Hilfe im Erdbebengebiet Eine Schule in Nepal

Chitwan · Im Frühjahr verwüsteten schwere Erdbeben große Teile Nepals. Schnell geriet das Land am Himalaya aber wieder aus den Schlagzeilen. Dabei leiden die Menschen gerade jetzt, zur Regenzeit, unter den Folgen der Katastrophe. 30 junge Bonner fliegen Ende September in die Region Chitwan. Die Pfadfinder bauen dort eine Grundschule wieder auf und renovieren ein Krankenhaus

 Ohne Schule keine Bildung; ohne Bildung kein Entrinnen aus der Armut.

Ohne Schule keine Bildung; ohne Bildung kein Entrinnen aus der Armut.

Foto: Simon Reinsch

Im Mai dieses Jahres war sich Jan Olbrich alles andere als sicher. Doch der Vorstand von "Scouting Bonn" flog trotz der verheerenden Erdbeben am 25. April und 12. Mai wie geplant nach Kathmandu. Im Südosten Nepals wollte er mit der Schweizer Hilfsorganisation Shanti Med Nepal das für den Herbst mit den Bonnern Pfadfindern geplante Projekt vorbereiten.

Zurück in Bonn fiel dann mit den Jugendlichen und deren Eltern die Entscheidung, das diesjährige Hilfsprojekt nicht trotz, sondern wegen der nach den Erdbeben und der jetzigen Regenzeit schlimmen Situation für die Menschen dort anzugehen. "Zehn Tage haben sich angefühlt wie drei Monate", erinnert sich Olbrich an die Reise im Mai.

Zwar sei das Bild der Verwüstung in der Provinz Chitwan, die Olbrich und seine Pfadfinder-Gruppe schon vom letzten Projekt 2013 kennen, nicht so groß wie in der Hauptstadt Kathmandu und in anderen Regionen des Landes. Dennoch brauchen die Menschen dort Hilfe, so Olbrich. "Jetzt erst recht. Wir gehen dahin", sagt er immer wieder.

Wiedersehen in Tandi

Das sieht auch Milena Rabe so. Die Studentin aus Bonn war sogar zur Zeit des Erdbebens in der Region. An der weiterführenden Navodaya School in Tandi, ganz in der Nähe der Stadt Bharatpur, unterrichte die 22-Jährige damals Englisch. "Das Erdbeben kam aus heiterem Himmel.

Meine Familie war wenig begeistert, dass ich mich über Stunden nicht gemeldet habe", erzählt sie im Rückblick auf die Katastrophe im Frühjahr, bei der sie mit dem Schrecken davon kam. Die Kinder hatten die Bonnerin rasch ins Herz geschlossen und wollten wissen, wann sie wiederkomme.

Im Mai, beim Rückflug nach Deutschland, ahnte sie noch nicht, dass sie so schnell wieder Nepal besuchen kann: Milena Rabe meldete sich für das Projekt und freut sich nun auf ein Wiedersehen in Tandi, wo die Scouts wie schon 2013 ihre Zelte aufschlagen werden. Dass auch sie mit der Gruppe kommt, weiß dort noch niemand. "Das ist eine Überraschung", sagt sie.

Spenden für die Grundschule

Und so sammeln die Scouts unter dem Motto "Jetzt erst recht" seit einigen Monaten Spenden für zwei konkrete Vorhaben. "Es sind Projekte, die bleiben. Wir wollen dort etwas anschieben, was 2016/2017 nicht vorbei ist, sondern wo wir dran bleiben", sagt Olbrich, der das Nepal-Projekt leitet.

Eines der Vorhaben, mit denen die 30 jungen Bonner am 26. September nach Nepal aufbrechen, ist der Wiederaufbau einer Grundschule. Das Gebäude im Dorf Kalikhola, eine gute Stunde von Tandi entfernt, wurde durch die Erdbeben im Frühjahr so stark zerstört, dass dort kein Unterricht mehr stattfinden kann.

Die Begeisterung darüber, eine Schule aufzubauen, habe sich bei den Bonner Jungs und Mädels zunächst in Grenzen gehalten, sagt Olbrich. Aber auf Verständnis folgte Tatendrang, als er den Jugendlichen, die zusätzlich zu den Herbstferien im Oktober eine Woche schulfrei bekommen, zeigte, um welche Schule es geht.

Bei der Nepal-Fahrt 2013 besuchten einige der diesjährigen Teilnehmer bei einem Tagesausflug die Schule in Kalikhola, verteilten Gummibärchen an die Kinder und spielten mit ihnen. Nun wollen sie alles daran setzen, den Schülern, die fast alle der Ethnie der Chepang angehören, so schnell wie möglich wieder Bildung zu ermöglichen.

