Bonner Bahnhofsbombe Durchsuchungen werfen Fragen auf

DÜSSELDORF · Hat es bei den ersten Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Verursacher des Bombenanschlags vom Bonner Hauptbahnhof und seine drei Mitangeklagten womöglich mehr Unzulänglichkeiten gegeben, als bisher bekannt war? Die Zeugenaussagen eines bei der Durchsuchung beteiligten Polizeibeamten werfen zumindest Fragen auf.

Bekanntlich wird dem Bonner Marco G. vorgeworfen, am 10. Dezember 2012 auf Bahnsteig 1 des Hauptbahnhofs eine Tasche mit einem Sprengsatz abgestellt zu haben, welcher dann nicht zur Explosion kam.

Auf die Spur kamen die Ermittler dem Beschuldigten, weil er im März 2013 gemeinsam mit seinen drei mutmaßlichen Komplizen im Begriff gewesen sein soll, einen Mordanschlag auf Markus Beisicht, den Vorsitzenden der Partei Pro NRW, zu verüben. Das verhinderte die Festnahme durch die Polizei.

Bis dahin wohnte G. mit seiner Familie am Memelweg im Bonner Stadtteil Tannenbusch. In der Nacht zum 13. März verschaffte sich eine Polizeieinheit Zugang zur Wohnung, in der die Beamten zunächst auf Koray D. trafen, der sich seit September mit Marco G. und zwei weiteren Mitangeklagten den Platz auf der Anklagebank teilt.

Wie sich die erste von insgesamt drei Wohnungsdurchsuchungen gestaltete, erfuhren Prozessbeobachter in dieser Woche aus dem Munde eines 57-jährigen Bonner Kriminalhauptkommissars. Und zumindest aus Sicht der Verteidigung boten seine Aussagen Anlass zu Fragen.

"Es ging bei der ersten Durchsuchung um einen vermeintlichen Raubüberfall", schilderte der Beamte dem Gericht seinen Informationsstand beim Betreten der Wohnung. Warum er als Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung dann involviert gewesen sei - diese Frage von Seiten der Strafverteidigung blieb ebenso offen wie die Frage nach interner Zuständigkeit und Weisungsbefugnis in besagter Nacht.

Offenbar war - wie schon während der Spurensicherung nach dem Bombenfund am Bahnhof - ein wahrer Behördenreigen beteiligt: Neben den Bonner Ermittlern das (zunächst federführende ) Polizeipräsidium Essen, die Polizei in Aachen sowie das Bundes- und das Landeskriminalamt.

Dass bei der ersten Durchsuchung wegen des "Raubüberfalls" auch ein Sprengstoffspürhund zugegen war, so der Zeuge, hätten ihm die Kollegen vor Ort mit den Worten erklärt, dies sei "Routine". Tatsächlich wurde dann ja auch eine Tüte mit 600 Gramm sprengfähigem Ammoniumnitrat gefunden.

Abstimmungsschwierigkeiten bei der Sammlung der Asservate, der Umgang mit Beweismaterial vor Ort, fehlerhaft und von mehreren Beamten ausgefüllte Sicherstellungsprotokolle, eine zunächst unversiegelte und nur mit Spanplatten verschlossene Wohnungstür und der Verzicht auf ein eigenes Team zur Spurensicherung ließen die Verteidiger mehrfach nachhaken. Auch habe der Staubsauger, in dem bei der zweiten Durchsuchung zwei Tage später eine scharfe Pistole gefunden wurde, schlichtweg keine Beachtung gefunden.

"Keiner will ihn untersucht haben", sagte der Zeuge aus dem Polizeipräsidium. Den Kühlschrank hingegen habe er sich angesehen, doch sei ihm darin nichts verdächtig erschienen. Ob der ebenfalls anwesende Sprengstoffexperte den Kühlschrank in Augenschein genommen hat, wisse er nicht.

Das tat dieser dann aber definitiv zwei Tage später. Da hatte Marco G. in der JVA Dortmund einer Sozialarbeiterin erzählt, dass sich im Kühlschrank eine hochexplosive Substanz befinde und seine Angehörigen gewarnt werden sollen. Sodann, berichtete der Bonner Beamte, habe das Polizeipräsidium Essen den Bonner Kollegen mitgeteilt, dass es offenbar doch um ein "anderes Ermittlungsverfahren" als einen Raubüberfall gehe und eine zweite Durchsuchung veranlasst.

Dass in der JVA Dortmund der Begriff HMTD gefallen sein soll, genügte dem Sprengmeister offenbar. Bekanntlich wurden die beiden Substanzen gesprengt - ohne eine Probe zu entnehmen. Später versuchte man noch, mit Bodenproben Rückschlüsse zu ziehen.

Inwieweit es sich tatsächlich um HMTD gehandelt hat - das sich theoretisch als Initialsprengstoff für eine Bombe eignen könnte - könnte damit im Dunkeln bleiben. Die zweifellose Beweisführung, dass die Substanzen in G.s Wohnung mit dem Sprengsatz am Bahnhof technisch kompatibel waren, könnte schwierig werden. Belastend für G. dürften wiederum jene DNA-Spuren sein, die an Teilen des Sprengsatzes gefunden wurden.

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