Neue „Stolpersteine“ in Bonn Erinnerung an die Familie Levy

Bonn · Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat fünf neue Stolpersteine auf dem Gehweg vor dem Modehaus Sinn Leffers verlegt. Sie erinnern an die Eheleute Levy und ihre in der NS-Zeit vertriebenen Kinder.

 Die Stolpersteine im Pflaster.

Die Stolpersteine im Pflaster.

Foto: Horst Müller

Ricardo Klappholz ist sichtlich gerührt. „Das ist nicht einfach für uns“, sagt er mit brüchiger Stimme. „Aber das ist ein Freudentag für meine ganze Familie. Wir sind nicht in Hass erzogen worden und sind gerne nach Bonn gekommen.“ Mit seinen Söhnen war Klappholz aus Hamburg angereist, Cousine Beatriz Levy war aus Rom gekommen. Aus gegebenem Anlass.

Denn der Kölner Künstler Gunter Demnig hat fünf neue Stolpersteine auf dem Gehweg vor dem Modehaus Sinn Leffers verlegt – an der Stelle, an der die Großeltern von Ricardo Klappholz, Karl und Mathilde Levy, einst ein bekanntes Hut- und Damenmodengeschäft hatten. Wegen der Ereignisse in Berlin war bei der Verlegung der goldenen Gedenkplatten eine Polizeistreife dabei.

Gleich über ihrem Laden am Martinsplatz 8 lebte einst die Familie Levy. Ihr Geschäft mit zwölf Angestellten war weit über Bonn hinaus bekannt. Ab 1933 sank der Umsatz jedoch rapide, so dass der Verkauf in ein kleineres Ladenlokal in der Wesselstraße verlegt wurde.

Während des Novemberpogroms 1938 wurde auch dieses Geschäft total verwüstet. Karl und Mathilde Levy, geb. Meyer, beide 1882 geboren, wurden 1941 im zum Lager umfunktionierten Kloster in Endenich interniert, 1942 deportiert und im Vernichtungslager Sobibor ermordet.

Ashok Sridharan war am Mittwochmorgen als Oberbürgermeister erstmals beim Einsetzen eines „Stolpersteins“ dabei. Ebenfalls zum ersten Mal wurden in Bonn „Stolpersteine“ für Menschen verlegt, die Gefängnishaft oder Konzentrationslager überlebt haben oder vor dem NS-Terror geflohen sind.

Denn neben dem Gedenken an Karl und Mathilde Levy wird auch an deren Kinder Kurt, Rolf und Margot erinnert, denen die Flucht nach Kolumbien gelang. „Natürlich sind wir in Sicherheit aufgewachsen“, berichtete Ricardo Klappholz. „Aber wir haben nie Großeltern gehabt.“

Kurt Levy, 1911 in Bonn geboren, machte als Künstler Karriere. Er war vor allem durch den Rheinischen Expressionismus geprägt. Er floh im April 1933 als politisch Verfolgter nach Holland und ging zwei Jahre später nach Kolumbien.

Der künstlerische Durchbruch gelang ihm 1947 mit einer Ausstellung seiner Werke in Bogota. Ab 1960 lebte er als freier Künstler in Köln. 1937 floh auch sein Bruder Rolf, der 1915 geboren wurde, nach Kolumbien, und 1939 gelang es der 1919 geborenen Schwester Margot Deutschland ebenfalls zu verlassen und ein neues Leben in dem südamerikanischen Land zu beginnen.

Neben den Steinen für die Familie Levy verlegte Demnig am Mittwoch weitere für Henriette Heumann an der Gottfried-Claren-Straße 20, für Thekla Strauss an der Kreuzstraße 5 sowie für Kurt, Adele und Ruth Freudenthal an der Combahnstraße 43. Damit gibt es jetzt 285 Gedenkplatten im gesamten Stadtgebiet.

„Jeder Stein erzählt von Einzelschicksalen. Aber sie alle sollen uns mahnen, die Vergangenheit sowie die Folgen der Schreckensherrschaft niemals zu vergessen“, appellierte Sridharan. Marina Fedorova von der Synagogengemeinde wünschte sich, dass „die Steine nicht nur ein Denkmal sind, sondern dass sie jeden nachdenklich machen“.

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