Bonner Helfer prägen eine Legende DRK erinnert an den Einsatz des Hospitalschiffs „Helgoland“ im Vietnamkrieg

Bonn · Das Deutsche Rote Kreuz erinnert in einem Festakt im Haus der Geschichte an den Einsatz des Hospitalschiffs „Helgoland“ im Vietnamkrieg. Vor 50 Jahren waren auch viele Bonner Helfer an Bord und prägten eine Legende.

 Die "Helgoland" 1969 während des Vietnamkriegs.

Die "Helgoland" 1969 während des Vietnamkriegs.

Foto: DRK

Eigentlich ist die MS Helgoland 1963 für Butterfahrten von Cuxhaven zum deutschen "Fuselfelsen" Helgoland gebaut worden. Doch nur drei Jahre nach ihrer Jungfernfahrt wird das nur 51 Meter lange Schiff in Südostasien zum strahlend weißen Zeichen der Hoffnung im mit aller Härte geführten Vietnam-Krieg. Von einer "Legende" spricht die stellvertretende Botschaftsleiterin der Republik Vietnam Lie Ti Tu am Freitag rückblickend dankbar bei einem Festakt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Haus der Geschichte. DRK-Präsident Rudolf Seiters und NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann hören es gern.

Zahlreiche Bonner haben sich freiwillig zu diesem besonderen humanitären Einsatz gemeldet. Hedwig Frings ging im Oktober 1967 in Singapur als DRK-Schwester an Deck, wo das Schiff für notwendige Reparaturen zwei Wochen lang im Trockendock lag. Eine Kollegin hatte die 25-Jährige auf die Idee gebracht. "Als dann vor der Abreise im Radio die Meldungen aus dem Krieg kamen, hatte ich schon Manschetten. Aber ich wollte persönlich helfen. Es traf ja so viele Zivilisten", erinnert sie sich.

Auf dem Schiff blieb wenig Zeit zum Räsonieren. 150 Patientenbetten standen auf engstem Raum. Drohte Gefahr oder der Nachschubfrachter kam, musste das Schiff mit der 30-köpfigen Besatzung, dem 34-köpfigen medizinischen Team, mit bis zu 200 Patienten und 70 örtlichen Wäschern, Köchen, Dolmetschern und Krankenschwestern raus auf See. "Das war dann schon drangvoll eng."

Auf drei OP-Tischen wurde nach Angriffen rund um die Uhr operiert. "Wir haben dabei viel Schlimmes gesehen", sagt Frings, die auch als OP-Schwester tätig war. Den Kindern zu helfen, habe sie aber immer wieder motiviert. Vor allem ein Säugling wurde zum Liebling des ganzen Schiffs. Seine Mutter war bei der Geburt an Bord bereits klinisch tot. Die Besatzung taufte den vermeintlichen Waisen Philipp. Seine Gewichtsangaben wurden täglich am Schwarzen Brett veröffentlicht, der Kleine bei gutem Wetter in einem Wäschekorb an Deck getragen. "Zum Glück haben sich irgendwann Großeltern gemeldet und ihn abgeholt", freut sich Hedwig Frings noch heute. Dabei waren die Abschiede gerade der jungen Patienten in eine ungewisse Zukunft oft bange Momente. Nach ihrer Rückkehr übernahm sie in Bonn dann jahrzehntelang eine Pflegedienstleitung.

Eike Friedrich, der in Bonn am damaligen Cusanus-Gymnasium das Abitur abgelegt und anschließend Medizin studiert hatte, kam 1971 als junger Oberarzt der Bonner Uniklinik auf die "Helgoland". Vorher hatte der 29-Jährige seinem Chef ein Rückkehrversprechen geben müssen. "Wir wurden in den Einsatz förmlich reingeschmissen und haben gleich bis zu 20 Stunden lang operiert, was möglich war", erinnert sich der heute 76-Jährige. Viele Kollegen hätten damals ihre Tauglichkeit für den deutschen Medizin-Alltag verloren, zieht Friedrich persönliche Bilanz. "Hier ist alles oft viel zu aufwendig und luxuriös. Viele Operationen sind überflüssig."

Das wurde Friedrich erst wirklich deutlich, als er zurück in Bonn einem Patienten auf dessen Wunsch ohne Vollnarkose eine Metallplatte aus der Speiche entfernte. Ein Rüffel seines Chefs war ihm sicher. Der forderte das große Besteck. "Heute macht man so etwas auch hier ambulant", schmunzelt Friedrich. Er selbst übernahm wenig später eine Abteilung für Kriegsverletzungen in Wiesbaden. Doch auch persönlich veränderte der Einsatz auf dem Schiff sein Leben: Schon auf dem Hinflug lernte Eike Friedrich seine spätere Frau Christine kennen.

Nicht nur zahlreiche vietnamesische Leben haben die "Helgoländer" gerettet. Vermutlich haben sie auch Deutschland vor einer militärischen Beteiligung bewahrt, die US-Präsident Lyndon B. Johnson Ende 1965 von Ludwig Erhard gefordert hatte, bemerkte der Historiker und Kommunikationsdirektor der Stiftung Haus der Geschichte, Harald Biermann.

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