Botanischer Garten Bonn Der schönste Garten der Stadt

BONN · Man könnte diesen Text mit dem eindringlichen Hinweis beginnen, dass der Botanische Garten hinter dem Poppelsdorfer Schloß keineswegs nur dann einen Besuch wert ist, wenn der Titanwurz blüht. Muss man aber nicht.

Mag sein, dass Koblenzer oder Kölner sich erst hier einfinden, wenn der Titan, übrigens das Emblem des Gartens, mal wieder von sich reden macht. Den Bonnern - gleich ob nun Wahl-, Muss- oder Geburts-Bonnern - reicht die Sonne als Grund. Schon kommen sie, gehen, sitzen, stehen umgeben von 8000 verschiedenen Pflanzenarten. Und wissen das oft nicht mal.

Na und? Wenn's Wolfram Lobin nicht stört, ist doch alles bestens. Dem gelassenen Kustos ist jeder Besucher recht. Naja, fast: Die Enten findet er nicht so toll. "Die fressen die Pflanzen an", sagt er und guckt kritisch einen bösen Pflanzenfresser an, der seelenruhig an ihm vorbei watschelt, um eine Beet-Ecke weiter von einem begeistert quiekenden Kleinkind begrüßt zu werden.

Der Botanische Garten der Universität Bonn ist in Wahrheit nicht ein Garten, sondern drei: Im Poppelsdorfer Katzenburgweg gibt es noch den Nutzpflanzengarten, im Nachtigallenweg den Melbgarten. Lobin sagt: "Ich habe keine Zeit, um mich hier auf eine Bank zu setzen. Ich renne hier immer nur durch auf dem Weg zu einer bestimmten Stelle, wo ich nach dem Rechten sehen muss." Aber einen Lieblingsbaum hat er: Die Kaukasische Zelkovie ist etwa 26 Meter groß, an ihrer dicksten Stelle 2,20 Meter breit und hat drei Stämme, über deren Rinde der Kustos so liebevoll streichelt, als wäre es Haut. Ist es ja auch.

133 Jahre ist die Zelkovie alt. Ein Jungspund an diesem Flecken. Lange bevor sie begann, ihre Wurzeln ins Erdreich zu spitzen, haben das andere Bäume getan, damals noch im Schatten einer mittelalterlichen Wasserburg. Ihr folgte 1340 ein Gebäude der Kurfürsten von Köln, wiederum gut 300 Jahre später soll hier ein Renaissancegarten gewesen sein.

Vom Mittelalter zur Renaissance, von der Renaissance zum Barock und zum Rokoko - das Grün ergrünte, von diversen Kriegen dem Erdboden gleichgemacht, immer wieder neu und immer in der aktuellen Mode seiner Zeit. Mal so, mal anders zogen Gärtner Linien, legten pittoreske Beetformen an, stutzten hier, gruben dort. Heute wird die Mode den Besuchern überlassen, das Grün steht seit 1818 im Dienste der Wissenschaft - oder besser: die Wissenschaft im Dienste des Grüns.

Agrarwissenschaft und Ernährungswissenschaften werden gegenüber dem Eingang gelehrt. Und gelernt. Es sei denn, Mathe steht auf dem Stundenplan und der erste richtig warme Tag lässt das Gartengrün unwiderstehlich durch die Hörsaalfenster des Botanischen Institutes glitzern. Christina Liersch, Patrycia Kroll, Anne Milz und Andrea Straaten haben im Garten eine Sonnenbank direkt an der Schlossfreitreppe okkupiert. Vier Studentinnen-Nasen zeigen Richtung Sonne, die Mathematik ist ganz weit weg. "Seit Oktober 2012" seien sie in Bonn, sagt Anne. "Schööön" finden sie es hier, sagen die vier Studentinnen einvernehmlich und sonnentrunken.

Andere tanken lieber Schatten. Die 65-jährige Mareike Schenk wohnt gleich in der Nachbarschaft. Wenn sie kommt, dann bleibt sie, so es das Wetter zulässt, mindestens ein Buchkapitel oder eine Zeitung lang, am liebsten auf "ihrer" Bank am Weyhe-Weg.

Eine Kurve weiter macht der noch nicht mit Wasser gefüllte Melbweiher den Eindruck eines riesigen Sandkastens. Jedenfalls für Mirja, zwei Jahre alt, die die Weihergrube betrachtet, als stelle sie dort in Gedanken Rutsche, Schaukel und Co. auf. Für Vater Klaus Eschweiler kann der Weiher bleiben, wie er ist - nur mit Wasser eben. Ihm reichen Baum, Blüte und die Eisdiele in nächster Nähe, um dort mit Mirja Station zu machen: "Es ist eine schöne Abwechslung für die Kinder."

Das Eishörnchen ist aufgegessen, die Mittagspausenstulle des Mannes auf der Bank gegenüber auch. Trotzdem bleibt man sitzen, lässt einfach den Blick schweifen. Vorne, links, rechts, oben - überall grün. "Unter was sitzen wir eigentlich gerade?", fragt mein Begleiter. Aufstehen, Schild suchen: "Parrotia persica, persischer Eisenholzbaum." Zuhause beim Googeln auf der informativen Homepage der Botanischen Gärten Bonn wird herauskommen, dass die imposante grüne Pracht über unseren Köpfen in ihrer Art zu den ältesten in Deutschland gehört. Auch im sonnigen Hier und Jetzt gibt es viele Besucher, die mit botanischem Interesse durch die Anlage schlendern.

Oder mit fotografischem Ehrgeiz: Sie rücken Blütenkelch und Blatt mit Super-Teleobjektiv nah und näher - oder bringen ihr Model mit und nutzen den Garten als Kulissenzauber: Fotograf Bogdan Harstall lichtet nicht zum ersten Mal eine Dame auf der Treppe des Poppelsdorfer Schlosses ab. Die aktuelle trägt passend zum Ambiente ein barockes Gewand, um das sie angesichts der Sonnenwärme von den Bank-Zaungästen nicht beneidet wird. Bogdan wohnt in Nachbarschaft zum Schloss und sagt: "I love this place".

Das Kurfürstliche Schloss Clemensruh schimmert durch jedes Baumdach und ragt über den Beeten hervor. Am besten zu sehen ist es übrigens zwischen Beissner- und Bouché-Ring. Dort steht auch eine Bank. Natürlich.

Botanische Gärten der Universität Bonn, Meckenheimer Allee 171, geöffnet täglich außer samstags von 10 bis 18 Uhr, Freilandöffnung an Donnerstagen bis 20 Uhr, an Sonn- und Feiertagen kostet der Eintritt zwei, ermäßigt einen Euro. Infos: www.botgart.uni-bonn.de

Gut zu wissen

  • In den Botanischen Gärten der Universität Bonn werden auf etwa zwölf Hektar rund 11.000 verschiedene Pflanzenarten kultiviert.
  • Die Wege in den Botanischen Gärten sind nach berühmten Persönlichkeiten benannt, die in der Bonner Anlage gewirkt haben.
  • Dank des atlantisch milden Bonner Klimas werden im Freiland etwa 3000 Pflanzenarten aus den gemäßigten Breiten der Erde kultiviert.
  • In der Biotop-Anlage ist die Vegetation des Bonner Umlandes abgebildet: von Eifel und Siebengebirge über das Tiefland der Niederrheinischen Bucht mit dem angrenzenden Höhenzug der Ville bis zur Wahner Heide.
  • Zwischen der Freitreppe am Poppelsdorfer Schloss und dem Melbweiher liegt die "Systematische Abteilung" mit über 1300 Pflanzenarten in 270 Beeten.
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