Bürgschaft für Flüchtlinge Eine Verpflichtung mit Tücken

BONN · Wer Flüchtlinge nach Bonn holt und für sie bürgt, muss auch dann noch zahlen, wenn diese Asyl erlangt haben.

 Bürgen für syrische Flüchtlinge: Ibrahim Hamo (von links) ,Theo und Monika Bühler.

Bürgen für syrische Flüchtlinge: Ibrahim Hamo (von links) ,Theo und Monika Bühler.

Foto: Max Malsch

Ibrahim Hamo steht vor dem Schuhkasten seines Sieben-Personen-Haushalts und schüttelt den Kopf. Elf Monate lang haben sich dort zusätzlich die Schuhe seines Bruders, der Schwägerin und deren drei Kinder getürmt. Der Syrer hat die Familie aus dem Bürgerkriegsland Syrien gerettet.

Er hat sie durch das humanitäre NRW-Flüchtlingsprogramm in Sicherheit geholt. Auch wenn es über viele Monate mit zwölf Personen in der Vier-Zimmer-Wohnung sehr eng wurde. Vorher hatte sich Hamo bei einem Bonner Politiker abgesichert. Der habe gesagt: "Unterschreiben Sie ruhig die für die Einreise nötige Verpflichtungserklärung. Sie müssen nur anfangs zahlen, bis Ihre Verwandten Asyl haben."

Was die Kinder seines Bruders Ende vergangenen Jahres schafften. Ab da habe das Sozialamt Unterhaltskosten überwiesen, berichten Monika und Theo Bühler. Das Paar gehört zu einem Unterstützerkreis, der sich für einige der mehr als 400 syrischen Flüchtlinge in Bonn engagiert, die von Verwandten im Rahmen des NRW-Landesprogramms eingeladen wurden. Im Fall der Hamos habe das Sozialamt ab April die Zahlungen jedoch wieder eingestellt, kritisieren die Bühlers.

Ibrahim Hamos Glück sei es seit Mai, dass zeitgleich auch der Bruder Asyl erhielt, somit das Jobcenter die Familie unterstützt und diese endlich eine eigene Wohnung beziehen konnte. Vor ein paar Tagen erhielt Hamo dann Post vom Jobcenter: Es wird von ihm alle seit Mai gezahlten Gelder zurückfordern - zahlbar ab Oktober.

"Das kann Herr Hamo als Kleinunternehmer für alle fünf Verwandten finanziell nicht mehr stemmen", sagt Theo Bühler. Er mache sich große Sorge um die beiden Familien.

"Aber wie kann es sein, dass, wer eine Verpflichtungserklärung unterschreibe, in Bonn auch bei Asylvergabe ohne Ende zahlen muss?", fragt Bühler. Nach seinen Informationen müsse dann das Sozialamt für Alte, Kranke sowie Kinder und das Jobcenter für Arbeitsfähige Unterhalt zahlen. Seit April aber poche das Sozialamt auf unbegrenzte Gültigkeit der Erklärungen, obwohl der NRW-Innenminister genau dem doch kürzlich per Erlass an die Ämter widersprochen habe. In Briefen haben die Bühlers gegen "die beschämende Haltung der internationalen Stadt Bonn gegenüber den hier lebenden, von ihren Verwandten eingeladenen syrischen Flüchtlingen" protestiert. So treibe man traumatisierte Flüchtlinge in die Hände illegaler Schleuser, weil sie nur so eine Chance im Asylverfahren inklusive Unterhaltssicherung erhielten. "Der Gedanke sollte unerträglich sein, dass diese Praxis unter Umständen zu weiteren Toten im Mittelmeer beiträgt."

Die Stadt will sich zum Einzelfall nicht äußern. Sie verweist aber darauf, dass zumindest die Krankenkosten ohne Inanspruchnahme des Verpflichtungsgebers übernommen würden. "Im Bedarfsfall wird in einem ersten Schritt einem Asylbewerber Hilfe gewährt. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob der Verpflichtungsgeber eintreten muss, aber nur, wenn sich der Status des Asylbewerbers nicht geändert hat", sagt Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann. Die Frage, wie die Stadt zur Landesanordnung von Ralf Jäger vom April steht, beantwortet er wie folgt: "Es gibt keinen Erlass des Innenministers und damit auch keine Weisung für uns."

Jägers Anordnung ist dem Briefkopf nach aber an alle zentralen Ausländerbehörden gegangen. Auf Nachfrage des General-Anzeigers bestätigte Oliver Moritz, ein Sprecher des Düsseldorfer Innenministeriums, Jäger habe dem Bundesinnenminister und den Bezirksregierungen seine zum Bund unterschiedliche Rechtsauffassung mitgeteilt. Demnach sollte der Anspruch an den Verpflichtungserklärenden mit der Asylvergabe an den Flüchtling enden. "Aber das kann derzeit nur der Anfang eines Diskurses sein," sagte Moritz.

Wenn es um Bundesleistungen ginge, könne sich die Behörde weiter Regress von denen holen, die eine Verpflichtungserklärung unterschrieben hätten. Darauf wirke auch der NRW-Erlass nicht ein. "Es ist nicht auszuschließen, dass es auch nach erfolgter Anerkennung im Asylverfahren zu Erstattungsforderungen auf Grundlage abgegebener Verpflichtungserklärungen kommt. Hierüber sollten die Betroffenen informiert werden." Dies gelte laut Moritz insbesondere, wenn sie die Aufnahme weiterer Flüchtlinge erwägen.

Unterschiedliche Rechtsauffassungen

Der Bund sagt, dass eine Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtung der Rückzahlung der Sozialleistungen nicht rückwirkend erlöschen lasse. Die Haftung aus der Verpflichtungserklärung ende erst mit der Ausreise des Ausländers oder der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck.

Demgegenüber setzte NRW-Innenminister Ralf Jäger den Bundesinnenminister am 24. April über seine Landesanordnung in Kenntnis: Nach Jägers Auffassung wirke die Geltungsdauer der Verpflichtungserklärung nicht unbegrenzt fort.

"Mit der Titelerteilung nach erfolgreichem Asylverfahren wird der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt, so dass die Geltung einer im Zusammenhang mit der Landesaufnahmeanordnung abgegebenen Verpflichtungserklärung endet." Vergangene Woche sagte Jäger in der ARD-Sendung Panorama: "Ich glaube, es wäre ein falsches Signal. Auf der einen Seite gibt es Menschen, die

sagen, wir nehmen einen syrischen Flüchtling auf und finanzieren dessen Aufenthalt, und auf der anderen Seite verlangt der Staat, dass das ewig dauern soll. Genau das wollen wir nicht."

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