Markthallen in Beuel Die Ratsmehrheit für den Wertstoffhof ist wahrscheinlich

BEUEL · Im Bonner Stadtrat zeichnet sich eine Mehrheit für einen Wertstoffhof in Beuel ab. Die Wirtschaftsförderung soll für die betroffenen Betriebe Ausweichquartiere finden.

Bonnorange-Chefin Kornelia Hülter schüttelt eifrig Hände. Die Gäste in den ersten beiden Reihen des Beueler Brückenforums begrüßt sie persönlich, auch wenn es eine unangenehme Situation ist. Dort sitzen die Markthändler, die mit dem Kauf der Beueler Großmarkthallen durch den städtischen Abfallbetrieb ihre Geschäftsräume verlieren werden. Denn trotz aller Kritik zeichnet sich schon jetzt ab, dass eine Mehrheit im Bonner Stadtrat dem Nutzungsänderungsantrag für den Wertstoffhof samt Winterdienst-Betriebsgelände zustimmen wird. Die Wirtschaftsförderung ist derweil auf der Suche nach Ausweichquartieren für die Betriebe.

Für Bonnorange ist das Markthallengelände ideal. Denn die Gebäude können bis auf den Anbau zur Röhfeldstraße hin, in dem derzeit eine Gaststätte ist, stehen bleiben. Dort soll ein Verwaltungsgebäude entstehen, in das auch andere Betriebe einziehen können. Lebensmittel verarbeitende Unternehmen wie die Markthändler jedoch nicht. Aus hygienerechtlichen Gründen dürfen sie nicht direkt neben einem Wertstoffhof verkaufen.

Wertstoffhof soll Müllverwertungsquote steigern

Schon Kornelia Hülters Vorgänger suchte nach einem rechtsrheinischen Standort für den Winterdienst und einen Wertstoffhof. Zehn Areale wurden nach ihren Angaben geprüft, nur zwei eigneten sich. Darunter die Markthallen und das alte Andernach-Gelände, die als einzige groß genug seien. Allerdings ist das Andernach-Areal mit rund 16 000 Quadratmetern zu groß und – was viel schwerer wiegt – zu teuer. „Hier müssten wir außerdem Bauschutt entfernen und den Boden verdichten“, erklärt Hülter. Nach Schätzungen von Bonnorange müsse dort das Vierfache von dem ausgegeben werden, was für die Markthallen fällig sei. „Kosten, die wir durch die Erhöhung der Müllgebühren finanzieren müssten“, sagt Hülter.

Dass es auf der Beueler Rheinseite überhaupt einen Wertstoffhof geben soll, ist einer EU-Richtlinie geschuldet. Bonnorange hat eine zu schlechte Müllverwertungsquote. Bei 65 Prozent müsste sie liegen, die Bonner kommen auf 48,5 Prozent. Unter anderem, weil es nur zwei Wertstoffhöfe – in Bad Godesberg und in der Weststadt – gibt.

Als Richtwert gilt ein Wertstoffhof pro 50 000 Einwohner, um möglichst nah am Kunden zu sein. In Bonn müsste es demnach sechs Wertstoffhöfe geben. Jeder hebt die Verwertungsquote um etwa fünf Prozent an. „Entscheidend dafür sind Kundennähe und Service“, erläutert Hülter. Auf dem neuen Wertstoffhof fahren die Bürger deshalb mit dem Auto über eine Rampe in die Hallen, um den Müll von oben in die Container werfen zu können. Bonnorange rechnet mit etwa 200 Fahrzeugen pro Tag, an Samstagen mit der doppelten Menge.

„Nur Privatleute dürfen ihren Müll anliefern“, so Hülter. Sie versichert, dass der Müll nicht stinken werde. Zum einen, weil er täglich abtransportiert werde. Zum anderen, weil von den Abfällen keine Geruchsbelästigung ausgehe. Hauptsächlich würden Papier, Grünschnitt, Sperrmüll und Altmetalle angenommen.

Argument zwei für den Standort Markthallen: Aus Sicht von Bonnorange braucht der Winterdienst einen rechtsrheinischen Ableger inklusive Salzlager, um effektiver zu sein. „Wir können bei der anstehenden Brückensanierung die Verkehrssicherheit nicht garantieren.“ Erfahrungen der vergangenen Brückensanierung hätten gezeigt, dass jede der vier nötigen Rheinquerungen pro Streufahrzeug eine Stunde länger dauere.

