Inklusion in Bonn Familie Ising schwört auf die individuelle Betreuung der Christopherusschule

BONN · "Nicht wahr, Jojo, du gehst gern in die Christophorusschule?", fragt Sabine Ising ihren Sohn. Der schwerstmehrfachbehinderte Elfjährige schaut sie aus dem Rollstuhl heraus an. Dann geht ein Lächeln über sein Gesicht. "Ja", antwortet er und schnappt sich wieder seinen Beißring, den er für sein Wohlbefinden braucht. Johannes ist gerade mit einem Fahrdienst gebracht worden.

 Mutter und Sohn: Sabine Ising mit ihrem Sohn Johannes, der in die Christophorusschule im Bonner Stadtteil Tannenbusch geht.

Mutter und Sohn: Sabine Ising mit ihrem Sohn Johannes, der in die Christophorusschule im Bonner Stadtteil Tannenbusch geht.

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Die Christophorusschule ist eine Ganztags-Förderschule, in der er nicht nur seine Klassenlehrer, sondern auch seinen Schulbegleiter immer zur Seite hat. "Außerdem kann ich mich darauf verlassen, dass dort wunderbare Krankenschwestern das Pflegerische übernehmen, also Johannes über die Magensonde versorgen", erläutert die Mutter. Windeln müssen gewechselt werden. Die Therapeuten schauen danach, dass der Junge richtig im Rollstuhl sitzt. Wenn etwas im Sinne von Johannes verbessert werden müsse, machten diese die Eltern sofort darauf aufmerksam.

"Ach, was war das früher am Nachmittag für eine Lauferei, als ich Johannes nach dem Kindergarten immer zum Logopäden und zum Therapeuten fahren musste." Sabine Ising seufzt. Auch Johannes' beide Geschwister brauchen ihre Aufmerksamkeit und Liebe. Da erleichtere es sie ungemein, dass sie ihren Elfjährigen den Schultag über gut und sicher aufgehoben wisse. In der Förderschule fühle sich Johannes in einem überschaubaren Rahmen, also in einer kleinen Klasse geborgen.

"Das war besonders in den ersten Schuljahren wichtig, in denen es unser Sohn unbedingt kuschelig haben musste." Inklusion sei eine feine Sache. "Die leben wir ja in der Familie, in der Nachbarschaft, mit Freunden. Überall ist Johannes selbstverständlich dabei", sagt die Mutter, die sich als Vorsitzende des "Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. Bonn (VKM)" engagiert. Aber Inklusion in der Regelschule würde ihren Sohn überlasten, ist sie sicher. "In einer Klasse mit vielen Kindern würde er untergehen."

Johannes sei an der Förderschule fähig, an allen Unterrichtseinheiten teilzunehmen und sich in der Zwölf-Kinder-Klasse auch zu behaupten, berichtet Christopherus-Leiterin Susanne Gräfin Lambsdorff über den Schulalltag. "In einem auch für ihn sicheren Rahmen und in der liebevollen Umgebung kann er selbstbestimmt agieren. Dieser schwerstbehinderte Junge wird nie ausgegrenzt."

Im Zusammenspiel vieler Menschen, die sich um ihn kümmern, gelinge es dem Fünftklässler, aus dem Unterricht viel mitzunehmen, ist Lambsdorff überzeugt. Der für Lärm enorm empfindliche Junge brauche also diesen Schutzraum. "Wenn nötig, auch mit einer Eins-zu-Eins-Unterstützung", so Lambsdorff. Johannes werde die Schule nach elf Jahren mit einem Zeugnis "Bildung geistige Entwicklung" verlassen.

"Was meinst Du, Jojo, hast Du Durst?", fragt die Mutter jetzt den Jungen, der der Unterhaltung interessiert folgt und immer mal einen kurzen Kommentar dazugibt. Aus einer speziellen Flasche gibt sie ihm zu trinken. Von draußen kündigen sich die Geschwister an. Jetzt kommt Leben in die Bude. Auch Johannes freut sich. Jetzt wird auch er gefordert. "Johannes muss sich aber auch immer wieder zurückziehen können. Er tickt anders. Er braucht dann seine Bezugsperson. In einer Regelschulklasse könnte ich ihn mir da gar nicht vorstellen", sagt Sabine Ising und hat den Sohn genau im Blick.

Gut, dass er in seiner Schule immer seine kleine Gruppe, die kleine Klasse, um sich habe, in der er gleichberechtigtes Mitglied sei, in der er nicht der Einzige sei, der nicht alle Anforderungen schaffe, in der niemand über ihn lache. "Wir sind also heilfroh, dass es Förderschulen gibt. Jede Familie sollte doch auch weiterhin selbst entscheiden können, wohin sie ihr Kind schickt", meint die Mutter und streicht Johannes über den Scheitel.

Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen

Sabine Ising ist Vorsitzende des "Vereins für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e. V. Bonn" (VKM), der seit über 50 Jahren in Bonn tätigen Solidargemeinschaft von Eltern behinderter Kinder mit ihren Freunden und Förderern. Der Verein setzt sich für die Verbesserung der Lebenssituation körper- und mehrfachbehinderter Mitmenschen ein: zum Beispiel durch individuelle Hilfestellung, die Förderung von Behinderteneinrichtungen und die Unterstützung von Projekten.

Kontakt über www.vkm-bonn.de.

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