GA-Serie "Kinder Kinder" Einfache, klare und eindeutige Sätze bilden

ALFTER · Ulrich Maiwald referiert über Sprache und den Einfluss auf die Persönlichkeitsbildung von Kindern. Ironie ist im Gespräch mit den Kleinen fehl am Platz.

 Kindergartenkinder beim Sprachtest Delfin: Sie sollten gefördert, aber nicht überfordert werden.

Kindergartenkinder beim Sprachtest Delfin: Sie sollten gefördert, aber nicht überfordert werden.

Foto: dpa

Den Turmbau zu Babel in unendliche Höhen durch die Menschen konnte Gott nur durch die babylonische Sprachverwirrung verhindern. So steht es jedenfalls in der Bibel. Die Sprache hält bis heute eine Menge Überraschungen bereit und viel Potenzial für Irritationen, für Kinder sicher noch mehr als für Erwachsene.

„Im Grunde nimmt die sprachliche Entwicklung bereits im Bauch der Mutter ihren Anfang“, sagt der Sprech- und Theaterpädagoge Professor Ulrich Maiwald von der Alanus Hochschule Alfter. Das Kind nehme die Stimme der Mutter wahr, ihren Klang mit den Höhen und Tiefen. Bis zum Alter von etwa zwei Jahren, so der aktuelle Stand der Forschung, sollten Kinder mehr als 50 Worte beherrschen. Mit fünf bis sechs Jahren ist der Spracherwerb im Großen und Ganzen abgeschlossen.

Das Bewusstsein für die Bedeutung von Sprache in der Erziehung habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Öffentlichkeit stark zugenommen. „Das ist gut so, birgt aber die Gefahr der Überfrachtung“, erklärt Maiwald. Für eine gute Entwicklung sei es wichtig, die Kinder zu fördern, aber nicht zu überfordern. Einfache, klare und eindeutige Sätze bilden: Dazu rät der Vater von vier Kindern.

Doch wie erkennt man mit zunehmendem Alter, welches Sprachniveau angemessen ist? Ulrich Maiwald hält den Instinkt für einen guten Gradmesser. Grundsätzlich seien Kinder neugierig. Wenn sie im Gespräch also nicht zuhörten oder abwesend seien, könne das daran liegen, dass sie nicht verstehen, worum es geht.

Ulrich Maiwald hat auf dem Fensterbrett in seinem Büro eine Skulptur der drei Gestalten stehen, von denen sich der eine den Mund zuhält, der nächste die Augen und der dritte die Ohren. Man kann das japanische Sprichwort von den drei Affen als Mahnung verstehen, sich seinen Mitmenschen gegenüber offen zu zeigen.

Auch Ulrich Maiwald hält die Öffnung aller Sinne für unabdingbar. Nicht nur die Ansprache der Eltern sei wichtig, sondern ebenso das aufmerksame Zuhören, die Mimik, die Akzeptanz des kindlichen Mitteilungsbedürfnisses, das gemeinsame Spiel. Das Wort „begreifen“ hat auch mit „greifen“ zu tun, sagt er.

Ironie dagegen sei sogar für viele Erwachsene irritierend. „Kinder verunsichert sie nur.“ Wenn ein Erwachsener beispielsweise zu einem Kind den gegenteilig gemeinten Satz: „Das hast du ja toll gemacht“ sagt, nachdem es etwas angestellt hat, stünden Klangfarbe und Inhalt in einem Widerspruch. Das peinlichste sei dann für ein Mädchen oder einen Jungen, wenn es das Kompliment zunächst so annehme und erst später herausfinde, dass es gar nicht so gemeint war.

Kinder hätten ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Eindeutigkeit. Klar zu sagen „Das hast du toll gemacht, hieran musst du noch arbeiten“, ohne belehrend zu wirken, sei ein guter Weg, um dem Kind auch sprachlich Orientierung zu geben.

In Familien, die unterschiedliche Sprachen sprechen, sei das noch wichtiger. Die Kinder sollten eindeutig zuordnen können, wer mit ihnen in welcher Sprache spricht. Eine Mischsprache, changierend beispielsweise zwischen Deutsch und Italienisch, löse Desorientierung bei Heranwachsenden aus.

„Wir sollten nicht vergessen, dass Sprache auch mit Identität zu tun hat“, sagt der Professor und erklärt an einem Beispiel, was er meint: Seine Frau stammt nämlich aus Bayern. Und immer wenn sie sich der Landesgrenze nähert, „wechselt sie hinein in ihren Heimatdialekt“.

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