Gartenserie Die weite, schöne Erde als Werkstatt

Bonn · Die zum Welterbe zählende Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft samt Sanssouci und Pfaueninsel trägt die Handschrift von Deutschlands wohl berühmtestem Gärtner Peter Joseph Lenné. Aber sein Bonner Geburtshaus gibt ein Bild des Jammers ab

Das Rheinufer fest im Blick: Eine Büste am Brassertufer erinnert an den in Bonn geborenen Gartenkünstler Peter  Joseph Lenné.

Das Rheinufer fest im Blick: Eine Büste am Brassertufer erinnert an den in Bonn geborenen Gartenkünstler Peter Joseph Lenné.

Foto: Benjamin Westhoff

Eine schönere Berufs- und Arbeitsplatzbeschreibung kann es kaum geben: „Gottes Natur – mein Meister, Sein Himmel – meine Heimat, und meine Werkstatt – Seine weite, schöne Erde.“

Das Zitat stammt von Deutschlands wahrscheinlich berühmtestem Gärtner, von dem in Bonn geborenen Peter Joseph Lenné, General-Gartendirektor der königlich-preußischen Gärten.

Zu finden ist es auf einem Foto, das Lenné dem Kaufmann Peter Michels im Oktober 1862 bei einem Besuch in Bonn überließ. Für das Landhaus der Familie Michels in Endenich hatte Lenné einen parkartigen Hausgarten entworfen; heute existieren davon noch Bäume aus Lennés Zeit und Andeutungen von Wegführungen. Teile des Grundstücks dürften in Zukunft vom Ausbau der A565 betroffen sein.

Bonn tut sich gelegentlich ein bisschen schwer mit der Erinnerung an große Persönlichkeiten. Das Haus neben dem Alten Zoll in der Konviktstraße, in dem Lenné am 29. September 1789 geboren wurde, gibt eher ein Bild des Jammers ab.

Der Putz hat sich großflächig von der Fassade gelöst, die Fenster drohen aus den Rahmen zu fallen, der Garten hat mehr mit Verwahrlosung als mit Kunst zu tun.

Vorne und hinten immerhin sind Gedenktafeln angebracht, in verblassender Goldschrift wird Lenné als „in der Gartenkunst der grösste Meister seiner Zeit“ gepriesen. Für Gärtner und andere hatte Lenné immer diesen Ratschlag parat: „Nichts gedeiht ohne Pflege, und die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unvernünftige Behandlung ihren Wert.“

Peter Joseph Lenné kommt aus einer Gärtner-Dynastie, die um 1665 aus der Gegend von Lüttich ins Rheinland übersiedelt, ihre Heimat in Poppelsdorf findet und dort für die Kurfürsten arbeitet. Der Hofgärtner-Sohn reist nach Süddeutschland und in die Schweiz, nach Paris und Wien, eignet sich an, was es in Gartenbau und Landschaftsarchitektur zu wissen gibt, und macht schließlich am preußischen Hof in Potsdam rasch Karriere.

Hofmarschall von Maltzahn sieht in ihm einen Mann, „der gründliche Kenntnisse und Geschmack besitzt“. Pläne gehen Lenné offenbar schnell von der Hand, die Liste der von ihm entworfenen Gärten und Parks ist lang, die zum Welterbe zählende Berlin-Potsdamer Kulturlandschaft samt Sanssouci und Pfaueninsel trägt vornehmlich seine Handschrift. Die Markenzeichen Lennés sind überall erkennbar: große Sichtachsen auf der einen Seite und geheimnisvolle Wegführungen auf der anderen.

Lennés Ruhm verbreitet sich in ganz Deutschland, er plant den Kurpark in Bad Homburg, den Schlosspark von Hohenschwangau, die Roseninsel im Starnberger See. Immer wieder zieht es ihn auch in seine rheinische Heimat, wobei der Geburtsort Bonn eher außen vor bleibt.

An der Erweiterung des Alten Friedhofs wirkt er mit, statt Gräberreihen bevorzugt er eine parkähnliche Anlage. Die Stadt hat ihm und seinen guten Beziehungen zu Hof und Ministern zu verdanken, dass der Stadtgarten erhalten bleibt und nicht bebaut wird, dass die Eisenbahntrasse ebenerdig und nicht auf einem Damm durch Bonn führt.

Um Bonn herum ist der Gartenkünstler sehr präsent, in den Koblenzer Rheinanlagen beispielsweise und in den Gärten von Schloss Stolzenfels. Im Kurpark von Bad Neuenahr sind die Pläne Lennés allenfalls rudimentär umgesetzt, im Waldbereich des Schlossgartens von Brühl findet man seine kühn geschwungenen und verschlungenen Wege.

