Die Millionenfalle, Teil 45

Zwischen Stadt- und Rathaus bemüht man sich, "Kim" nicht mehr auszusprechen. Aber so einfach ist es nicht: Der Südkoreaner und WCCB-"Investor" hat den Riesen-Misthaufen auch mit "städtischer Begleitung" hinterlassen.

Drehte weltweit ein großes Rad mit dem WCCB: Man-Ki Kim, seit Mai 2007 nicht mehr Präsident von SMI Hyundai.

Drehte weltweit ein großes Rad mit dem WCCB: Man-Ki Kim, seit Mai 2007 nicht mehr Präsident von SMI Hyundai.

Foto: Barbara Frommann

Bonn. Zwischen Stadt- und Rathaus bemüht man sich, "Kim" nicht mehr auszusprechen. Aber so einfach ist es nicht: Der Südkoreaner und WCCB-"Investor" hat den Riesen-Misthaufen auch mit "städtischer Begleitung" hinterlassen. Von außen ein Misthaufen, von innen ein Gestrüpp sehr spezieller, juristischer Fragen, die kein Lehrbuch beantwortet.

Nicht nur die millionenschwere Tristesse seit September 2009 rund ums World Conference Center Bonn (WCCB) wurmt den Steuerzahler, auch dass die öffentliche Ankunft der Wahrheit zwischen Untreue, Bestechung und Betrug so lange dauert. Vermutlich laden alle Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, schwere Lasten auf dem ab, der über alle Berge scheint: Dr. Man-Ki Kim, der WCCB-Investor ohne Geld, der Konzernbevollmächtigte ohne Konzern, der "Glücksfall für Bonn" ohne Scheu, das Bonner Zukunftsprojekt nur als Spielball in der internationalen Finanzwelt einzusetzen.

Der Südkoreaner mit US-Greencard atmet nach GA-Informationen zurzeit ungestört die Luft Floridas. Nichts könnte die Taktik der Verteidiger jener Personen, gegen die ermittelt wird, mehr stören, wenn ebendieser Kim bald unfreiwillig in Köln/Bonn landet und seine Sicht der Dinge schildert. Da beim WCCB alles mit allem zusammenhängt, wird die Ermittlungsdauer vermutlich auch durch das Warten auf Kim verursacht.

Gleichwohl trübt ein zu sehr auf Bonn gerichteter WCCB-Fokus die Sicht auf Kims einstige Handlungsmotive. Jüngste GA-Recherchen lassen vermuten, dass Kims Absichten nicht nur darum kreisten, die von öffentlichen Millionen gemästete "fette Made" WCCB zu filetieren und sich einige Scheiben zu sichern. Sondern er drehte mit der unfertigen Immobilie weltweit ein großes Rad und ist jetzt ein von Klägern Gehetzter.

Die erste Klage gegen Kim und seine SMI Hyundai Corporation ist jetzt fertig, stammt nicht aus Bonn, sondern aus dem US-Bundesstaat Virginia. Es geht um 48 bis - mit Zinsen und Kosten - geschätzte 70 Millionen Dollar. Die Klage entblättert auch Kims bisher eher vages "Geschäftsmodell". Eine Rückblende.

Am Anfang steht die 2005 von Kims Rechtsanwalt Ha-S. C. gegründete UN Congress Center Bonn GmbH (UNCC). Eine kleine GmbH mit 25 000 Euro Stammkapital. Ein Prozent der Anteile sind 250 Euro wert. Mehr nicht. SMI Hyundai, der "Konzern" mit Sitz im US-Staat Virginia und Handelsregistereintrag in der US-Steueroase Delaware besitzt 100 Prozent der Anteile.

Kim/SMI Hyundai werden Ende 2005 vom Bonner Stadtrat zum "Investor" gekürt. Damit wird die UNCC Bauherr des WCCB und Empfänger von mehr als 100 Millionen Euro Steuergeldern. Zwar handelt es sich um einen privaten Kreditvertrag zwischen UNCC und Sparkasse, aber dahinter bürgt die Stadt per Nebenabrede. Deshalb ist es gehobenes Mimikry, wenn C. und Kim 2006 öffentlich prahlen: "Wir investieren in Bonn 140 Millionen Euro."

