Totalausfall in der Bonner Feuerwehr Leitstelle Drei Stunden ging nichts mehr

BONN · Die Mitarbeiter der Leitstelle der Bonner Feuerwehr erlebten vergangenen Freitag einen Horrortag: Rund drei Stunden lang war nach Informationen des General-Anzeigers nicht nur die Telefonanlage, sondern auch Funk und weitere Technik ausgefallen.

"Es ging nichts mehr", sagte ein Insider. Ursache war laut Marc Hoffmann, stellvertretender Sprecher der Stadt, eine Überlastung von Netzwerkverbindungen zwischen 13 und 16 Uhr, bei denen die Komponenten gemeinsam von Steuerungstechnik, Wachalarm, Telefonie, Funk und Medientechnik genutzt werden und die von der Störung betroffen waren: "Das Leitsystem war nicht betroffen."

Zum großen Problem wurde dies, weil gleichzeitig auch in der Leitstelle im Siegburger Kreishaus eine umfassende Störung auftrat (siehe Bericht unten). Beide Leitstellen sind seit April vergangenen Jahres zu einer "Integrierten Leitstelle" verbunden. Diese Koppelung soll in erster Linie Redundanzen schaffen, damit im Störfall die eine Leitstelle für die andere einspringen kann und unter keinen Umständen Notrufe verloren gehen. Doch genau das soll am Freitag passiert sein, wie aus informierten Feuerwehrkreisen zu erfahren war.

Fakt ist: Seit Inbetriebnahme der Integrierten Leitstelle vor anderthalb Jahren tun sich in Bonn immense Probleme auf (der GA berichtete mehrfach). Feuerwehrleute, die nicht genannt werden wollen, berichten von gravierenden Mängeln, die immer wieder auftreten. Erst unlängst hing in der Leitstelle eine in Reimform verfasste Unmutsäußerung eines unbekannten Autors aus: "Im System heut' winden wie ein Aal, Einsatzaufnahme eine Qual." Auch folgende Verse konnte man lesen: "Wachdurchsagen sind verpönt, im Lautsprecher wird nur gedröhnt." Und: "Ausfälle und Abstürze sind schon oft. Auf schleunige Verbesserung wird gehofft."

Jochen Stein, Leiter der Bonner Feuerwehr, bestätigte zwar, dass seine Mitarbeiter nach wie vor mit Fehlern bei Software und Hardware sowie mit Systemabstürzen kämpfen müssen, versichert aber zugleich: "Diese Störungen haben die Hilfeleistungen aber nicht verzögert und damit keine Außenwirkungen. Externe Anrufer, die etwa einen Notruf gemeldet hatten, bekamen davon nichts mit, da wir über redundante Systeme verfügen", sagte Stein dem GA.

Beim Systemabsturz am Freitag können "in den Phasen der Aktivierung der Rückfallebene gegebenenfalls einzelne Gespräche nicht durchgekommen sein", sagte Hoffmann gestern. "Notrufe konnten aber über die Rückfallebene weiter angenommen werden." Probleme bei der Einführung eines derart komplexen Leitstellensystems sind aus Steins Sicht normal: "Gleichwohl haben uns die Menge und die Intensität der Fehler überrascht." Der Beigeordneter Wolfgang Fuchs, zuständig für das Feuerwehrwesen in Bonn, sagt: "Beim Austausch mit anderen Dezernenten bei Konferenzen des Deutschen Städtetages ist das in vielen anderen Städten ein leidvolles Thema."

Die Schwierigkeit, die Fehler zu beheben, ergeben sich in Bonn laut Stein oft daraus, dass nicht klar sei, "ob die Hardware oder die Software die Ursache ist". Die Situation sei "inzwischen deutlich besser geworden als noch im vergangenen Jahr, "aber sie ist immer noch nicht zufriedenstellend". Das ist nach dem Erleben des Feuerwehrchefs vor allem für die Mitarbeiter der Leitstelle "überaus belastend", weil sie bei Störfällen auf redundante Systeme zurückgreifen müssten. Das erzeuge naturgemäß Stress. Ein Feuerwehrmann bringt die Stimmung unter den Disponenten so auf den Punkt: "Die Jungs sind fertig!" Fuchs hat in Gesprächen mit Disponenten, die er ohne die Amtsleitung geführt hatte, "ganz unterschiedliche Eindrücke gesammelt".

Vorwürfe, das Projekt in Bonn vorschnell und ohne Lasttest umgesetzt zu haben, weist Stein entschieden zurück: "Wir haben uns etwa den Leitrechner in Siegburg, den es ja schon gab, vor der Inbetriebnahme in Bonn genau angesehen." Die Krux sei vielmehr, "dass sich die Probleme erst beim Zusammenschalten der kompletten Anlage eingestellt haben".

Für Fuchs ist klar, "dass es noch einige Zeit dauern wird", bis die Disponenten alles bekommen, was sie erwarten. "Aber wir beschäftigen uns damit." Schließlich sei es immer noch richtig, dass die Integrierte Leitstelle handfeste Vorteile mit sich bringe. Aber für Fuchs steht auch fest: "Wären alle diese Probleme bekannt gewesen, hätten wir die Inbetriebnahme um ein Jahr verschoben. Dabei muss sich das gesamte Führungspersonal an die eigene Nase fassen, inklusive meiner Person."

Probleme mit der Technik

Wie von dem anonymen Schreiber in Reimform in dem Aushang angesprochen, hakt in der Leitstelle das Eingabesystem.

  • Notruf: Wenn etwa ein Notruf eingeht, sollte sich möglichst unverzüglich eine Maske zur Erfassung der Daten auf dem Monitor öffnen. Diese muss ausgefüllt werden, damit der Disponent Einsatzmittel, zum Beispiel einen Notarzt, etwa per Lautsprecherdurchsage alarmieren kann. Bislang verzögert sich das Aufploppen der Maske laut Feuerwehrchef Jochen Stein um einige Sekunden, was für den Disponenten die Belastung erhöht. Man arbeite an dem Problem und der Einführung einer eigenständigen Alarmierung per Computerdurchsage.
  • Wachdurchsagen: Bei diesem für Feuerwehr und Rettungsdienst wichtigen Alarmierungsmittel hat es Probleme gegeben, weil Durchsagen oft nicht zu verstehen waren. Stein: "Das hing mit der Vermittlungstechnik zusammen und ist nun weitgehend gelöst."
  • Systemabsturz: Laut Stein war vor mehr als zwei Wochen die Richtfunkstrecke gestört, über die Daten zwischen den Leitstellen in Siegburg und Bonn ausgetauscht werden. Das habe zum Ausfall des Leitstellenrechners in Bonn geführt. Man habe aber auf eine Glasfaserkabel-Leitung umschalten können, die als "Rückfallebene" vorgehalten werde.
  • Telefonanlage: Insider berichten, dass der Ausfall der Telefonanlage wie am Freitag kein Einzelfall ist. Von monatlichen Systemabstürzen der Verbindungstechnik ist die Rede, zuletzt soll das am 24. November passiert sein. In den Fällen wären die Disponenten wie am Freitag gezwungen, auf fünf Telefone zurückzugreifen, die an ihrem Arbeitsplatz eingestöpselt würden. Notfallanrufe können so aber nicht erkannt werden, was die Disponenten unter Stress setzte. Laut Stein gab es diese Probleme im vergangenen Jahr, sie seien aber abgestellt worden. Von Ausfällen in letzter Zeit hat er "keine Kenntnisse". Laut Marc Hofmann werden die Vorgesetzten "grundsätzlich über gravierende Ausfälle informiert".
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