Bonner Stadtgeschichte Düsenjäger stürzte 1956 auf Kessenich

Kessenich · Am 28. Juni 1956 fielen Trümmer vom Himmel. Fast ein Wunder: Es gab nur Leichtverletzte.

„Es ist wieder Krieg!“ Panik und Entsetzen machte sich am 28. Juni 1956 in der Mittagszeit in Kessenich breit. Erst gab es einen ohrenbetäubenden Knall, dann klirrten Fensterscheiben und beißender Qualm verdunkelte das Wohngebiet zwischen Hausdorffstraße und der Bahnstrecke.

Auch die Mutter von Günter Matzke-Hajek hatte offenbar eine Höllenangst. Vom Balkon ihrer Wohnung am Saarweg aus beobachtete sie die zerberstende Maschine. Sofort packte sie ihren zweijährigen Sohn Ulrich auf den Arm und rannte mit ihm in den Keller.

Elf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges handelte es sich damals allerdings nicht um einen feindlichen Angriff, sondern um einen Flugzeugabsturz: Am 28. Juni 1956 zerriss es um 13.52 Uhr einen englischen Düsenflieger vom Typ Gloster-Meteor über dem Bonner Ortsteil. Die Maschine war zuvor ins Trudeln geraten.

Tonnenschwere Wrackteile

Zwar konnten sich die beiden Piloten mit dem Fallschirm retten, doch die teils tonnenschweren Wrackteile landeten rund um die Kessenicher, Berg-, Burbacher sowie Urstadtstraße. Sogar auf dem Gelände des Karosseriebauers Miesen an der Dottendorfer Straße (am Bahnübergang), an der SPD-Baracke sowie am Bismarckturm am Rhein gingen Trümmer nieder.

„Mit dieser Geschichte meiner Mutter bin ich groß geworden“, erzählt Günter Matzke-Hajek, der seine Kindheit in Kessenich verbrachte. Zwar lebt er heute in Alfter, doch die historischen Ereignisse aus seinem Heimatstadtteil faszinieren ihn immer noch. „Auch wenn ich erst später geboren wurde“, ergänzt er. Trotzdem wollte er mehr über die Ereignisse von vor 60 Jahren erfahren.

Angespornt hat ihn auch ein Hinweis seines Bruders Dieter in Berlin. Denn der hatte auf eBay ein Foto von dem damaligen Flugzeugabsturz entdeckt. Durch Gespräche mit Zeitzeugen sowie dem Material aus dem Stadtarchiv weiß Matzke-Hajek jetzt genau, was damals geschehen ist.

Pilot und Funker nur leicht verletzt

Ursache für den Absturz waren offenbar technische Probleme. Denn das Kabinendach der Maschine soll sich während des Übungsflugs geöffnet haben. Mit ihrem Fallschirm konnten sich der Pilot und der Funker leicht verletzt retten, doch – so berichtet der General Anzeiger am 29. Juni 1956: „Einer der geretteten Flieger, der seinen Kameraden suchte und dabei in ein Feld kam, wurde von dem Eigentümer des Grundstücks versehentlich für einen Eindringling gehalten. Der erzürnte Bauer versetzte ihm einen Tritt und einen Faustschlag vor die Brust. Erst dann ließ er sich von Umstehenden erklären, dass es sich um einen verunglückten Soldaten handele.“

Kaum hatte sich die erste Aufregung im Dorf gelegt, waren mehr als 1000 Bewohner auf den Beinen, um die Feuerwehr bei den Löscharbeiten der brennenden Wrackteile zu beobachten oder „Souvenirs“ zu sammeln. „Autos, Motorräder und Mopeds verstopften sie Straßen. Bäcker in weißer Berufskleidung, Schornsteinfeger, Hausfrauen in Küchenschürzen, Handwerker, Kinder und Omas drängten sich um die Einschlagstellen“, beschrieb der General Anzeiger damals das Geschehen.

Dabei war die Situation gefährlich. Rund 30 Pfund wog ein Flugzeugteil, das neben dem Arbeitsplatz eines jungen Schweißers auf dem Miesen-Gelände eingeschlagen war. Ein Anstreicher erlitt einen Armbruch, als er von Teilen der Lichtmaschine getroffen wurde; auf der Friedrich-Ebert-Allee konnte ein Lastwagenfahrer gerade noch einem Flügel ausweichen.

Absturz wird Thema in der Politik

Der Rumpf des Jägers schlug damals auf dem Grundstück Bergstraße 36 ein, der Motor beschädigte Dach und Giebel eines Hauses an der Kessenicher Straße. Auch die Baustelle der heutigen Erich-Kästner-Schule an der damaligen Germanenstraße (jetzt Karl-Barth-Straße) bekam einen Treffer ab.

Als Reaktion auf den Flugzeugabsturz forderte der Parlamentarische Sekretär der SPD-Bundestagsfraktion, Walter Menzel, die sofortige Einstellung von Flugübungen über Städten. Denn eine weitere Gefährdung der Bevölkerung sei nicht zu verantworten, so der Politiker.

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