Schließlich sind die meisten Menschen dieser indigenen Gruppe Analphabeten und haben mangels Bildung keine Chance, sich aus der Armut zu befreien. Dass diese Woche die offizielle Genehmigung des nepalesischen Bildungsministeriums eintraf, die zerstörte Schule erst abzureißen und wieder aufzubauen, bestätigt die Scouts nochmals in ihrem Bestreben.

Hilfe für ein Krankenhaus

Ein weiteres Projekt, das sie sich vorgenommen haben, ist die Renovierung des Ratnanagar Hospitals in Tandi. Die als Nichtregierungsorganisation (NGO) anerkannte Hilfsorganisation Shanti Med Nepal verantwortet unter der Leitung von Ruth Gonseth einen Teil des Krankenhauses.

Mit der Schweizer Ärztin, die rund acht Monate des Jahres dort verbringt und die Menschen in den Dörfern medizinisch versorgt, haben die Bonner Scouts bereits vor zwei Jahren in einem anderen Ärztehaus zusammengearbeitet. Man kennt sich. "Es ist ein Glücksfall, dass wir hier gelandet sind und uns mit Ruth und den Leuten so gut verstehen", sagt Olbrich rückblickend auf 2013.

Damals sei die Nepal-Reise mit den Jugendlichen noch ein "Flug ins Blaue" gewesen. Diesmal ist alles viel besser geplant. Doch der Abenteuer-Charakter bleibe, zumal einige mitreisen, die 2013 noch nicht dabei gewesen sind. "Gut vorbereiten, damit man dort was schaffen kann", lautet das Credo.

Auch die Ärzte und Einheimischen freuen sich auf die Unterstützung aus Bonn. Sie seien auf die jungen, helfenden Hände angewiesen, so der 47-jährige Olbrich. "Du merkst, dass wir da hingehen und Impulse setzen. Wir geben den Leuten Energie."

Neue Böden, neuer Anstrich, neue Gardinen

Zunächst war geplant, vor dem Krankenhaus einen Spielplatz zu bauen. Doch nun sollen die Spenden genutzt werden, um die Krankenzimmer menschenfreundlicher zu gestalten. Neue Böden, neuer Anstrich, neue Gardinen, ein bisschen mehr Farbe. Dazu kommt der Bau eines Sanitärhauses: "Weil wir als Scouts total gern Latrinen bauen, beglücken wir die Nepali nun damit", sagt Olbrich schmunzelnd, weiß aber genau um die hygienische Bedeutsamkeit dieser Maßnahme.

"Wir reisen gerne und legen Wert auf gutes Handwerk", sagt er. Beste Vorrausetzungen für ein Hilfsprojekt in Nepal. Das findet auch Shyam Pariyar. Der Nepali arbeitet am Institut für Ressourcenschutz der Universität Bonn und kommt aus der Gegend, in die jetzt die Scouts reisen.

Er hat erst neulich von dem Projekt gehört und freut sich sehr über das Engagement der Bonner Jugendgruppe: "Es ist richtig, dass sie sich auf eine Region konzentrieren und sich dort nachhaltig engagieren."

Wenn möglich wollen die Scouts auch wieder Foodcamps veranstalten. Dabei verteilen die Pfadfinder Lebensmittel an Familien in Dörfern, die während der langen Regenzeit von der Außenwelt abgeschnitten waren. Eine überlebenswichtige Hilfe. Mit 1700 Euro können 20 Familien, das sind rund 160 Personen, für einen Monat versorgt werden, rechnet Olbrich vor. "Das sind 17 Cent pro Person pro Tag."

In die Ferne um zu helfen

Normalerweise tüfteln die Scouts in ihrer Werkstatt in Bad Godesberg oder verbringen ihre Freizeit bei Bogenschießen und Lagerfeuer an ihrer Hütte in der Eifel. Nun geht es für viele zum ersten Mal richtig weit weg; weg von zu Hause. "Für die jungen Leute ist das eine Chance, etwas Außergewöhnliches zu tun. Sie sehen einen Teil der Welt, in den sie so nicht unbedingt reisen würden", sagt Olbrich.

Der jüngste Teilnehmer ist gerade mal zwölf; ein anderer spart seit zwei Jahren, um mitfahren zu können. Denn ein Grundsatz der Scouts besagt: Flug und Verpflegung bezahlt jeder Teilnehmer selbst, so dass alle Spenden in die Projekte vor Ort fließen. Für Baumaterialien und Entlohnung der an der Grundschule mitarbeitenden einheimischen Handwerker sind 25 000 Euro veranschlagt.

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