GA-Serie "Neue Nachbarn" Der Mann aus Mali bekommt seine Chance

ALFTER · Ein Job erleichtert Flüchtlingen den Weg in die Gesellschaft. Doch Unternehmer Paul Faßbender aus Alfter und der Afrikaner Ibrahim Coulibali haben erlebt, wie hoch die gesetzlichen Hürden in Deutschland sind.

Ibrahim Coulibali ist einer von etwa 340 Flüchtlingen und Asylsuchenden in Alfter. Was den 29-Jährigen aus Mali, der zuletzt in Libyen gelebt hatte, besonders macht: Coulibali hat einen Arbeitgeber gefunden – Paul Faßbender, Seniorchef des Baustoffunternehmens Faßbender Tenten aus Alfter sowie Betreiber von fünf Obi-Märken in der Region, überzeugten die Qualitäten des Mannes von Anfang an. Doch lange war unklar, ob er in der Firma anfangen darf.

Faßbender, der sich als Unternehmer in einer sozialen Verantwortung sieht, versuchte viel, um den Mann anzustellen. Nur, das erlaubt die Gesetzeslage nicht so einfach. Unterstützung bei dem Versuch, Coulibali eine berufliche Perspektive zu bieten, bekam er von Monika Rudeloff, bis Anfang des Jahres noch Koordinatorin der Flüchtlingsarbeit der Kirchen in Alfter, und Thomas Lentze, der für Coulibali eine Art Pate ist. Nachdem sich die Bemühungen über Monate hinzogen, steht für alle Beteiligten fest: Es gibt viel Reformbedarf, um Flüchtlinge und Asylsuchende rascher in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Coulibali hat mit seinen 29 Jahren viel unternommen, um arbeiten zu können. Früh verließ er seine bitterarme Heimat Mali, um im Nachbarland Libyen als Lkw-Fahrer Geld zu verdienen. Nach einem Bombenanschlag in Tripolis, dem seine halbe Familie zum Opfer fiel, entschloss sich der 29-Jährige Ende 2013 zur Flucht. Nach Angaben der Pressestelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stellten 2015 insgesamt 562 Menschen aus Mali einen Asylantrag. 4,2 Prozent dieser Anträge wurden positiv beschieden.

Asylsuchende wie Ibrahim Coulibali haben zwischen dem vierten und dem 15. Monat nach Antragstellung nur nachrangig Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein Arbeitnehmer aus Deutschland und dem EU-Ausland hat Vorrang. Trotzdem mühte sich Helferin Rudeloff, für Coulibali eine Beschäftigung zu finden. Ihr war der Mann bei freiwilligen Deutschkursen aufgefallen, die eine von Paul Faßbender aufgrund ihrer Initiative ins Leben gerufene Stiftung förderte.

„Er war extrem leistungsbereit und lernte ständig mit Kopfhörern Deutsch“, erinnert sie sich. Daher legte sie Faßbender den Afrikaner ans Herz. Der Seniorchef testete Coulibali im Oktober sechs Wochen im Lager seines Baustoffhandels. Möglich wurde das durch eine „betriebliche Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung“, die auf sechs Wochen befristet ist. „Hier entfällt die Vorrangprüfung“, so Monika Rudeloff.

Auch wenn Faßbender einen feinfühligen Mitarbeiter für die Eingewöhnung Coulibalis abstellen und die Belegschaft sensibilisieren musste, hat sich das Experiment nach Einschätzung von Personalreferentin Carmen Reidick gelohnt: „Herr Coulibali ist sehr engagiert und hilfsbereit. Die Kollegen sind begeistert.“ Darum stellte sie im Oktober einen Antrag auf Arbeitserlaubnis bei der Ausländerbehörde, inklusive einer Vorrangprüfung durch die Arbeitsagentur. Faßbender will Coulibali dauerhaft als Lkw-Fahrer beschäftigen: „Wir suchen händeringend einen Fahrer.“ Reidick sagt: „Motivierte Arbeitskräfte wie Herr Coulibali sind auf dem hiesigen Arbeitsmarkt praktisch nicht zu bekommen.“ Die Stelle für Berufskraftfahrer habe sie vorher bereits drei Mal erfolglos ausgeschrieben.

Der Firma gelingt ein guter Griff, ist Thomas Lentze überzeugt. Der Bonner war Fuhrunternehmer in Afrika. Er schätzt den 29-Jährigen, den er bei einer ADFC-Radtour für Flüchtlinge kennengelernt hatte: „Er ist mir mit seinem aufrichtigen Charakter ans Herz gewachsen.“ Um das in Libyen Erlebte zu vergessen, stürzt sich Coulibali nach Ansicht seines Paten in Arbeit. Fragt man diesen selbst, was er sich in Deutschland wünscht, zögert er keine Sekunde: „Arbeiten und Geld verdienen“, sagt er auf Deutsch.

Mit Ablauf des 15. Monats seit Beantragung seines Asylantrags gewährte das Ausländeramt im Januar eine Arbeitserlaubnis. Anschließend stimmte die Agentur für Arbeit einer auf drei Jahre befristeten Beschäftigung zu: „Die gilt aber nur für unsere Firma“, so Personalfachfrau Reidick.

Nun ist Coulibali glücklich, denn sein „Traum ging in Erfüllung“. Seit Februar ist er als Lagermitarbeiter und Kraftfahrer bei Faßbender angestellt. Jetzt kann er Pläne schmieden, wie sein Pate Lentze berichtet. „Er will seinen Sohn nach Deutschland holen.“ Der lebt noch bei seinem ehemaligen Arbeitgeber in Libyen. Für Flüchtlingsexpertin Rudeloff steht fest, dass der Arbeitsplatz Coulibali auf jeden Fall ermöglicht, seinen Lebensunterhalt alleine zu bestreiten: „Dies wird bei einer möglichen Abschiebung zu berücksichtigen sein.“

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