Sehnsüchte von Flüchtlingskindern Fahrrad, Fachabitur, Freiheit

BONN · Weihnachten im Kreis der Familie zu feiern ist für Flüchtlinge schwer. Oft sind Brüder, Schwestern und andere Verwandte im ganzen Land oder sogar über ganz Europa verstreut. Deshalb haben viele ehrenamtliche Helfer eine Weihnachtsfeier für die Menschen organisiert, die derzeit im Endenicher Paulusheim leben.

 Alina Aycha ist 17 Jahre alt und geht zur Hauptschule. Ihr Ziel ist allerdings das Fachabitur.

Alina Aycha ist 17 Jahre alt und geht zur Hauptschule. Ihr Ziel ist allerdings das Fachabitur.

Foto: Nicolas Ottersbach

"Wir haben mehrere Hundert Geschenke gepackt. Bürger haben uns Geld- und Sachspenden vorbeigebracht", sagte Helena Nyugen, ehrenamtliche Helferin im Paulusheim. Der Festsaal des ehemaligen Seniorenheims war am Montagabend festlich geschmückt, auf den Tischen stand Gebäck bereit.

Und schließlich sangen alle ein Weihnachtslied, nacheinander in verschiedenen Sprachen. Die Flüchtlingskinder freuten sich besonders auf die Bescherung, haben aber auch Wünsche und Sehnsüchte, die mit Geld nicht zu kaufen sind.

So träumt Alina Aycha von guter Bildung. Im August 2013 kam sie mit ihren Eltern, zwei Brüdern und ihrer Tante aus Syrien nach Bonn. "Es ist schlimm, wenn wir nicht zusammen sein können. Die anderen fehlen mir", erzählt die 17-Jährige. Ihr ältester Bruder lebt beispielsweise in der Türkei.

Schwer sei für sie gewesen, Deutsch zu lernen. Der Unterricht in der Hauptschule habe dafür nicht ausgereicht. Sie ist ehrgeizig, möchte Fachabitur und eine Lehre als Bankkaufrau machen. "Finanzen und Wirtschaft interessieren mich sehr", sagt sie - viel mehr aber noch die Arbeit mit jungen Menschen, weshalb sie am liebsten eine Stelle in der Jugendhilfe anträte.

"Ich habe viele schlimme Dinge gesehen, nicht nur in Syrien. Mit meinen Erfahrungen möchte ich den Menschen helfen. Auch dabei, sich in Deutschland einzuleben." Im nächsten Jahr, wenn sie am 1. Januar 18 wird, will sie ihren Autoführerschein machen. Dafür spart Alina jetzt schon.

Das eigene Auto ist für den zehn Jahre alten Vahe Arakel noch in weiter Ferne. Zu Weihnachten wünscht er sich deshalb erst einmal ein ferngesteuertes Spielzeugauto. Schon jetzt weiß er, was er als Erwachsener machen möchte: Die Welt bereisen. "Alleine Russland ist so groß und spannend", sagt er.

Schon vor neun Jahren flüchtete er mit seiner Familie aus Armenien, viele Erinnerungen daran hat er nicht. Er weiß nur, dass er nicht mehr dorthin zurück möchte. Sein größter Traum ist es, einen deutschen Pass zu haben und die Freiheit genießen zu können. "Ich möchte überall hin, ohne dass mich jemand aufhält."

Der 14-jährige Beshoy Mena stammt aus Ägypten und gelangte über Georgien nach Deutschland. "Mein Vater war schon vier Monate vorher da. Wir haben uns alle gefreut, als er anrief und wir nachkommen konnten." Ehe er mit Mutter, Vater und seiner kleinen Schwester im Paulusheim unterkam, wohnten sie in vielen verschiedenen Flüchtlingsheimen.

Daher auch sein größter Wunsch zu Weihnachten: eine eigenen Wohnung für die Familie und Ruhe. "Hier ist immer etwas los, das gefällt meiner Mutter nicht", erzählt er. Dieser Wunsch könnte in den nächsten Tagen in Erfüllung gehen. Denn sein Vater ist gerade auf der Suche und wird von der Stadt unterstützt. Beshoy will unbedingt in Deutschland bleiben.

"Für uns ist es zu gefährlich, nach Ägypten zurückzukehren. Wir wurden bedroht. Sie haben uns alles weggenommen." Dazu zählte auch sein Fahrrad, das er nun am liebsten bei sich hätte. Doch viel wichtiger ist für ihn, einmal Arzt zu werden. "Ärzte helfen den Menschen. Das ist gut."

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