Lenné liebt, wie er schreibt, „die gekrümmten Gänge der Naturgärten, durch welche man nicht nur den Raum besser benutzt, sondern auch den Plan des Ganzen nicht übersehen kann und fast jeden Schritt etwas Neues erblickt!“

Als sehenswertes Meisterstück kann die Flora im Kölner Stadtteil Riehl gelten, 1864 als „botanischer Zier- und Lustgarten“ mit Konzert und Feuerwerk eröffnet. Es ist ein Spätwerk Lennés, fast so etwas wie eine Gesamtschau seiner jahrzehntelangen Tätigkeit, eine Präsentation verschiedener Stile: vom französischen Barock über die italienische Renaissance zur englischen Landschaftsarchitektur. Da spielt jemand virtuos mit seinem Handwerk.

Im letzten Drittel seines Lebens ist Lenné nicht nur der Garten- und Parkgestalter, er wird zum Stadtplaner. Der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm IV. beauftragt ihn mit der städtebaulichen Planung der schnell wachsenden Großstadt Berlin. Dort nennt man ihn bald den Buddel-Peter. Berlin bekommt breite Straßen, Kanäle werden gebaut, Alleen bilden die Uferstraßen.

Lenné, Mitglied im „Komitee zur Beschäftigung brotloser Arbeiter“, ist gewiss kein Revolutionär, aber er hat eine klare Vorstellung davon, dass das Nützliche mit dem Schönen verbunden werden muss, dass Grünanlagen zu den Wohngebieten gehören. Seine Pläne sehen öffentliche Spazierwege vor, „deren Anlage und Vervielfältigung in einer großen Stadt nicht allein des Vergnügens wegen, sondern auch aus Rücksicht auf die Gesundheit dringend empfohlen werden muss“.

Peter Joseph Lenné stirbt 76-jährig am 23. Januar 1866 in Potsdam. Die Bonner Lenné-Gesellschaft nennt ihn den „zweitgrößten Sohn der Stadt“ (nach Beethoven).

Die beiden größten Bonner also, beide in der Remigiuskirche getauft, haben sich tatsächlich einmal getroffen, die Geschichte wird in diesem Beethoven-Jubiläumsjahr oft erzählt und liest sich in der großen Beethoven-Biografie von Alexander Wheelock Thayer so: „Es waren jetzt seit Beethovens Abschied von Bonn gerade zwanzig Jahre verflossen. Eine kleine Anekdote zeigt, dass in seiner Erinnerung noch eine warme Stelle für die alten dort verlebten Tage übrig war. Peter Lenné, Königlicher Gartendirektor zu Potsdam..., kam, wie er dem Verfasser erzählte, im Oktober 1812 nach Wien und brachte dem Komponisten Briefe von seinem Vater und von Franz Ries. Als er sie übergab und Beethoven den Bonner Dialekt hörte, rief er erfreut aus: ,Dich versteh ich, Du sprichst Bönnisch. Du mußt Sonntags immer mein Gast sein, im Weißen Schwann in der Kärnthner Straße.’ Die Einladung wurde natürlich angenommen.“

Wunschziel ist ein Museum im Geburtshaus

Die Lenné-Gesellschaft Bonn wurde 2016 gegründet. 24 Mitglieder waren es zum Start, jetzt sind es über 100. Durch Informationen und Publikationen, durch Vorträge und Führungen will die Gesellschaft dafür sorgen, dass die „überragende kulturhistorische Bedeutung des Gartenarchitekten und Stadtplaners Lenné“ stärker ins öffentliche Bewusstsein kommt.

Wunschziel ist es, im Geburtshaus Lennés in der Bonner Konviktstraße ein Museum einzurichten. Besonders beliebt im Angebot des Vereins sind die „Grünen Touren“, Spaziergänge oder Ausflüge auf den Spuren Lennés. Aktuelle Informationen im Internet unter www.lenne.nrw.

Die Serie

In der GA-Serie „Raus in den Garten“ geht es um ganz persönliche Erfahrungen der Autoren mit dem eigenen Garten. Er macht Freude, aber auch jede Menge Arbeit. Er weckt Gefühle und macht eben glücklich – jedenfalls manchmal. Grund genug, einmal dieses Spannungsfeld zu beackern, nach Freud und Leid des Gartenfreundes fragen. Der eine macht seinen Balkon zur grünen Oase, der andere gestaltet den Vorgarten neu oder überhaupt erstmals.

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