Ein-Personen-Kammerspiel in der Springmaus "Ein ganz gewöhnlicher Jude"

Endenich · Volles Haus beim Gedenktag der SPD Endenich/Weststadt.

 Schauspieler Jan Katzenberger füllt die Rolle des Emanual Goldfarb ebenso feinsinnig wie vehement aus.

Schauspieler Jan Katzenberger füllt die Rolle des Emanual Goldfarb ebenso feinsinnig wie vehement aus.

Foto: Benjamin Westhoff

Wie jüdisch darf es denn sein? So richtig mit Tefillin, Tallit und Kippa; mit den ledernen Riemen und kleinen Schächtelchen am Arm und an der Stirn, mit dem Gebetsschal um die Schultern und der runden Kappe auf dem Kopf? Kein Problem, Emanuel Goldfarb hat alles da.

Der Journalist, Sohn von Überlebenden der Schoah, könnte sich jederzeit als der zu erkennen geben, der er von Hause aus ist. Da wäre nur eine Frage: Will er das überhaupt? Soll er die Einladung des Kurt-Tucholsky-Gymnasiums annehmen, um dort in einer Klasse Fragen zum Judentum zu beantworten?

Der Schweizer Schriftsteller und Drehbuchautor Charles Lewinsky hat die Antwort darauf in seinem Einpersonen-Kammerspiel "Ein ganz gewöhnlicher Jude" gegeben, das 2005 von Oliver Hierschbiegel mit Ben Becker in der Rolle Goldfarbs verfilmt worden ist.

88-jährige Zeitzeugin Alisa Weil ist mit dabei

Am Montagabend, zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar, war es nun als Fassung des Theaters N.N. aus Hamburg im Haus der Springmaus zu sehen. Und die Gastgeber - die SPD Endenich/Weststadt, die Gedenkstätte Bonn, die Deutsch-Israelische-Gesellschaft Bonn und der Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" - blickten dabei in einen vollen Saal.

Die Hoffnung, über die traditionelle Gedenkveranstaltung am Endenicher Kloster hinaus nunmehr einen größeren Kreis zu erreichen, hat sich erfüllt.

"Ich bin überwältigt" sagte SPD-Vorstandsmitglied David Knorr bei der Begrüßung der Zuschauer; darunter auch Schülergruppen der Bert-Brecht-Gesamtschule und des Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums in Bonn sowie die Zeitzeugin Alisa Weil, die am 4. Februar ihren 88. Geburtstag feiert und ihre Tochter Schulamith (50), die beim anschließenden Publikumsgespräch auf dem Podium Platz nahm.

Ihr Großvater, ein Sozialdemokrat und Gewerkschaftler durch und durch, hatte seine Familie und sich damals noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können; von der Schweiz aus bis nach Palästina.

Auch die Eltern des Protagonisten aus Lewinskys Stück haben die Schoah überlebt. Wie genau, berichtet Emanuel Goldfarb zwar nicht, aber die Zitate seiner Mutter, die hinter jedem, was nicht perfekt angepasst ist, was auffallen und "Risches" verursachen könnte, sprechen für sich.

Der jüdische Begriff für Antisemitismus spielt eine Schlüsselrolle, so wie auch der Titel des Stückes selbst klug gewählt ist; ein wenig provokant darf es schon ein. Und Jan Katzenberger spielt dieses Potenzial in der Regie von Dieter Seidel ebenso feinsinnig wie mitunter auch vehement aus.

Diskussionsrunde über die Verbundenheit der Kulturen

Ist es das Unbehagen anderer oder sein eigenes? Wie unbefangen gehen Deutsche und Juden heute miteinander um? Muss man sie kapriziert als Mitbürger jüdischen Glaubens vorstellen? Und müssen diese sich permanent zu israelischer Politik äußern?

Aus der anschließenden Diskussionsrunde wurde deutlich, dass europäische und deutsche Kulturgeschichte mit jüdischer Tradition, Lebensart und Sprache untrennbar verbunden ist.

Aber dass man sich einer gewissen anfänglichen Befangenheit auch nicht zu schämen braucht. "Es ist nicht so einfach, das abzustreifen", fasste Schulamith Weil abschließend zusammen. "Es ist normal, ambivalent zu sein, so ist das Menschsein. Aber es lohnt sich auch immer, miteinander ins Gespräch zu kommen."

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