WCCB - Die Millionenfalle, Teil 87 Die nächsten Schachzüge: Stadt Bonn will das Hotel verkaufen

BONN · Soll man ein 336-Zimmer-Hotel im Zustand "veredelter Rohbau" für rund 15 Millionen Euro verkaufen, wenn allein das - vom Bund geschenkte - hotelbezogene Grundstück rund 17 Millionen wert ist? Weil Investoren rechnen können, haben sich auch gleich sieben gemeldet, die das Mindestgebot erfüllen wollen.

Das WCCB-Hotel

Das WCCB-Hotel

Foto: Lannert

Es scheint, als wirke die innerstädtische Apathie nach dem Debakel beim World Conference Center Bonn (WCCB) weiter fort Ob Verwaltung oder Politik die Trennung von Kongresszentrum und Hotel als goldene Lösung ansehen oder ob sie alle nur den Empfehlungen der Berater, etwa von PriceWaterhouseCoopers (PwC), folgen, ist unklar.

Schon der von PwC gegriffene Fertigstellungspreis mit über 40 Millionen Euro schießt weit über die Schätzung des Insolvenzverwalters Christopher Seagon hinaus. Er beträgt nach GA-Recherche inklusive "Unvorhergesehenes" sogar nur rund 27 Millionen.

Was könnte Adam Riese raten? Mit rund 104,3 Millionen hat die Stadt für das WCCB samt Hotel gebürgt, die in eine private GmbH von Investor Man-Ki Kim flossen. Deshalb musste die Stadt nochmal zahlen: 8,5 Millionen für den Insolvenzverwalter, dazu rund 10 Millionen für externe Experten und die Rechtsbeistände der städtischen Angeklagten.

Kalkuliert man Kongresszentrum und Hotel im Verhältnis 55:45, belastet allein der Übernachtungsbetrieb das Stadtsäckel mit rund 55 Millionen - Bürgschaftszinsen exklusive. Zwar ist die Bürgschaft noch nicht realisiert, aber die Sparkasse KölnBonn drängt - notfalls vor Gericht - auf einen Zahltag. Schwierige Frage: Soll die Stadt das unfertige Hotel unter der Motto "Wie gesehen so gekauft" und ohne Gewährleistung verscherbeln? Oder soll sie es selbst zu Ende bauen und später Pacht kassieren?

Am Anfang der Hoteldeal-Frage steht das Kongresszentrum. Die Stadt will es behalten und über ihre BonnCC-Management GmbH auch betreiben. Der Merksatz lautet: Kein Kongresszentrum rechnet sich. Ein Zuschussbetrieb. Deshalb hatte Bonn schon bei der ersten Investoren-Ausschreibung 2003/04 ein Hotel als "Quersubventionierer" vorgesehen. 2005 stellten Kim (SMI Hyundai Corporation) und der städtische Investorenauswähler Michael Thielbeer in ihrem Business-Plan in Aussicht, ohne städtischen Zuschuss auszukommen. Diese Zuversicht war freilich mehr Köder für den Stadtrat als reale Annahme.

Chronischer Defizitbringer

Verkauft Bonn jetzt das Hotel, zementiert es das Kongresszentrum als chronischen Defizitbringer. Jahr für Jahr müsste das Minus erst aus dem Ausgleichstopf, später aus dem klammen Stadthaushalt ausgeglichen werden. Experten rechnen mit mindestens vier Millionen Euro jährlich. Eine weitere Erschwernis ergibt sich aus gegenläufigen Wirkungen der Vereinten Nationen (UN). Das WCCB-Projekt wurde ins Leben gerufen, damit die ehemalige Bundeshauptstadt sich als UN-Stadt etabliert. Das bringt nicht nur internationales Flair. Bürgermeister auf der ganzen Welt rechtfertigen Investitionen für UN-Standorte mit der Umwegrendite. Vereinfacht: viele Gäste, viele Ausgaben, mehr Steuereinnahmen für die Stadt. Eine plausible, häufig jedoch überbewertete Annahme.

