Abrechnungsstelle des Rhein-Sieg-Kreises ab“, so Höver.

Auch würden die Arztrechnungen der zentralen Abrechnungsstelle des Kreises geprüft und übernommen. Katja Eschmann, eine Sprecherin des Landrats, bestätigte, dass der Kreis für die Behandlung von Aid Jasim aufkomme. Insgesamt habe man im vergangenen Jahr 4,8 Millionen Euro für die Behandlung von Asylbewerbern ausgegeben.

Auch in Bonn war bis Ende des Jahres üblich, Flüchtlinge erst nach Aushändigung eines Behandlungsscheins zum Arzt zu schicken. Seit dem 1. Januar gilt ein grundsätzlich anderes Verfahren: Flüchtlinge erhalten „eine elektronische Gesundheitskarte, die der Abrechnung von Krankenhilfeleistungen dient“, steht auf der Homepage der Stadt nachzulesen.

Im Zuge eines Landesbekundungsverfahrens hatte Bonn mit sechs anderen NRW-Kommunen die Einführung der Karte beschlossen. Damit werden die in der Bundesstadt untergebrachten Flüchtlinge direkt bei einer Krankenkasse versichert. Die Karte gleicht dabei herkömmlichen Krankenkassenkarten. Praktisch ist: Die Inhaber können nun ohne Behördengänge direkt einen Arzt aufsuchen und der rechnet die Behandlungskosten unmittelbar mit der Kasse, die wiederum mit dem Amt für Soziales und Wohnen in Bonn ab.

Der örtlich zuständige Sozialhilfeträger bleibt auch mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zuständiger Kostenträger für die Krankenhilfe. Der Leistungsumfang ist im Asylgesetz geregelt. Hintergrund für die Einführung der Karte war: Für Flüchtlinge soll es nicht nur einfacher werden, zum Arzt zu gehen, sondern die beteiligten Kommunen erhoffen sich auch Einsparungseffekte.

Die zwischen dem NRW-Gesundheitsministerium und den Krankenkassen unterzeichnete Vereinbarung „erspart den Kommunen Einzelverhandlungen mit den Kassen, reduziert den Verwaltungsaufwand und sorgt für klare, verlässliche und einheitliche Bedingungen für alle“, benannte denn auch eine Pressemitteilung des Ministeriums die Pluspunkte. Die Kommunen brauchten keine teuren Strukturen aufzubauen und könnten zudem sicher sein, „dass die Versorgung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt“.

Trotzdem hat eine Reihe von Städten und Gemeinden Bedenken, ob sich Einspareffekte einstellen werden, manche Experten befürchten Mehrkosten durch die Einführung der Karte. Dazu sagt Stadtsprecherin Hörig: „Genaue Aussagen zu Mehrbelastungen und auch zu Einsparungen können frühestens Anfang 2017 getroffen werden.“

Die Zahl der Flüchtlinge habe gerade im zweiten Halbjahr 2015 stark zugenommen: „Insoweit ist das Rechnungsergebnis 2015 möglicherweise nicht repräsentativ für das Jahr 2016“, so Hörig weiter. Mehrkosten seien auch deshalb schwer zu ermitteln, „da die Verwaltungskosten in Höhe von acht Prozent in Abhängigkeit von den tatsächlichen Krankenhilfekosten stehen“.

Würde man die Verwaltungskosten von acht Prozent auf der Basis des vorläufigen Rechnungsergebnisses aus dem Jahr 2015 in Höhe von rund 3,23 Millionen Euro als Maßstab nehme, „dann betragen die Mehrausgaben durch die Übertragung der Leistung an die Techniker Krankenkasse rund 260 000 Euro“, führt die Stadtsprecherin aus.

Welche Kosten insgesamt für die Stadt durch die Übernahme der Krankenversicherung für über 4000 Flüchtlinge entstehen, kann Hörig nicht beantworten: „Krankenhilfekosten verlaufen in den einzelnen Jahren sehr unterschiedlich.“ Die durchschnittlichen Kosten pro Person und Jahr hätten im Durchschnitt der letzten fünf Jahre 2740 Euro betragen, so Monika Hörig weiter.

Gesundheitskarte hin oder: Syrer Aid Jasim ist froh, dass ihm die Ärzte in der Uniklinik helfen konnten. Nach zwei Operationen und dank der Kontrolluntersuchungen kann er jetzt wieder „weitgehend beschwerdefrei leben“, wie er freudig zu berichten weiß.

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