200 Jahre Protestanten in Bonn Die „Blauköpp“ gründen 1816 erste Gemeinde

BONN · Wie genau die evangelische Gemeinde Bonns vor 200 Jahren aus der Taufe gehoben wurde, darüber ist eigentlich gar nicht allzu viel bekannt: Am 5. Juni 1816 beschlossen jedenfalls 208 evangelische Bürger im Alten Rathaus die Gründung ihrer ersten gesamten Bonner Gemeinde.

 Eckart Wüster ist Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Bonn.

Eckart Wüster ist Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Bonn.

Foto: MLH

Um daraufhin am Buß- und Bettag, ohne viel zu fragen, die als Lagerraum genutzte Schlosskirche für einen Abendmahlsgottesdienst zu nutzen. Was ihnen im Sommer 1817 auch der preußische König Friedrich Wilhelm III. offiziell genehmigte. Vor allem die linksrheinischen Protestanten hatten zuvor seit Martin Luther nur im Verborgenen ihren Glauben leben können. „Blauköpp“ wurden sie im katholischen Rheinland nach den „preußisch-blauen“ Uniformen der ungeliebten Preußensoldaten verächtlich gerufen.

Doch jetzt waren auch die „Blauköpp“ in der Rheinstadt anerkannt. Und das werden Bonns Protestanten genau 200 Jahre danach am Sonntag, 5. Juni, unter dem Motto „Bonn ist bunt“ feiern. Superintendent Eckart Wüster sagt: „Seit der Reformation haben protestantische Christen unsere Stadt und Region mitgeprägt. Viel hätte nicht gefehlt, und Bonn wäre im 16. Jahrhundert sogar gänzlich evangelisch geworden.“

Wüster verweist darauf, dass sich 1541 Kurfürst Hermann von Wied, Erzbischof von Köln, beim Reichstag in Regensburg von den Reformatoren Martin Bucer aus Straßburg und Philipp Melanchthon aus Wittenberg so beeindrucken ließ, dass er sie kurzerhand nach Bonn holte. Sie sollten die Reformen theologisch begründet auf den Weg bringen. 1542 predigte und las also Bucer im Münster und im Franziskanerkloster in der Brüdergasse. Melanchthon reiste im gleichen Jahr nach Bonn. Und wenn er sich auch über das in seinen Augen übergroße Maß an Heiligenverehrung und die schlechte Ausbildung der Pfarrer sowie über den stinkenden Hafen Bonns, über schlechtes Essen und miesen Wein beschwerte, schloss er mit Bucer für den Erzbischof die Kirchenordnung „Einfältige Bedenken“ ab.

Zufrieden händigte Hermann von Wied das Papier 1543 den Ständen des in Bonn stattfindenden Landtags aus – und fing sich eine harsche Abfuhr des Kölner Domkapitels ein. Befürchtete doch Kaiser Karl V., dass ein wichtiges Territorium seines Reiches der Reformation zu stark zuneigte. Weshalb die Herren Reformatoren die Rheinstadt fluchtartig verließen und Bonns erstes evangelisches Kapitel geschlossen wurde.

Den zweiten Reformationsversuch startete 1582 Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg, was dann bald aber gewalttätig endete: Seine Prediger überlebten die politisch motivierten Auseinandersetzungen nicht. Nur ein Magister namens Johann Northausen soll sich vor den Verfolgungen wundersam gerettet haben. Ab da konnten lutherische und reformierte Christen in Bonn und der Region als „Kirche unter dem Kreuz“ weitgehend nur im Untergrund leben.

In Oberkassel hatte sich schon 1550 ein ehemaliger Franziskanermönch auf die Seite der Reformation gestellt. 1575 gab es eine klitzekleine Gemeinde mit Gläubigen aus Dollendorf, Oberkassel und Küdinghoven. 1609 predigte in Oberkassel neben dem katholischen Priester auch ein reformierter Pfarrer. Doch im Strudel der Politik mussten sich die Reformierten ab 1613 wieder verstecken. 1683 wiederum bekamen sie plötzlich das Recht, Gottesdienst zu halten, sowie ab 1685, Kirche, Schule und Pfarrhaus zu errichten, um dann ab 1693 wieder von der Bildfläche zu verschwinden, weil die adlige Herrschaft nun katholisch war. In der Region schafften die Protestanten immerhin 1683 den Bau von Kirchen in Ruppichteroth (1683), Oberkassel (1683), Remagen (1684), Oberwinter (1723) und Flamersheim (1760). 1802 gewährte ihnen die französische Besatzung Kultusfreiheit und volle Bürgerrechte. Und nach Einzug der Preußen in die neu geschaffene Rheinprovinz gelang dann in Bonn die erste Gemeindegründung.

Beim Festgottesdienst am Sonntag, 5. Juni, 11 Uhr, Marktplatz, predigt Bischof Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das komplette Festprogramm gibt es auch unter www.bonn-evangelisch.de. Zum Jubiläum gibt der Kirchenkreis Bonn das Buch „Evangelisch in Bonn. Ein Lese- und Bilderbuch“, Hrsg. Joachim Gerhardt und Eckart Wüster, im CMZ Verlag heraus.

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