"Bonner Köpfe": Gisela Pflugradt-Marteau Ein Leben für Tanz und Schauspiel

Bonn · 47 Jahre lang war Gisela Pflugradt-Marteau Chefin des Euro-Theaters Central, war Gehirn und Herz des Hauses, das sie zusammen mit ihrem Mann Claus Marteau gegründet und aufgebaut hatte und das sie mit Leidenschaft und Selbstaufgabe durch so manchen Sturm steuerte. Bis es irgendwann nicht mehr ging.

 Gisela Pflugradt-Marteau steht auf dem Balkon ihrer Wohnung im Mackeviertel.

Gisela Pflugradt-Marteau steht auf dem Balkon ihrer Wohnung im Mackeviertel.

Foto: Thomas Kölsch

Ein „normales“ Leben? Kennt Gisela Pflugradt-Marteau eigentlich nicht. „Ich hatte nie Zeit für Hobbys oder dergleichen, ich war von morgens bis abends mit Tanz und Theater beschäftigt“, sagt die charismatische Dame mit dem wachen Lächeln und grinst noch ein bisschen mehr, während sie in ihrer Wohnung im Mackeviertel in Erinnerungen schwelgt.

2016, nach einer Hüftoperation, hat sie die Leitung abgegeben, „in der Hoffnung, dass der politische Wille zur Streichung der städtischen Mittel ab 2019 bei einem jungen Team versiegt und das Theater weiterbestehen kann“. Eine Entscheidung, die ihr wahrlich nicht leicht gefallen ist. Und die sie doch zum Wohle ihres Theaters getroffen hat.

Dabei galt ihre Liebe zunächst dem Tanz. 1945 wurde Pflugradt-Marteau im schwäbischen Krumbach geboren, wo ihre Mutter als Krankenschwester arbeitete. Kurz nach Kriegsende zog die Familie nach Berlin. Mit drei Jahren schickte man die kleine Gisela zum Orthopäden, weil sie einen eigenwilligen Gang entwickelt hatte. „Der Arzt konnte nichts finden, auch weil die Röntgengeräte durch den Krieg nicht mehr zur Verfügung standen, und so schlug er meiner Mutter vor, mich doch zur Gymnastik oder zum Ballett zu schicken.“

Die angeborene Hüftdysplasie blieb unentdeckt. „Ich musste mich halt beim Tanz etwas anstrengen, aber ich war fasziniert“, bekennt Pflugradt-Marteau. „Mit zwölf Jahren habe ich dann beschlossen, Tänzerin zu werden und sonst nichts. Mein Vater war überhaupt nicht begeistert, aber meine Mutter hat mich immer unterstützt.“ Auch dass sie mit 1,60 Meter zu klein fürs klassische Ballett war, spielte keine Rolle. „Ich bin schließlich bei einer Kompanie aus Memmingen untergekommen, die sich dem zeitgenössischen Tanz verschrieben hatte. Mit der war ich dann unterwegs. So bin ich 1961 zum ersten Mal nach Bonn gekommen.“ Und nach Bad Hersfeld, wo sie Claus Marteau kennenlernte.

„Wir waren ab 1963 ein Paar, er als Theatermensch, ich als Tänzerin. Es war eine schöne Zeit. Ich hatte ein Engagement an der Oper Bonn erhalten und war überglücklich, dass ich meinen Traum leben konnte.“ Bis 1981 sollte sie dieser Leidenschaft frönen, zunächst im Ensemble, später als Solotänzerin. Danach blieb sie bis 1992 Assistentin des Ballettdirektors – und nebenher eben Theaterleiterin.

1969 hatten Claus Marteau und sie das Euro Theater Central gegründet, spielten zunächst in der Kantine des Kaufhofs, ab 1972 dann in dem Haus im Mauspfad mit seinen 50 Plätzen. „Er war der Visionär mit dem weltbürgerlichen Ansatz und den großen Ideen, ich musste mich um alles andere kümmern. Gelder, Programme, Werbung. Im Prinzip habe ich morgens in der Oper geprobt, bin in der Mittagspause ins Theater, danach wieder Ballett, abends Theater... Das war eine unglaubliche Belastung. Und ich habe es geliebt.“

Mit Begeisterung erzählt Pflugradt-Marteau die Geschichte ihres Hauses: Die Lesung von Will Quadflieg auf der winzigen Bühne, die Gastspiele einer Comedia-dell'arte-Truppe vor dem Rathaus, die Tourneen nach Pakistan. Alles drehte sich um das Theater – auch nach dem Tod von Claus Marteau im Jahr 1995. „Ich stand auf einmal alleine da“, erinnert sich Pflugradt-Marteau. „Aber es ist mir nie in den Sinn gekommen, etwas anderes zu machen. Wir haben immer die Menschen zum Denken und Fühlen angeregt, und das finde ich unglaublich wichtig.“

Und was kommt jetzt? Ohne diese Verpflichtung? „Ich weiß es nicht“, gesteht sie. „Ich bin noch auf der Suche nach etwas, in das ich mich voll und ganz einbringen kann.“ Und so ganz lässt das Theater Pflugradt-Marteau natürlich nicht los. „Ich bekomme zum Glück immer noch Einladungen zu zahlreichen Premieren und schaue mir gerne die neuen Produktionen an“, sagt sie. Tanz und Theater sind nun einmal ihr Leben. Egal was kommt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort