Messerattacke in Auerberg Der Amoklauf hätte verhindert werden können

Bonn · Anfang Juli erstach ein schizophrener Mann in Auerberg seinen Nachbarn und verletzte eine Frau mit 23 Messerstichen. Das Bonner Schwurgericht hat in seinem Urteil nun die Unterbringung in eine psychiatrische Klinik angeordnet.

Der Amoklauf eines 49-Jährigen, der am 8. Juli 2016 in Auerberg einen 79-Jährigen erstochen und eine 76-Jährige schwer verletzt hatte, hat das Leben aller Nachbarn, die das Grauen erlebt haben, tiefgreifend verändert. „Eine Tragödie. Für alle!“, hieß es im Urteil. Das Bonner Schwurgericht hat die Unterbringung des Mannes in eine psychiatrische Klinik angeordnet.

Weil der 49-Jährige die Taten im Wahn begangen hat und er damit als schuldunfähig gilt, konnte er nicht wegen Totschlags und dreier weiterer Tötungsversuche verurteilt werden. Innerhalb von zwanzig Minuten hatte er den 79-jährigen Nachbarn mit zahlreichen Stichen getötet, eine 76-jährige Nachbarin mit 23 Messerstichen schwer verletzt und andere in Todesangst versetzt. Erst zwei Polizeibeamte, die er ebenfalls angreifen wollte, machten ihn mit zwei Schüssen kampfunfähig.

Die Nachbarn, die vom wütenden Hausbewohner mit drei Messern angegriffen worden waren, „konnten gar nicht verstehen, was da passierte“, sagte der Kammervorsitzende Josef Janßen. Denn das Gesicht des Angreifers sei ihnen allen vertraut gewesen: Ein kauziger Kerl, der bereits 15 Jahre in dem Mehrfamilienhaus im Auerberg gewohnt hatte. Dass er seit 25 Jahren unter einer schizophrenen Psychose gelitten hat, wussten die wenigsten. Mit Hilfe von Medikamenten konnte die wahnhafte Erkrankung lange gesteuert werden. Immerhin arbeitete der 49-Jährige viele Jahre in einer Behindertenwerkstatt und hatte einen Alltag wie viel andere. Nur, dass er unter Betreuung stand.

Frau erlitt schweres Trauma

„Er hat mir nie etwas Schlechtes getan,“ erinnerte sich die 76-Jährige, die er niedergestochen hatte. Sie konnte sich damals noch in ihre Wohnung retten. Aber in dieses Zuhause ist sie nie mehr zurückkehrt, alleine sein könne sie nicht mehr. Heute lebt sie bei ihrer Tochter. Dort fühle sie sich wohl, erzählte sie, aber es sei nicht mehr ihr altes Leben. Schwer traumatisiert ist auch eine 42-Jährige, die an diesem Tag ihre Eltern besuchen wollte: „Mein letzter Tag ist gekommen, ich werde meine Kinder nie wiedersehen“, dachte sie, als der Mann sie im Flur zu Boden geworfen hatte, ihr eine Messerspitze in der Wange steckte, die andere in die Brust. Die Folgen: Eine tiefgreifende Depression. Der Täter musste während ihrer Vernehmung den Gerichtssaal verlassen.

Was für die Opfer besonders bitter sein muss: Diese Tragödie hätte verhindert werden können. Erst zwei Wochen zuvor, am 24. Juni 2016, war der Angreifer aus der Psychiatrie entlassen worden. Aber die Klinik hatte seinem Betreuer nicht mitgeteilt, dass die neuen Medikamente nicht einmal, sondern zweimal am Tag eingenommen werden müssen. Nach vier Tagen, so Janßen, wurde der Patient wieder hochpsychotisch und griff in seiner Wohnung einen Pfleger an. Dennoch konnte er nicht mehr rechtzeitig untergebracht werden. Denn nach Betreuungsrecht muss dafür ein Antrag beim Amtsgericht eingereicht und ein entsprechendes Gutachten vorliegen. Aber das kam zu spät. Erst am 8. Juli, am Tag des Amoklaufs, war es beim Amtsgericht eingegangen.

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