Wiegendrucke aus dem 15. Jahrhundert Die ersten gedruckten Bücher

Bonn · Die Unibibliothek zeigt alte Werke aus ihrem Bestand von 1250 Exemplaren. Die Originalbücher werden heute kaum noch benutzt.

 Dr. Michael Herckenhoff zeigt Frühdrucke in der Universitätsbiliothek.

Dr. Michael Herckenhoff zeigt Frühdrucke in der Universitätsbiliothek.

Foto: Horst Müller

Heutzutage ist gerne von Industrie 2.0 oder Internet 4.0 die Rede, dabei wird eine Stufe der industriellen Revolution ganz übersehen: die Medienrevolution 1.0 im 15. Jahrhundert, ausgelöst von einem gewissen Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg. „Mit der Erfindung des Buchdrucks 1454 hatten wir damals eine Medienrevolution“, erläuterte Michael Herkenhoff von der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (ULB) die Bedeutung der ersten gedruckten Bücher.

Am Sonntagvormittag präsentierte der Dezernent für alte Handschriften und Drucke der ULB einige Inkunabeln des hauseigenen Bestands. „So nennen wir Werke, die ab den ersten Drucken Gutenbergs bis zum Jahr 1500 entstanden sind“, erklärte Herkenhoff. Die ULB besitzt 1250 solcher Wiegendrucke. Weltweit soll es um die 550.000 Exemplare geben.

Im Bonner Bestand findet sich zum Beispiel eine Ausgabe des „Catholicon“, eines lateinischen Wörterbuches, welches früher zum Verständnis und zur Auslegung der Bibel genutzt wurde. „Es soll in der Druckerei Gutenbergs entstanden sein. Allerdings passt der Papierbefund nicht zum Typenbefund.“ Die vorhandenen Wasserzeichen ordnen die Forscher einem anderen Jahrzehnt zu als das Papier – eine Frage, die bis heute nicht beantwortet werden konnte.

Ein Buch dauerte teils bis zu einem Jahr

Verglichen mit den heutigen Büchern weisen Inkunabeln einige Unterschiede auf. Gedruckt wurde eine Seite, dann zwei, vier oder acht Seiten auf ein Blatt Papier, und das ohne Seitenzahlen. Der Druck eines kompletten Buches konnte zu Gutenbergs Zeiten bis zu einem Jahr dauern. Die bedruckten Bögen musste der Käufer zum Buchbinder bringen. Ein Inhaltsverzeichnis oder Titelblätter gab es anfangs auch nicht. Der Text, vor allem bei frühen Inkunabeln, ist ohne jegliche Formatierung.

Doch hier hat sich in knapp 50 Jahren ein Wandel vollzogen. Gegen Ende des Jahrhunderts erschienen Bücher, deren Text formatiert ist, bei denen einzelne Abschnitte mit einem schmückenden Anfangsbuchstaben beginnen, die Bilder (Holzschnitte) und farbige Buchstaben enthielten. Insbesondere die Bebilderung hat sich, wie Herkenhoff eindrucksvoll zeigen konnte, prächtig und farbenfreudig entwickelt.

Wer wissen möchte, wer das Buch gedruckt oder verlegt hat, schaut ins „Colophon“, eine Schlussbemerkung im Buch, die in etwa unserem heutigen Impressum entspricht. Die Originalbücher werden heute kaum noch genutzt, sie sind fast alle digitalisiert. „Für das kommende Jahr ist passend zum Luther-Jahr eine Veranstaltung zu Handschriften aus der Reformationszeit geplant“, verriet Herkenhoff zum Schluss.

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