Die Kehrseite: Weil die UN ihre Imageeffekte stets in die Waagschale werfen, kommen Konferenzen zu Wüstenausbreitung und Klimawandel nur, wenn sie weniger Miete zahlen müssen als etwa Toyota oder Siemens. Bis 2009 war in Bonn allgemein von ermäßigten Konditionen für die UN die Rede. Als dann der Projektvertrag zwischen Stadt und WCCB-Investor das Licht der Medien erblickte, wurde deutlich, dass "ermäßigt" faktisch "fast umsonst" bedeutet. Auszug: "Bei rechtzeitiger Buchung wird ein Rabatt von 90 Prozent auf den jeweils gültigen Listenpreis (Raummiete) eingeräumt." Hingegen kein Rabatt beim Hotel.

Heute möchte die UN nachträglich den Kongresssaal geteilt wissen, was weitere Mehrkosten für die Stadt bedeutet. Das lässt Adam Rieses Stirn zum Hotelverkauf noch mehr runzeln: Das Gewinnbringende landet bei Privaten, das Defizitäre beim Steuerzahler. Das Dauerzuschussgeschäft, betrieben in einer stadteigenen GmbH, läuft zudem ins Risiko, vom Finanzamt als "Liebhaberei" eingestuft zu werden. Dann fiele die Umsatzsteuerbefreiung weg und würde das Minus weiter vergrößert. Möglicherweise ist deshalb zu Plan A, das Hotel zu verkaufen, auch das letzte Wort im Rathaus noch nicht gesprochen.

Plan B könnte bedeuten: Die Stadt baut das Hotel für 25 bis 30 Millionen Euro mit Generalunternehmer selbst zu Ende und kassiert später von einem Betreiber eine jährliche Pacht in Höhe von 3,5 bis 5,5 Millionen. Langfristig verursacht diese Lösung das geringere Minus. Auch das schrumpfende Eigenkapital der Stadt, bemessen in Immobilienwerten, würde erheblich gestärkt.

Auf der Suche nach Gründen für den städtischen Hang zu Discountdenken stößt der Neugierige auch auf mentale Hindernisse. So würde Plan B für den Haushalt neuen Konfliktstoff bedeuten. Bonn müsste noch höhere Kredite aufnehmen und mehr als haushaltsrechtlich erlaubt, was nur durch eisernes Sparen ausgeglichen werden könnte. Das ist jedoch nicht gerade die Königsdisziplin der Politik.

Ein weiteres Motiv für den Hotelverkauf liegt nach GA-Informationen in der Kompetenz des Städtischen Gebäudemanagements (SGB). "Wenn wir ehrlich sind, sind wir in der Verwaltung doch gar nicht mehr in der Lage, irgendein größeres Projekt selbst zu stemmen", sagt ein Ratspolitiker, der nicht genannt werden will. Das SGB selbst soll schon über die übernommene Aufsicht bei der Fertigstellung des Teilbaus "Kongresszentrum" alles andere als glücklich sein.

Das hängt auch mit der Vorgeschichte zusammen, als das SGB unter seinem früheren Chef Friedhelm Naujoks, inzwischen angeklagt, beim WCCB-Controlling jämmerlich versagte. Der Stadtrat hatte dem Rechnungsprüfungsamt (RPA) unter anderem diese Frage gestellt: "Hat die Stadt, vertreten durch das SGB, ein geeignetes und effektives Controlling durchgeführt und damit die Interessen der Stadt gewahrt?" "Nein", antwortet das RPA am 16. April 2010 - und begründet dies auf vielen Seiten.

Lange lief es auch rund ums Urheberrecht alles andere als reibungslos. Professorin Ruth Berktold, die mit ihrer Kollegin Marion Wicher Ende 2004 den Architekten-Wettbewerb gewonnen hatte, pocht auf ihr Urheberrecht. In München, wo die beiden ihren Think tank im Büro "Yes architecture" betreiben, war man über die letzten Monate wenig amüsiert. Es schien, als wolle die Stadt kurzerhand den UN-Wunsch nach Raumteilung umsetzen - ohne die Urheber des Baus zu kontaktieren. Nun scheint nach einem heftigen Briefwechsel zwischen Bonn und München die Friedenspfeife angezündet worden zu sein.

