Kommentar zu Walid S. Der Frust ist verständlich

Meinung | Bonn · Verwicklungen in Schlägereien, Pöbeleien und Bedrohungen: Die Liste der Fälle, bei denen Walid S. mutmaßlich mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, ist lang. Trotzdem bleibt er weiterhin auf freiem Fuß. Unsere Autorin meint: Der Frust der Polizei ist verständlich.

Den Frust der Polizei im Fall von Walid S. können vermutlich viele Menschen nachvollziehen. Ein Vorbestrafter, einst verwickelt in die brutale Schlägerei in Bad Godesberg, an deren Folgen der damals 17-jährige Niklas Pöhler starb. Jemand, der seit Jahren wegen Gewaltdelikten auffällt, sogar schon einen Polizisten attackiert und verletzt haben soll. Und trotzdem wird der 23-Jährige wieder auf freien Fuß gesetzt. Da regt sich bei vielen der Zorn darüber, dass man ihm nicht endlich mal den Prozess machen und ihn hinter Gitter bringen kann.

Doch so sehr wir uns gerade angesichts dieses Falles ärgern, der eine oder andere die Justiz gar für zu dumm hält und sich fragt: Warum werden eigentlich solche Typen – Walid S. ist schließlich kein Einzelfall – in Watte gepackt, während man selbst schon bei einem harmlosen Verstoß gegen Verkehrsregeln kräftig zur Kasse gebeten wird? Unser Rechtsstaat sieht vor, dass es gute Gründe braucht, jemanden ins Gefängnis zu stecken. Daran darf auch nicht gerüttelt werden. Wenn etwa im Zusammenhang mit einer Schlägerei ein Boulevardblatt titelt: „Warum nicht einfach mal Strafe?“, dann ist das purer Populismus. Die Feststellung der Schuld eines Beschuldigten und die Bemessung der entsprechenden Strafe sind in unserem Rechtsstaat den Gerichten vorbehalten. Punkt.

Auf einem anderen Blatt steht aber, wie diese ausgestattet sind. Und es gehört auch zur Wahrheit, dass die Justiz, aber auch die Polizei in Deutschland überlastet ist, dass Tausende Staatsanwälte, Richter und Polizisten fehlen. Das ist sicher auch ein wesentlicher Grund dafür, dass Personen wie Walid S. nicht längst aus dem Verkehr gezogen wurden. Wenn Polizeigewerkschafter öffentlich beklagen, dass Polizisten sich mehr und mehr darauf beschränken müssen, die Personalien von Tätern aufzunehmen und sie dann wieder laufen lassen müssen, darf man sie nicht in die rechte Ecke stellen – wie es vielfach geschieht. Die Kritik ist völlig berechtigt, und es ist gut, dass Beamte wie Bonns oberster Polizeigewerkschafter Udo Schott auch kein Blatt vor den Mund nehmen und offen aussprechen, was viele Bürger ohnehin schon lange denken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort