Konflikt bei Bonner Unternehmen Die Telekom beschäftigt das Bonner Arbeitsgericht

Bonn · Beim Bonner Amtsgericht häufen sich die Klagen aus dem Bonner Konzern - oft geht es um kurzfristige Versetzungen in andere Städte.

 Die Telekom-Zentrale in Bonn: Auch hier hat der Konzern zahlreiche Stellen gestrichen.

Die Telekom-Zentrale in Bonn: Auch hier hat der Konzern zahlreiche Stellen gestrichen.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Telekom beschäftigt das Bonner Arbeitsgericht. Zwar hat der Weltkonzern mit Sitz am Rhein seinen Stellenabbau in Deutschland bisher ohne betriebsbedingte Kündigungen organisiert, doch in letzter Zeit häufen sich Konflikte mit Telekom-Beschäftigten aus dem „Überhang“, die voll bezahlt werden, aber keine Aufgabe haben.

Thomas Bergmann (Name geändert) arbeitete viele Jahre als Finanzspezialist in der Bonner Zentrale. Als die Telekom zum 1. Januar 2013 ihr Hauptquartier umbaute – um effizienter zu werden, wie das Unternehmen betont – war sein Posten unter den rund 450 gestrichenen Stellen. Das Abfindungsangebot von rund 250 000 Euro lehnte Bergmann, damals Anfang Fünfzig, dankend ab. „Ich wollte weiterarbeiten“, sagt er. Er kam in die Einheit „Projects and Operations“, später zum Telekom-Personaldienstleister Vivento. Eine passende Stelle im Konzern sei ihm nie angeboten worden, sagt Bergmann. An Projektarbeit in anderen Städten, auf wenige Monate befristet, sei er nicht interessiert. „Ich erziehe meinen schulpflichtigen Sohn allein und kann hier nicht weg.“

Versetzungsschreiben mit wenigen Tagen Vorlauf

Nachdem Ende 2015 der Sozialplan ausgelaufen war, den der Konzern mit dem Gesamtbetriebsrat ausgehandelt hatte, sei der Druck gestiegen, berichtet Bergmann. Nach einigen Vorgesprächen versetzte ihn der Konzern mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 für fünf Monate für ein Projekt zur Finance GHS nach Darmstadt. Beginn: 12. Dezember. Dieser Telekom-Bereich hat auch einen Sitz in Bonn. Die zuständigen Betriebsräte verweigerten die Zustimmung und bestritten, dass die Versetzung dringend erforderlich sei.

Bergmann wehrte sich erfolgreich am Arbeitsgericht. Der Arbeitgeber hätte ihn vorher anhören müssen, urteilten die Richter. Die Telekom schickte Bergmann danach noch mehrere schriftliche Aufforderungen, in Darmstadt anzutreten. „Erst kurz vor einem weiteren Gerichtstermin im Juni haben sie die Versetzung plötzlich zurückgezogen“, erzählt der Mann.

Nach GA-Informationen laufen jeden Monat mehrere vergleichbare Telekom-Verfahren am Bonner Arbeitsgericht, wo auch Fälle aus anderen Bundesländern landen. Die Zahl hat in den vergangenen ein, zwei Jahren spürbar zugenommen. Fast immer geht es um „Überhangpersonal“ der Telekom oder einer Tochtergesellschaft. Die Richter wägen in jedem Einzelfall ab, ob die Versetzung im „billigen Ermessen“ des Unternehmens liegt, die betrieblichen Interessen also die privaten Belange des Arbeitnehmers überwiegen. Dabei muss sich die Telekom auch kritisches Nachhaken der Richter gefallen lassen, was denn die konkreten Gründe für die Versetzung in eine andere Stadt sind.

„Der Konzern verschärft die Gangart seit etwa zwei Jahren“, sagt auch Arbeitsrechtler Rudolf Hahn, der in seiner Erfurter Kanzlei etwa ein Dutzend Telekom-Fälle auf dem Tisch hat. „Es geht offenbar auch darum, den Überhang zu reduzieren.“ Häufig würden die Betroffenen in weit entfernte Städte versetzt; einer seiner Mandanten, seit 40 Jahren bei der Telekom, solle zum Beispiel rund 100 Kilometer von seinem Wohnort entfernt in Dortmund arbeiten. Hahn: „In vielen Fällen ist das gesundheitlich belastend und unzumutbar.“

Konzern will 250 Mitarbeiter aus dem „Überhang“ vermitteln

Für den Konzern dagegen sind Versetzungen ein Instrument, um auf kurzfristigen Ressourcenbedarf zu reagieren. „Passende Mitarbeiter werden in einem vorgeschalteten, rund dreimonatigen Personalisierungsprozess über ihren möglichen Einsatz informiert“, sagt ein Telekom-Sprecher. In Einzelfällen könne es vorkommen, dass das eigentliche Versetzungsschreiben dann „relativ kurzfristig zugestellt“ werde, zum Beispiel dann, wenn die Gremienzustimmung noch ausstehe. Das Unternehmen verfolge das Ziel, die rund 250 Frauen und Männer im „Überhang“ – davon rund drei Dutzend aus der Zentrale – auf eine Stelle bei der Telekom oder einer anderen Firma zu vermitteln. „Dies kann nur bei aktiver Mitarbeit des Betroffenen gelingen“, betont der Sprecher.

Die Zukunft von Thomas Bergmann ist ungewiss. Er sitzt immer noch mit vollem Gehalt daheim und wartet. „Meine Rechtsschutzversicherung hat mir gekündigt, während der Konzern einen langen Atem hat. Das ist deren Strategie.“ Eine Kollegin habe deshalb gerade aufgegeben und eine Abfindung akzeptiert. Was könnte die Telekom ihm anbieten, um den Konflikt zu lösen? Bergmann wirkt etwas ratlos: „Das weiß ich auch nicht so richtig.“

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