Die Markthallen stehen auf einem rund 11 000 Quadratmeter großen Grundstück, das der Stadt Bonn gehört. Die Gebäude errichtete ein Privatmann vor knapp 30 Jahren, auch heute sind sie noch in Privatbesitz. Zwischen Stadt und Gebäudeeigentümer besteht ein Erbbaurechtsvertrag, der noch bis zum Jahr 2086 läuft. Der Kaufvertrag, den Bonnorange Ende August mit dem privaten Eigentümer der Markthallen geschlossen hat, wird erst mit der Nutzungsänderung in ein Gewerbegebiet gültig. Und die muss der Stadtrat beschließen.

Der Tagesordnungspunkt, der eigentlich am Mittwoch beraten werden sollte, ist in den November vertagt worden. Das hat der Beueler Bezirksbürgermeister Guido Déus (CDU) noch auf der Bürgerversammlung im Brückenforum verkündet. Den Händlern hat er versprochen, alles dafür zu tun, dass der Wertstoffhof verhindert wird. Aber die Position seiner Stadtratsfraktion ist ein andere: Sie will den Wertstoffhof anstelle der Markthallen. Derzeit sieht es danach aus, dass sich dafür auch eine Ratsmehrheit findet. Denn die Grünen treten ebenfalls dafür ein, wie Fraktionsgeschäftsführer Tom Schmidt dem General-Anzeiger auf Anfrage erklärte. Gemeinsam kommen die beiden Fraktionen auf 43 der insgesamt 86 Sitze im Stadtrat.

SPD lehnt den Wertstoffhof in Beuel ab

Gegenpol ist die SPD. „Wir lehnen einen Wertstoffhof an dieser Stelle ab“, sagt Stadtverordneter Dieter Schaper. Die Großmarkthallen seien eine gewachsene Einheit verschiedenster Betriebe mit vielen Arbeitsplätzen, die nicht gefährdet werden dürften. „Eher muss das Ziel von Politik und Verwaltung sein, weitere Unternehmen hier anzusiedeln und die Auslastung der Hallen weiter zu erhöhen“, so Schaper.

Die FDP hält sich alle Möglichkeiten offen. „Wir stimmen nur zu, wenn es für die Gewerbetreibenden eine Alternative gibt“, so Werner Hümmrich. Allerdings halte er das Grundstück für zu wertvoll für einen Wertstoffhof. „Es gibt in Bonn ohnehin zu wenig Gewerbeflächen.“ Stattdessen plädiert er dafür, zu prüfen, ob ein Wertstoffhof im Rhein-Sieg-Kreis nahe der Stadtgrenze realisierbar sei.

So sieht es auch die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg. „Wir bitten darum, den Wertstoffhof nicht zu Lasten einer funktionierenden Einheit von Gewerbebetrieben zu errichten“, heißt es in einer Stellungnahme.

Bonnorange will keinen gemeinsamen Wertstoffhof auf Kreisgebiet. So könnten „durch eine Ausgliederung in den Rhein-Sieg-Kreis die Verwertungsquoten nicht gesteigert“ werden. Zudem wäre der Hof zu weit von den Kunden in Beuel entfernt. Den Vorwurf, Arbeitsplätze zu vernichten, weist Kornelia Hülter von sich: „Die Großmarkthallen in Beuel werden nicht verkauft, weil wir einen neuen Standort suchen, sondern weil diese für den Inhaber nicht mehr wirtschaftlich sind.“ Seit einem Jahr versuche der Besitzer, die Hallen zu verkaufen.

Die Bonner Wirtschaftsförderung kann den Markthändlern aktuell nur eine Ausweichmöglichkeit anbieten: die Halle von Marmor Schmitz in Dransdorf. Dort hat es bereits einen Besichtigungstermin mit Feinkosthändlerin Gabriele Discher, die die größte Mieterin in den Markthallen ist, gegeben. Für die übrigen Händler gibt es noch keine Immobilien. Bis Ende 2018 müssen sie aus den Markthallen ausgezogen sein, damit der Wertstoffhof wie geplant zum Winter desselben Jahres den Betrieb aufnehmen kann.

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