Verkehr in Bonn Der tägliche Pendler-Stau

BONN · Morgens 8.30 Uhr auf der Bundesstraße 42 Richtung Bonn. Hinter dem Tunnel Oberkassel beginnt auf der rechten Spur der Stau. Er zieht sich über die langgezogene Kurve der Ausfahrt, setzt sich fort auf der Autobahn 562 und endet vor einer Schranke am Landgrabenweg. Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung, sieht angesichts dieser Entwicklung rot und warnt vor einem Verkehrskollaps.

Die großen Unternehmen ziehen viele Neubürger an, von denen aber viele in die benachbarten Kommunen ziehen müssen, da Wohnraum in Bonn knapp ist. Damit wächst die Zahl der Pendler. 92.125 Arbeitnehmer pendeln laut dem aktuellen Arbeitsmarktreport der Agentur für Arbeit Bonn/Rhein-Sieg täglich nach Bonn, eine Steigerung um drei Prozent im Vergleich zu 2010.

Im Jahr 2006 waren es noch 84.500 Personen. Zu den steigenden Pendlerzahlen kommen in naher Zukunft Großbaustellen, unter anderem die Sanierung des Tausendfüßlers ab Frühjahr 2013 sowie Arbeiten auf der Nordbrücke, die ein Jahr später generalsaniert werden muss. Der Region droht der Dauerstau.

Ein Großteil der Wagen, die jetzt schon täglich hinter dem Tunnel Oberkassel im Stau stehen, sind offensichtlich Dienstwagen der Telekom, der Post und Postbank, erkennbar am Kennzeichen. "Bislang haben die großen Bonner Unternehmen eindeutig zu wenig getan, um zur Vermeidung der Autoverkehrsprobleme beizutragen", sagt Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung.

Dazu würde unter anderem gehören, die Dienstwagenflotte drastisch zu verkleinern, die bisherigen Dienstwageninhaber konsequent mit Jobticket oder Bahncard auszustatten oder auch das Parkraumangebot zu minimieren. Monheim plädiert an die Verantwortung auch gerade der großen Unternehmen in Bonn und fordert ein Umdenken bei den Firmen.

Ist der Vorwurf des Professors berechtigt? Nein, meint Telekomsprecher André Hofmann. Der Konzern biete Mitarbeitern alle Möglichkeiten, vom Auto auf andere Verkehrsmittel umzusteigen, unter anderem Jobtickets und Carsharing. "Aber wir haben mündige Mitarbeiter, die können entscheiden, wie sie zur Arbeit kommen", sagt Hofmann.

Die Notwendigkeit, über die Reduzierung von Dienstwagen nachzudenken, sieht er nicht. "Es ist doch egal, ob die Mitarbeiter mit dem Privatauto oder dem Dienstwagen zur Arbeit kommen." Im übrigen habe der Konzern die Zahl der Dienstwagen aus Kostengründen erheblich reduziert. Insgesamt sieht er auch kein Problem. "Die Situation, wie sie im Berufsverkehr herrscht, ist normal."

Trotzdem hat die Telekom auf den "normalen" Zustand reagiert, berichtet ein Mitarbeiter der Konzernzentrale, der seit gut 10 Jahren täglich nach Bonn pendelt und viele Jahre auch zum Landgrabenweg fuhr. Demnach hätten die Mitarbeiter bis vor nicht allzu langer Zeit ihre Ausweise an der Einfahrt in einen Schlitz stecken müsse.

Mittlerweile reiche Sichtkontrolle durch abgestelltes Personal, so fließe der Verkehr flüssiger ab. Die Maßnahme habe Erfolg, so der Mitarbeiter. "Die Zeit der massiven Staus ist meiner Meinung nach vorbei." Zudem bestätigt er, dass der Konzern im Zuge der Harmonisierung der Konzernsparten die Zahl der Dienstwagen stark zurückgefahren habe.

Die Deutsche Post DHL habe eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt, um aktiv daran mitzuwirken, das Verkehrsaufkommen in der Region zu verringern, sagt Sprecherin Anne Motz. So biete das Unternehmen unter anderem eine Onlineplattform für Mitfahrgelegenheiten an und stelle den Mitarbeitern Jobtickets zur Verfügung, die mit den Einnahmen aus der Parkplatzvergabe am Standort subventioniert werden.

"Der Post Tower ist bewusst mit einer großen Fahrradgarage ausgestattet worden und bietet Umkleiden und Duschen für Mitarbeiter, die gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen", sagt Motz. Außerdem gebe es Leihfahrräder für den täglichen Gebrauch.

Angaben dazu, wie viele Mitarbeiter täglich über die Südbrücke pendeln, kann Motz nicht machen, auch die Postbank hat laut Sprecher Hartmut Schlegel dazu keine Daten. Laut Schlegel sind nicht die Firmenwagen das Problem, sondern der Pkw-Verkehr. "Es wäre nichts gewonnen, wenn die Mitarbeiter mit dem eigenen Auto anstatt mit dem Firmenwagen zur Arbeit kämen." Die Postbank setze Anreize, Dienstwagen mit niedrigem Kraftstoffverbrauch zu wählen.

"Dadurch ist der Durchschnittsverbrauch der Dienstwagenflotte kontinuierlich gesunken. Insofern tragen die Firmenwagen zumindest ökologisch zur Verbesserung der Situation bei." Auch die Postbank setze unter anderem mit Jobtickets oder Fahrradstellplätzen Anreize. Zudem gebe es für Dienstfahrten in Bonn eigene Kleinbusse, deren Einsatz das Verkehrsaufkommen zusätzlich verringere.

Pendlerzahlen und Verkehrsbelastung:

Die Einpendler nach Bonn kommen zum größten Teil aus dem Rhein-Sieg-Kreis, 43.665 Arbeitnehmer sind es täglich (Stand 2011). 4670 kommen aus Bornheim, 4442 aus Königswinter, 4087 aus Alfter und 1930 aus Bad Honnef. Aus Köln kommen täglich 10.186 Pendler, gefolgt vom Kreis Ahrweiler (7234) und dem Rhein-Erft-Kreis (3787).

Bonn ist damit landesweit die Stadt mit dem vierthöchsten Einpendleraufkommen nach Köln (228.993), Düsseldorf (222.864) und Essen (113.313). Laut der Studie eines Herstellers von Navigationsgeräten, der anonyme Geschwindigkeitsprofile auswertete, gehört Bonn europaweit zu den 50 Städten mit der höchsten Verkehrsbelastung und liegt auf Platz 37, noch vor Essen (Platz 49) und Köln (50). München ist demnach die bundesweit einzige Stadt mit höherer Belastung (25).

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