An der Siemensstraße Flohmarkt in Dransdorf gibt es seit mehr als 30 Jahren

Dransdorf · Seit mehr als 30 Jahren findet jeden Samstag ein Flohmarkt an der Siemensstraße statt. Das Angebot reicht von Antikem über Möbel bis hin zu Handys.

 Es gibt kaum einen Besuch auf dem Flohmarkt, bei dem Volker Cremers nicht fündig wird.

Es gibt kaum einen Besuch auf dem Flohmarkt, bei dem Volker Cremers nicht fündig wird.

Foto: Stefan Hermes

„Sie sind schon Tagesgespräch auf dem Markt“, ließ Hassan mich wissen und fügte noch konspirativ hinzu, „seien Sie vorsichtig“. Dabei war ich gerade erst etwa 20 Minuten auf dem Flohmarkt an der ehemaligen Biskuithalle und hatte bereits die erste lautstarke Diskussion hinter mir. Man wollte mir zu verstehen geben, dass ich als Reporter unerwünscht sei. „Keiner will etwas über den Flohmarkt wissen“, wurde mir zugerufen. „Kann das an illegalen Geschäften liegen?“, frage ich. „Hier ist alles legal, alles nur Hobby!“, war die wenig überraschende Antwort.

Auch nach Halbierung der Marktfläche vor rund drei Jahren sind es immer noch etwa 60 Händler, die auf dem ausnahmslos an jedem Samstag von 8 bis 16 Uhr stattfindenden Markt von Gemüse über Haushaltsauflösungen und Antikem bis zu Kleidung, Möbeln und Handys alles verkaufen, was ein Flohmarkt ausmachen kann. Bei Wind und Wetter. Sturm, Regen oder Sonnenschein. Das Publikum ist gemischt. Es wird viel Arabisch gesprochen. Vereinzelt sind Menschen in Barbour-Jacken oder Cashmere-Mänteln zu sehen, die nicht verhehlen, die „Trüffel“ im Trödel zu finden.

„Die Geschäfte laufen hier gut“, sagt Younes (52). Seit über 20 Jahren ist der Syrer in Deutschland und fast ebenso lange schon auf dem Dransdorfer Flohmarkt präsent. Sein Angebot bekommt er aus Haushaltsauflösungen. Da finden sich verrostete Maschinenteile neben Milchkannen und Starkstromsteckdosen. Der „Knabe mit der roten Weste“, ein Druck des vielleicht bekanntesten Cézanne-Gemäldes, ist bei einem Standnachbarn für acht Euro zu haben. Das Original war in einen spektakulären Kunstraub verwickelt, bevor man es jetzt wieder in Zürich besichtigen kann.

„Meine Bilder will alle zuerst mein Chef sehen“, sagt Younes und lacht. Einmal habe er ihm für ein kleines Bild, ohne nach dem Preis zu fragen, 150 Euro bezahlt. „Obwohl es beschädigt war“, freut sich der Gelegenheitströdler aus Bad Hönningen noch heute.

Was das für ein Bild war, weiß er nicht. „Das ist hier einer der wenigen Orte, wo man noch Schnäppchen machen kann“, ist von einem Bonner Händler zu erfahren, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Seine Anwesenheit auf dem Markt würden seine Kunden nicht akzeptieren wollen, da er nur mit „Erlesenem“ handele.

Dass der Markt an der Biskuithalle als „Hartz-IV-Markt“ bekannt sei, wäre doch nichts Neues, sagt die ebenso namentlich nicht genannt werden wollende Verkäuferin zwischen ihren Garderobenstangen voller Secondhandware.

Elektrogeräte für Afrika

Kein Name, kein Foto ist nicht nur bei ihr eine Bedingung für das Gespräch. „Das hier ist doch ein Sperrmüll-Flohmarkt“, sagt sie nicht ohne Scham, „hier kaufen und verkaufen arme Leute.“ Nach einer kurzen Pause des Nachklangs ihrer eigenen Worte: „So einfach ist das.“

Doch ihre Sichtweise lässt sich kaum verallgemeinern. Volker Cremers, Physik- und Mathematiklehrer am St. Adelheid-Gymnasium in Pützchen, hat gerade bei Helmut (60), der schon seit den Anfängen des Marktes mit Antiquariat und Trödel vertreten ist, mehrere Staffeln einer Agentenserie, eine Comic-Verfilmung, eine historische BBC-Dokumentation sowie ein antiquarisches Buch über die Historie der Studentenverbindungen entdeckt und gekauft. „Für mich ist das hier wie bei den Goldschürfern: Mal sehen, was im Sieb hängen bleibt“, freut sich der Lehrer, der seit 30 Jahren immer wieder gerne den Trödelmarkt an der Biskuithalle besucht.

Doch das Vergnügen, sich von dem Angebot absichtslos überraschen zu lassen, haben nur wenige Besucher. Dem Marokkaner Khali begegne ich mit einem Kontaktgrill unter dem Arm. Er sucht gezielt Elektrogeräte für möglichst wenig Geld, um sie bei seinen regelmäßigen Fahrten in die nordafrikanische Heimat mitzunehmen und dort zu verkaufen. Auch Pascal aus dem Kongo erklärt, dass er seine Einkäufe nach Afrika schickt. Man tue sich mit mehreren zusammen, um einen Überseecontainer zu füllen.

Zu Hause habe er einen kleinen Garten vor dem Haus, wo seine Fundstücke vom Flohmarkt aufgestellt und verkauft werden. „Das machen hier viele“, so Pascal. Hassan mischt sich jetzt ein: „Wir werden ja auch gezwungen, hier zu kaufen, seitdem man keinen Sperrmüll mehr sammeln darf.“ Dann erzählt er, dass ein Ordnungsdienst gerade seine Personalien aufgenommen hat, als er Sperrmüll in sein Auto laden wollte. Dabei habe er doch nur nehmen wollen, was für reiche Menschen Abfall sei. Er hätte damit noch vielen Menschen Freude machen können, sagte er. „Und auf die paar Euro, die ich damit verdient habe, war meine Familie angewiesen.“

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