„Ein Tag, der alles änderte“ Historiker schreibt über den ehemaligen Bonner Bankier Emil Weischenberg

Bonn · „Ein Tag, der alles änderte“ hat der Dernauer Lokalhistoriker Matthias Bertram sein neustes Buch genannt. Darin beschreibt er die Lebensgeschichte des angesehenen Bonner Bankiers Emil Weischenberg. 1933 war der Sparkassenchef von den Nazis gestürzt worden.

 Der frühere Bonner Sparkassenchef Emil Weischenberg.

Der frühere Bonner Sparkassenchef Emil Weischenberg.

Foto: privat

Am 13. März 1933 klingelt es bei Maria Weischenberg. Die Frau des Direktors der Städtischen Sparkasse Bonn soll den Erhalt eines Schreibens des Oberbürgermeisters signieren. Es geht um die plötzliche Beurlaubung ihres Mannes Emil. Die erschrockene Gattin unterschreibt. Ihr Mann ist gerade in Köln und wird bei seiner Rückkehr sofort ins Stadthaus eilen, wo um 21 Uhr eine erste Vernehmung stattfindet. Der 47-Jährige wird festgenommen und landet im Gefängnis an der Wilhelmstraße.

„Ein Tag, der alles änderte“

„Ein Tag, der alles änderte“ betitelt der Dernauer Lokalhistoriker Matthias Bertram sein neustes Buch, das die Lebensgeschichte des Emil Weischenberg schildert. Die Karriere nämlich ist durch die Verhaftung jäh gestoppt, das Privatleben gerät aus den Fugen. Weischenberg wird bis zu seinem Tod 1957 in Gerichtsprozesse verwickelt sein. Dieser 13. März 1933 war nicht irgendein Tag in der rheinischen Geschichte, wie Autor Bertram parallel belegt. Die Nationalsozialisten hatten zwar kurz nach dem Reichstagsbrand bei der Kommunalwahl vom 12. März hinter der christlichen Zentrumspartei nur als zweitstärkste Partei abschnitten.

Doch schon einen Tag darauf stürzten sie mit Hilfe des Kölner Regierungspräsidenten den Bonner OB und „säuberten“ Stadtverwaltung und Polizei. Auch der Sparkassenchef musste weg. Mit dem Nazi Wilhelm Gronack stand schon der Nachfolger bereit: Der Mann war verheiratet mit der Cousine von Propagandachef Joseph Goebbels. So hetzten sie Weischenberg, der die Bank seit 1921 geleitet hatte und der Zentrumspartei nahestand, mit Hilfe von Denunzianten und einer willfährigen Presse aus dem Amt: Er habe sich dienstlicher Verfehlungen schuldig gemacht. Als er 1937 im Strafverfahren freigesprochen wurde, folgte ein Disziplinarverfahren.

Buchautor Bertram hat zu allen Vorgängen akribisch Dokumente zusammengestellt, so dass sich der Leser seine Meinung über diesen für die Nazijahre beispielhaften Fall bilden kann. Hier kam kein rassistisch oder politisch Verfolgter, sondern ein sich neutral gebender Banker unter die Räder. Im Vorwort des Buches macht der Autor klar, woher viele Quellen stammen: aus einem Karton voller Unterlagen, Briefe und Zeitungsausschnitten. Denn Bertram ist mit einer Enkelin Weischenbergs verheiratet. Neugierig machte er sich 2018 auf ins Stadtarchiv zum weiteren Aktenlesen.

Und da wurde ihm plötzlich klar: Allein als von den Nazis verfolgter Held eignete sich der Banker dann doch nicht. Weischenberg hatte ab 1938 selbst vom rassistischen Naziregime profitiert: Indem er eine unter „Arisierungsdruck“ stehende jüdische Firma übernahm, Zahlungen an die Verfolgten hinauszögerte und nach 1945 mit den Überlebenden prozessierte. Obwohl er doch zuletzt eigentlich in Bonn Vorsitzender des Entnazifizierungsausschusses war. So entschied sich der Autor, als objektiver Herausgeber einer spannenden Dokumentation zu fungieren. Denn auch Helden können „ein paar dunkle Seiten“ haben, so Bertram. Der Fall zeige, wie schnell die Grenzen zwischen Opfer, Täter und Mitläufer verschwimmen können.

Matthias Bertram, Ein Tag, der alles änderte. 13. März 1933. Bonn, Wilhelmstraße, Shaker Media 2020,14,90 Euro

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