Eine gewisse Grundskepsis

Ein weiteres Problem ist die städtische Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. Beim WCCB wurde über Jahre auch dann noch Sonnenschein gemeldet, als es hinter den Kulissen längst lichterloh brannte. Das hat eine gewisse Grundskepsis hinterlassen. Der Fertigstellungstermin verschob sich immer wieder. Wie bei der Hamburger Elbphilharmonie. In 2009 hieß es in Bonn, 2010 werde eröffnet, in 2010 2011, in 2011 2012, im November 2012 Juni 2013, nun soll das WCCB nach dem Generalplaner Heinle Wischer GmbH und Inros Lackner AG im Juni 2014 eröffnet werden - wenn der nachträgliche UN-Wunsch nicht erfüllt wird.

Was hat Bauchef Young-Ho Hong, ebenfalls angeklagt, für eine Qualität hinterlassen? Wie das RPA berichtete, gab es 2009 eine Tendenz zu Planungs- und Projektkosten; sie übertrafen die reinen Baukosten deutlich - und das in der Endphase. Der jüngste Bericht der Generalplaner, die zuvor die Ruine erkundet hatten, versprüht zwar Zuversicht, enthält aber auch Sätze wie "zum Teil erhebliche Kosten". Es heißt, vieles sei dem langen Baustillstand geschuldet. Die öffentlichen Worte sind fein austariert. Schließlich könnte für das Hotel Ähnliches gelten wie für das Kongresszentrum - und das mitten in der Verkaufsphase.

Tage nach der Pressekonferenz des Generalplaners Markus Kill meldet die Stadt erhöhte Kosten bei WCCB-Randbauten: plus 272 Prozent für die Fassade des Parkhauses, plus 164 Prozent für die Sanierung der Abgeordnetenhäuser. In Euro: plus 3,75 Millionen. Kein leichter Job für das Presseamt, das "zu verkaufen". Das SGB habe gedacht, die Aluminiumelemente für das Parkhaus müssten nur noch montiert werden. Nun müssen sie auch bezahlt werden.

Bei der Raum-für-Raum-Analyse sollen nach GA-Informationen auch neue Pläne entstanden sein. Der Insolvenzverwalter wollte die alten eigentlich der Stadt für fünf Millionen verkaufen. Nun könnte er leer ausgehen. GA-Fragen dazu wollten beide Parteien nicht beantworten. Ursache des Schweigens: Das Thema spielt juristisch auf heiklem Terrain.

Die Stadt agiert weiter in einem Minenfeld. Sie hat es auch kommunikativ schwer. Mit der WCCB-Vergangenheit ebenso wie mit der WCCB-Zukunft. Verständlich, dass sie die eigenen Versäumnisse in der Kim-C.-Hong-Ära nicht in grellen Farben an die Wand malen will. Das gilt ebenso für die städtischen Gesamtkosten für das "Prestigeobjekt", wie das WCCB im innerstädtischen Mailverkehr der Projektgruppe genannt wurde, oder für "Bonns wichtigstes Zukunftsprojekt", wie es Ex-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann bezeichnete, oder "Liebhaberei", wie es das Finanzamt einstufen könnte. Von einer Umwegrendite hört man nichts mehr.

Die städtische Projektgruppe hatte bereits Ende 2008 intern angemerkt: "Aufgrund der Baukostensteigerung ist das Projekt nicht mehr wirtschaftlich zu rechnen." Monate später wurde die Baukostenexplosion öffentlich, und die Begründung schwankte zwischen frech und Volksverdummung. Im Mai 2009 dachte Bonn noch, dass Kim & Hong das WCCB dann eben für 200 statt für 139 Millionen zu Ende bauen - und bewilligte eine weitere 30-Millionenspritze, indem man kurzerhand die städtische Bürgschaft erhöhte.

Baustopp seit 2009:

Die Geschichte WCCB mündete 2009 nicht nur in einen kostspieligen Baustillstand, sondern wurde zum "Fall" für Staatsanwälte, Insolvenzverwalter, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte verschiedenster Fachdisziplinen. Zehn Personen, davon fünf in städtischer Funktion, wurden angeklagt.

Der Baustillstand ist inzwischen länger als die Bauphase, in der viele Millionen zweckentfremdet wurden. Seit 2012 gehört das Projekt der Stadt Bonn, die das WCCB nun fertigstellen muss. Die Schlussrechnung für den Steuerzahler wird erst 2014/15 geschrieben.

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