Interview mit Bonner Komba-Chef Christoph Busch Ein Ende des Streiks in Bonn ist nicht in Sicht

Bonn · Es gilt als sicher, dass der Warnstreik des Öffentlichen Dienstes in den kommenden Wochen fortgesetzt wird. Jetzt sei die Arbeitgeberseite am Zuge, sagt der Bonner Chef der Gewerkschaft Komba, Christoph Busch, im GA-Interview.

Seit den 1990er Jahren vertritt Christoph Busch als Personalrat die Interessen der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zudem engagiert er sich seit Jahrzehnten in der Komba-Gewerkschaft. Mit Christoph Busch sprachen Lisa Inhoffen und Philipp Königs.

Als Bonner Komba-Chef, Beamter und Personalratsvorsitzender bei der Stadt Bonn haben Sie in den aktuellen Tarifverhandlungen gleich drei Hüte auf. Einen Streiktag haben Sie jetzt hinter sich, weitere werden wohl folgen... Können Sie verstehen, dass die Solidarität der Bürger nachlässt, wenn es zu längeren Streiks kommt, wie etwa 2015, als die Kitas gleich mehrere Wochen bestreikt wurden?

Christoph Busch: Zur guten Streikvorbereitung gehört auch, dass wir uns Gedanken machen, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Wir wissen natürlich, dass die Bürger sehr belastet werden, wenn der Öffentliche Dienst streikt. Und wir wissen auch, dass die Solidarität bei den Bürgern abnimmt, je länger ein Streik dauert. Das führt aber deutlich für Augen, welche gute und wichtige Arbeit unsere Kolleginnen und Kollegen leisten. Nur, soweit sind wir ja noch nicht...

Es gibt aber auch Tarifverhandlungen, wie etwa in der Chemiebranche, die fast lautlos ablaufen. Ist so etwas für Sie denkbar?

Busch: Wir haben ja einen Beschluss für eine Forderung gefasst, der liegt auf dem Tisch. Dazu müssen die Arbeitgeber etwa sagen. Das haben sie bisher nicht getan. Wir fordern den Streik nicht heraus. Es ist die Arbeitgeberseite, die uns dazu zwingt. Wir haben schließlich gesagt, was wir wollen. Die Arbeitgeberseite hat bisher einfach nichts dazu gesagt.

Kommen wir zum städtischen Personal: Sie kritisieren, dass die Politik den Personalabbau forciert hat, ohne gleichzeitig die Aufgaben zu reduzieren. Jetzt brennt es an vielen Ecken in der Verwaltung, weil Mitarbeiter fehlen, wie etwa im Städtischen Gebäudemanagement (SGB). Was fordern Sie?

Busch: Ich muss zunächst festhalten: Wir sind als Stadt Bonn ein Dienstleistungsunternehmen. Wir produzieren keine Autos. Dienstleistungen werden von Menschen angeboten. Wir beschäftigen allein rund 1000 Kita-Erzieher, dazu kommen viele Kollegen in den Altenheimen, in den Schwimmbädern und so weiter. Wir haben schon vor sechs Jahren davor gewarnt, so massiv Personal einzusparen.

Die Probleme in Bonn sind also hausgemacht?

Busch: Genau! Die Verwaltung hat das selbst in ihrem jüngsten Personalbericht beschrieben. Die Folge ist, dass bei der Stadt immer weniger Mitarbeiter immer mehr machen müssen. Beispiel: Jetzt will die Politik die Hallenbäder im Sommer länger aufhalten. Gleichzeitig wird in den Freibädern Personal benötigt. Wie sollen die angesichts der dünnen Personaldecke betrieben werden? Da macht es sich die Politik zu einfach.

Wie hat sich diese Personalpolitik im Stadthaus bisher ausgewirkt?

Busch: Der Krankenstand unter unseren Kollegen ist systematisch gestiegen. 2016 lag die Krankenquote bei 7,19 Prozent. 2007 lagen wir bei 5,45 Prozent. Auch die Überstundenzahlen sind gestiegen. Wir kommen auf weit über 200 000 Überstunden. Dazu steigen die Belastungsanzeigen. In der Woche kommen inzwischen mindestens fünf Belastungsanzeigen beim Personalrat an.

Sehen Sie denn überhaupt Einsparpotenziale im Personaletat?

Busch: Wir sehen natürlich auch, dass gespart werden muss, um den städtischen Haushalt nicht vollends gegen die Wand zu fahren. Ich denke, dass man zum Beispiel bei den Bürgerdiensten oder in der Ordnungsverwaltung durch die Digitalisierung auf Dauer Personal einsparen kann. Es gibt Untersuchungen dazu, nach denen langfristig sogar die Hälfte an Personal wegfallen könnte.

Wie weit ist die Stadtverwaltung beim Thema Digitalisierung?