Der zentrale Effekt: Das "Go" des Stadrats löst etwas Ähnliches aus wie der Fund von 1 000 neuen Ölfeldern an der Börse. Der gelebte Wert eines UNCC-Anteils steigt um rund das 400-Fache, von 250 Euro auf etwa 100 000 Euro. Zwar darf Kim laut Projektvertrag Stadt/UNCC nicht mehr als 49,9 Prozent der Anteile verkaufen, aber er tut es. Mehrmals.

Wie in der "Millionenfalle" berichtet, verpfändet er erst 94 Prozent an Arazim (Zypern), später verkauft er diese nochmal an Honua (Hawaii). Das Bonner Landgericht erklärt am 5. August 2009 Arazim zum vorläufigen WCCB-Besitzer.

Mitarbeit: Andreas Boettcher, Lisa Inhoffen, Rita Klein, Florian Ludwig, Wolfgang Pichler und Wolfgang WiedlichDer bei dem US-Gericht in Virginia eingereichte Fall "1.10 CV 785 (GBL/JFA)" zeigt, dass die in Bonn verwendete Firmenbezeichnung "Honua" ein Sammelbegriff ist: Honua Securities Ltd., Honua Investment Management Inc., Honua Real Estate Fund I, Honua Commercial Properties Fund I, Ju-Sung Cheol - sie alle haben Kim verklagt. Über die 27-seitige Klageschrift, die dem GA vorliegt, kann man "Wertpapierbetrug" schreiben.

Details verraten, dass der "amerikanisch-südkoreanische Mischkonzern", wie sich SMI Hyundai gerne in Bonn beschreiben ließ, tatsächlich nur das Format einer Briefkastenfirma hatte. So sehr die SMI-Hyundai-Homepage auch viel Wind um große Projekte in Libyen, Irak und Saudi-Arabien macht: Ende 2007 besteht das gesamte SMI-Vermögen zu 80 Prozent aus dem WCCB, genauer aus dem mit Steuerzahlergeld veredelten Wert der UNCC-Anteile.

Für die Kreditbonds garantiert Kim jährlich etwa 13 Prozent Zinsen. "Also Junk-Bonds", analysiert ein Wirtschaftsprüfer, was "Schrottanleihe" bedeutet. Hohes Risiko, hohe Zinsen. Im schlimmsten Fall muss der Wertpapier-Käufer mit einem Totalverlust rechnen. Der ist eingetreten, ist aber nicht der Klagegrund.

Honua und Beteiligte erklären, Kim habe am 21. September 2007 die Wertpapiere mit der Sicherheit verkauft, alleiniger Inhaber der UNCC zu sein. Doch das war er schon am 15. August 2007, drei Monate nach der Grundsteinlegung, nicht mehr. An dem Tag überträgt er bei einem Notar 94 Prozent der UNCC-Anteile an Arazim. Diese Investment-Company hatte ihm 10 Millionen Euro für 60 Prozent Zinsen geliehen.

Unabhängig von einem möglichen Schadensersatz-Urteil in horrender Höhe bleiben Fragen: Warum legte Honua sogenannte OPM-Millionen (OPM/other people's money, also anderer Leute Geld), Lebensversicherungsgelder des südkoreanischen Dongbu-Konzerns, in Junk-Bonds und ausgerechnet bei Kim an?

Warum landet ein Teil der Honua-Millionen im Mai 2008 auf einem Konto in Deutschland, von dem ausgerechnet Arazim Ltd. Kenntnis hat und sofort 13,3 Millionen zwangsvollstreckt? Das bisherige südkoreanische Verwirrspiel lehrt, dass alles für möglich gehalten werden muss: Wer steckt mit wem unter einer Decke? Wieso gab es einen aus der WCCB-Baukasse bezahlten Berater, der sowohl für Honua als auch SMI Hyundai unterwegs war?

Was passierte mit den 48 Millionen Dollar, die Kim von den Klägern um Honua kassierte? Sie entsprechen nach dem damaligen Dollar-Euro-Wechselkurs etwa jenen 32 Millionen Euro, die bereits früh als Honua-Invest genannt wurden. Davon gingen per Zwangsvollstreckung 13,3 Millionen an Arazim, womit Honua faktisch Arazims UNCC-Anteile bezahlte; nur 8 Millionen Euro sollen, so die Stadt Bonn, in der WCCB-Baukasse gelandet sein.

