WCCB in Bonn Ein Arzt begleitet den Prozessauftakt

BONN · Vor mehr als fünf Jahren begannen im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des World Conference Center Bonn (WCCB) auch strafrechtliche Ermittlungen gegen die beiden einstigen städtischen WCCB-Beauftragten Arno Hübner und Eva Maria Zwiebler.

Auftakt im Prozess gegen die ehemaligen WCCB-Projektleiter: Eva Maria Zwiebler (Foto links) wartet mit ihren Anwälten Hanno Marquardt (links) und Christian Knezovic stehend auf den Einzug der Kammer in den Gerichtsaal. Arno Hübner (Foto rechts, von links) und seine Anwälte Stefan Hiebl und Carolin Warner haben bereits Platz genommen.

Auftakt im Prozess gegen die ehemaligen WCCB-Projektleiter: Eva Maria Zwiebler (Foto links) wartet mit ihren Anwälten Hanno Marquardt (links) und Christian Knezovic stehend auf den Einzug der Kammer in den Gerichtsaal. Arno Hübner (Foto rechts, von links) und seine Anwälte Stefan Hiebl und Carolin Warner haben bereits Platz genommen.

Foto: Nicolas Ottersbach

Vor knapp drei Jahren wurden sie von der Staatsanwaltschaft angeklagt, und seitdem warteten sie darauf, sich vor Gericht verantworten zu müssen. Gestern war es soweit. Und dem 72-jährigen Hübner sowie der 61-jährigen Zwiebler war die Anspannung anzumerken, als sie mit ihren Anwälten den Saal betraten und das Blitzlichtgewitter über sie hereinbrach. Vor allem Eva Maria Zwiebler war die Belastung dieses Verfahrens anzusehen, die Bürgeramtschefin ist schon seit längerem arbeitsunfähig. Und einem medizinischen Gutachten zufolge so angeschlagen, dass ihr nur drei Stunden Verhandlung pro Prozesstag zugemutet werden dürfen. Weil auch die Kammer davon ausging, dass dieser erste Tag für Zwiebler besonders hart ist, saß ihr ein Mediziner gegenüber. Im Zuschauerraum stärkte die Familie ihr den Rücken - darunter ihr Bruder Michael Kranz, ehemaliger Vorstand der Sparkasse Köln-Bonn.

Auch Hübner hat gesundheitliche Probleme geltend gemacht, und so wandte sich Kammervorsitzender Jens Rausch an die Angeklagten und erklärte: "Wir wissen, wie sehr Sie die Rolle der Angeklagten psychisch und physisch belastet. Seien Sie sicher: Wir nehmen darauf Rücksicht."

Die Anklage, die an diesem ersten Prozesstag von den beiden Staatsanwälten Timo Hetzel und Florian Gessler vertreten und von Gessler verlesen wurde, wirft Hübner Betrug und Untreue im besonders schweren Fall zum Nachteil der Stadt Bonn vor. Und Zwiebler soll dazu Beihilfe geleistet haben. Als sie schon wussten, dass Investor Man-Ki Kim das nötige Eigenkapital nicht beibringen konnte und die Finanzierung nicht stand, sollen sie 25 Millionen Euro Landesförderung für das Projekt erschlichen haben, indem sie gegenüber der Bezirksregierung falsche Angaben machten.

Ex-Stadtdirektor Hübner soll zudem eigenmächtig eine Vereinbarung der Stadt mit der kreditgebenden Sparkasse Köln-Bonn geändert haben, wonach die Stadt eine 74-Millionen-Bürgschaft übernahm für den Fall, dass in der Bauphase das Geld ausgehen würde. Darin sieht die Staatsanwaltschaft einen Amtsmissbrauch und eine besonders schwere Untreue, obwohl sich keiner von beiden persönlich bereichert hat. Bei Verlesung der Anklage konnte Eva Maria Zwiebler ihre Tränen nicht zurückhalten.

Der Vorwurf der Untreue trifft sie und Hübner hart, denn sowohl Arno Hübner, der frühere Stadtdirektor, als auch Eva Maria Zwiebler haben sich stets als treue Diener der Stadt gesehen und ihrer Meinung nach alles getan, um das Prestigeobjekt der Stadt zum Erfolg zu führen, wie ihre Verteidiger gestern betonten. Doch das WCCB wurde zum Millionengrab, und dass sie für das Scheitern des Projekts die strafrechtliche Verantwortung übernehmen sollen mit möglicherweise harten persönlichen Konsequenzen wie Haft und Verlust sämtlicher Beamtenansprüche, dagegen wollen sich Hübner und Zwiebler zur Wehr setzen. Mit allen Mitteln.

Und so begannen die Verteidiger den Prozess mit einem Antragsgewitter gegen das Gericht: Zwieblers Verteidiger Hanno Marquardt und Christian Knezovic lehnten Richter Rausch wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Knezovic beantragte eine Aussetzung des Verfahrens für mindestens sechs Monate, weil er zu spät als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei und deshalb die 106 000 Aktenseiten des Verfahrens noch nicht habe durcharbeiten können. Hübners Verteidiger Stefan Hiebl rügte die Besetzung des Gerichts, dessen Zuständigkeit und die lange Verfahrensdauer und kündigte an, Freispruch für seinen Mandanten zu fordern. Denn, so Hiebl: "Tatsache ist, dass niemand, buchstäblich niemand in der damaligen Zeit davon ausgegangen ist, es mit einem Betrüger zu tun zu haben." Auch Marquardt geht von einem Freispruch für Zwiebler aus.

Der Prozess wird am 10. März fortgesetzt.

Befangenheitsantrag gegen den Kammervorsitzenden Jens Rausch

Schweres Geschütz hat Eva Maria Zwieblers Anwalt Hanno Marquardt gegen den Vorsitzenden der Großen Wirtschaftskammer, Richter Jens Rausch, aufgefahren: Der Anwalt lehnt Rausch wegen Befangenheit ab. Als Grund nennt Marquardt das 469 Seiten umfassende Urteil der von Rausch geführten Kammer gegen den einstigen WCCB-Investor Man-Ki Kim, der am 10. Mai 2013 wegen schweren Betrugs zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt worden war. Marquardt beklagt anhand von 21 Beispielen aus dem Kim-Urteil "Feststellungen, Mutmaßungen, Werturteile und Annahmen" des Kammervorsitzenden zu Lasten von Zwiebler, obwohl Rausch Zwiebler in keinem Verfahren persönlich kennengelernt und sich nie ein eigenes Bild von ihrer Persönlichkeit , der Art und Weise ihrer Berufsausübung und ihrem Lebenslauf gemacht habe.Schon allein diese ausgewählten Beispiele begründeten das Misstrauen in Rauschs Unparteilichkeit. Das Vertrauen seiner Mandantin in die Unvoreingenommenheit des Kammervorsitzenden sei durch dessen Feststellungen und Mutmaßungen zerstört.

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