Busch: Die Stadt Bonn ist im Vergleich zu anderen Städten schon sehr weit. Wir werden jetzt zum Beispiel eine App für die beihilfeberechtigten Kollegen einführen, mit der alles rund um die Beihilfe künftig abgewickelt werden kann. Damit entfällt der bisherige aufwendige Papierkram und zusätzliche Personalaufwand. Außerdem ist die Verwaltung zurzeit dabei, alle Personalakten zu digitalisieren. Auch wir im Personalrat sind dabei, sämtliche Prozesse digital umzustellen.

Nicht gut geklappt hat die digitale Umstellung bei den Bürgerdiensten. Anstatt Personal einzusparen, musste am Ende die Mitarbeiterzahl aufgestockt werden, um die Probleme in den Griff zu bekommen.Was ist da schief gelaufen?

Busch: Wenn man zunächst nur das Terminsystem digitalisiert hätte, wäre es sicher reibungsloser gelaufen. Aber man hat versucht, mehrere Dinge auf einmal zu verändern. So sind verschiedene Aufgabenbereiche zu einer Organisationseinheit zusammengeführt worden: die Führerscheinstelle, die Zulassungsstelle und das Einwohnermeldewesen. Das allein war eine große Herausforderung. Dann kam die Zentralisierung dazu, um zusätzlich Kosten einzusparen. Zudem hat sich die Politik eingemischt, sodass dann doch wieder Außenstellen geöffnet worden waren. Das war kein Digitalisierungsproblem, sondern ein Steuerungsproblem.

Als Personalrat waren Sie in dem Prozess eingebunden. Haben sie den zuständigen Stadtdirektor Wolfgang Fuchs nicht davor gewarnt, alles auf einmal umsetzen zu wollen?

Busch: Doch, sicher. Aber am Ende des Tages entscheidet der Arbeitgeber, der schließlich die Organisationshoheit besitzt.

Würden Sie Herrn Fuchs an der Stelle als beratungsresistent bezeichnen?

Busch: So würde ich das nicht sagen. Aber manchmal wäre es schon hilfreich, seitens des Verwaltungsvorstands auf die Hinweise des Personalrates zu hören.

Wo kann man denn noch im Personalhaushalt sparen, zumal die Kosten durch die Tariferhöhungen weiter steigen werden?

Busch: Ich finde es richtig, zum Beispiel bei den Bädern marode Infrastrukturen aufzugeben und stattdessen ein modernes Zentralbad zu bauen. Da haben wir uns als Personalrat schon früh positioniert. Und: Warum brauchen wir in Bonn sechs Freibäder, wenn die Stadt Aachen nur ein Freibad hat?

Marode sind auch viele Schulen. Im SGB fehlen aber die Fachkräfte, um den Sanierungsstau schneller beseitigen zu können...

Busch: Das ist ein gutes Beispiel für verfehlte Personalpolitik. Ich verstehe nicht, warum etwa der Betriebsleitungsposten seit vier Jahren vakant ist und die Politik ihn nicht längst neu besetzt hat. Dazu kommt, dass die Stadt mit Blick auf ihr Tarifgefüge nicht konkurrenzfähig ist. Die Ingenieure, die es noch auf dem Markt gibt, gehen lieber in die freie Wirtschaft, weil sie dort besser verdienen.

Was könnte die Stadt tun, um attraktiver zu werden?

Busch: Die Tarifstrukturen müssen so attraktiv gestaltet werden, dass die Fachkräfte auch zu uns kommen wollen. Das versuchen wir auch schon, indem wir bei Neueinstellungen im Rahmen des bestehenden Tarifrechts die Bewerber von vornherein höher einstufen. Dabei müssen wir darauf achten, dass die unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Arbeit nicht den Arbeitsfrieden gefährdet. Das ist oftmals eine Gratwanderung. Aber ich sehe im Moment keine andere Möglichkeit, wenn wir neue Leute gerade im Bauwesen gewinnen wollen.

Personal fehlt auch in den Kitas. Wie kann die Stadt dieses Problem lösen?

Busch: Fehlende Erziehungskräfte sind ein allgemeines Problem. Auch hier muss die Stadt versuchen, eine attraktivere Arbeitgeberin zu werden. Ein Beispiel: Sauberkeit am Arbeitsplatz. Wir haben bei einer Personalversammlung eine Umfrage gemacht, da war das Gros sehr unzufrieden mit der Sauberkeit am Arbeitsplatz bis hin zu dem Problem, dass im Stadthaus Mäuse durch die Büros laufen. Wir als Personalrat plädieren schon lange dafür, wieder eigene Reinigungskräfte einzustellen. Leider hält der Verwaltungsvorstand an der Fremdreinigung fest.

Stichwort Stadthaus: Die Zeichen stehen auf Grundsanierung des maroden Gebäudes. Ist das in Ihrem Sinne?

Busch: Ja. Aber man muss endlich damit beginnen. Allein die technischen Anlagen müssen dringend erneuert werden. Zurzeit wird nur mühsam an verschiedenen Baustellen gearbeitet. Wichtig für uns ist, dass das Stadthaus an seinem Standort bleibt, denn für uns gehört es in die Mitte der Stadt und nicht in ein Niemandsland, wie schon mal überlegt worden war.

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