Landgericht Bonn Fast vier Jahre für den Grapscher von Bonn

Bonn · Die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Bonn hat den sogenannten „Grapscher von Bonn“ am Mittwoch wegen sexueller Nötigung in drei Fällen sowie sexueller Belästigung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Für Carina F. (Name geändert) ist der Fall noch lange nicht erledigt: Die 35-jährige Studentin hat die nächtliche Begegnung mit einem Fremden, der sie hinterrücks vor ihrer Haustür sexuell attackiert hatte, vollkommen aus der Bahn geworfen. Geschehen ist es in der Nacht zum 14. April 2016, um 1.55 Uhr, nach einem Kneipenbesuch.

Carina F. hat seitdem Angstzustände, geht nachts nicht mehr alleine raus, ihre zweijährige Partnerschaft ist in die Brüche gegangen, zweimal bereits ist sie umgezogen, weil sie sich nicht mehr sicher fühlte. In einer Traumatherapie versucht sie, das Erlebte zu verarbeiten. Aber der Bonner Prozess gegen einen 35-jährigen Marokkaner, der die Vorwürfe gestanden hat, hat bei ihr „alles noch mal hochgespült“.

Richter: Schutzfunktion gegenüber der Allgemeinheit

Die 1. Große Strafkammer hat den sogenannten „Grapscher von Bonn“ am Mittwoch wegen sexueller Nötigung in drei Fällen sowie sexueller Belästigung zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Carina F. war nicht das einzige Opfer des Mannes, der hin und wieder aus Spanien nach Bonn einreiste, um seine hier lebende Schwester zu besuchen und sich Flohmarktartikel zu besorgen, um mit diesen in Spanien zu handeln. Bereits acht Tage später – am 24. April 2016 – wurde eine 24-jährige Studentin, morgens um 4.30 Uhr auf der Ellerstraße von hinten umklammert, gegen ihren Willen geküsst und ihr unter den Rock gepackt. Bei dem Befreiungskampf erlitt sie Verletzungen. Kurz vor Silvester schließlich wurde eine 21-jährige Studentin Opfers des „Grapschers“ in der Nähe des Stadthauses am Berliner Platz. Eine 20-jährige Friseurin kam noch glimpflich davon. Ihr griff er „nur kurz“ an den Po.

„Nachts auf Bonner Straßen sexuell angegangen zu werden“, so der Kammervorsitzende Hinrich de Vries im Urteil, „ist das Schlimmste, was einer Frau passieren kann.“ Trotz Geständnis und Reue des Angeklagten seien die vier Sex-Attacken keineswegs minderschwere Fälle; auch nicht, wenn er sie in betrunkenem Zustand begangen haben sollte. Die drei Studentinnen jedenfalls haben die Entschuldigungsschreiben des 35-Jährigen nicht angenommen, sie haben sie als „unangenehm“ und „unangebracht“ empfunden. Auch sein Geldangebot empfanden sie als eher zynisch: Carina F. nannte es „Schweigegeld“.

Der 35-jährige Angeklagte bleibt nach dem Urteil weiterhin in Untersuchungshaft. Die Kammer hat den Haftbefehl wegen Wiederholungsgefahr nicht aufgehoben. „Eine positive Prognose können wir Ihnen nicht geben“, so de Vries. Damit sei nicht auszuschließen, dass sich die nächtlichen Übergriffe fortsetzten. „Wir haben auch eine Schutzfunktion gegenüber der Allgemeinheit.“ Carina F. war am Mittwoch als einzige zum Urteil gekommen. Vor dem Saal fiel sie ihrer Rechtsanwältin erleichtert um den Hals. Dass der „Grapscher“ zwischenzeitlich nicht auf freien Fuß kommt, das war ihr die allerwichtigste Botschaft.

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