Den Rest der 32 Millionen streicht Kim ein: 10,7 Millionen. Im Gegenzug überträgt er 94 Prozent der UNCC-Anteile an Honua, jedoch nicht rechtswirksam, weil ohne Notar. Zudem gehörten die ja längst Arazim. Honua hat sehr viel gezahlt, steht nun aber mit leeren Händen da. So erzielt Kim aus dem Nichts Milllionen, denn 94 Prozent der Anteile waren ursprünglich, wie geschildert, nur 23 500 Euro wert. Ob Kim den Blitzgewinn selbst vereinnahmte oder seine SMI Hyundai, ist unbekannt.

Fakt ist: Mit der städtischen Bürgschaft in der Hinterhand war das WCCB für Kim nichts anderes als ein abbezahltes Reiheneckhaus für Klaus Mustermann. Das bot für Kim lukrative, für Bonn verhängnisvolle Optionen: Er konnte Kredite aufnehmen und das WCCB als Sicherheit einsetzen - so wie Mustermann sein Reiheneckhaus. Doch Kim verhökerte das WCCB bereits, als die Bodenplatte gegossen wurde und es, wie heute, weit von einer Schlüsselübergabe entfernt war.

Filou Kim zog mit großer List um die Welt, um das WCCB zu versilbern. Dabei halfen ihm die Strategeme ( siehe Millionenfalle 11), die den Gipfel koreanisch-chinesischer Verhandlungskunst verkörpern. Eine Auswahl: "Aus dem Nichts etwas erzeugen" (Strategem Nr. 7). Oder: "(Dürre) Bäume mit (künstlichen) Blumen schmücken (Nr. 29)." Mit einer Mischung aus allem blendete Kim erst in Bonn und dann viele andere.

Die Klaviatur des Tricksens erweiterte sich später in dem Moment, als Kim als UNCC-Geschäftsführer die Insolvenz als unvermeidbare Schlussetappe einkalkulierte und den Weg bis dahin als einen zur Erlös-Maximierung betrachtete. Diese "Nach-mir-die-Sintflut"-Mentalität Kims bedeutet: Ab einem gewissen Tag hatte die Fertigstellung des WCCB für Kim keine Priorität mehr. Doch etwas musste schon gebaut werden, denn sonst hätte die Sparkasse keine Kredittranchen mehr ausgekehrt. Nach GA-Informationen existieren Hinweise darauf, dass dieser Tag X nach der Unterzeichnung des Projektvertrags nicht lange auf sich warten ließ.

Als die erste UNCC-Gläubigerversammlung Ende 2009 in Bonn tagt, staunen einige Anwesende nicht schlecht, als ein Herr von den Britischen Jungferninseln mit einer - bisher unbekannten - 15-Millionen-Dollar-Forderung aufschlägt. Der Gesandte eines Fonds war in heller Aufregung und war in der Karibik sofort losgeflogen, als er hörte, dass seine Sicherheit für das Darlehen, die UNCC, pleite war. Insolvenzverwalter Christopher Seagon hat die Forderung jedoch erst einmal nicht anerkannt.

Nach GA-Informationen tauchte Kim irgendwann in 2008 auf den Britischen Jungferninseln auf. Dort lebt man primär vom Tourismus. Und auf einer Fläche so groß wie Freiburg sind mehr als 40 000 Briefkastenfirmen versammelt. Als die Fondsmanager nach dem dritten Satz bald bei der Kreditbesicherung angelangt waren, hat Kim seinen SMI-Hyundai-Hut (Kreditnehmer) ab- und den als UNCC-Geschäftsführer (Sicherheitengeber) aufgesetzt. Sollten seine Vor-Ort-Kräfte in Bonn doch mit überhöhten oder erfundenen Rechnungen ihren Profit machen, er, Kim, kümmerte sich um die eigentlichen, die großen Deals.

Naiv betrachtet: Kim vernachlässigt die Corporate Governance, eine Art Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmensführung. Hierzu gehört - unter anderem - neben einem angemessenen und sorgfältigen Umgang mit Risiken auch ein auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtetes Management.

Daran hapert es auch in seinem Herkunftsland: Auch wegen gravierender "Corporate-Governance-Mängel" wurde Südkorea im vergangenen Sommer, so Börse-online, "der Aufstieg in die Riege der entwickelten Industrienationen verwehrt. Der Tigerstaat bleibt vorerst im Schwellenländerindex", obwohl Südkorea beim Pro-Kopf-Einkommen schon 8 000 Dollar deutlich über dem von der Weltbank definierten Schwellenwert für Industrienationen liegt. Kim war nach eigenen Angaben 1997 Südkoreas "Manager des Jahres".

Zum Nachlesen aller Folgen: www.ga.de/millionenfalle.

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