Autofreie Städte und Fahrrad-Verkehr „Das 365-Euro-Ticket in Bonn ist großer Unsinn“

Bonn/Rhein-Sieg-Kreis · In der Godesberger Stadthalle suchten Fachleute bei der 8. Deutschen Konferenz für Mobilitätsmanagement nach Lösungen, wie die Verkehrswende gelingen kann. Unter anderem kritisierte VRS-Geschäftsführer Reinkober das 365-Euro-Ticket in Bonn scharf.

Symbolfoto.

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Foto: Oliver Berg/Archiv

Theo Jansen ist anscheinend äußerst glücklich über den Umstand, dass vor allem die Jugend in diesen Tagen auf die Straße geht: „Die "Fridays"-Aktivisten propagieren den Umweltschutz als dringlichstes Thema der Gesellschaft und mit dran hängt natürlich die viel beschworene Verkehrswende.“

Jansen, der Vorsitzende des Vereins Deutsche Plattform für Mobilitätsmanagement, vermittelt in der Godesberger Stadthalle bei der 8. Deutschen Konferenz für Mobilitätsmanagement (DECOMM) den Eindruck, dass also ausgerechnet diese jungen Leute es mit ihren Demonstrationen geschafft hätten, dem öde klingenden Wort Verkehrswende einen positiven Klang zu verleihen. "Wir selbst erzählen viel zu wenig positive Geschichten über die Alternativen zum Auto", sagt Jansen. Dabei sei ein gescheites Mobilitätsmanagement, das Einbinden von Unternehmen "gut für das soziale Miteinander".

 280 Teilnehmer besuchen die Konferenz DECOMM. Umweltministerin Svenja Schulze eröffnet die Veranstaltung per Videobotschaft.

280 Teilnehmer besuchen die Konferenz DECOMM. Umweltministerin Svenja Schulze eröffnet die Veranstaltung per Videobotschaft.

Foto: Benjamin Westhoff

Mit "Wir" meint der Vorsitzende vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg das Auditorium. Bis Dienstag sitzen Mitarbeiter aus Kommunen, aus den Stadtwerken, der Wissenschaft und Startup-Unternehmen zusammen, um darüber nachzudenken, wie sie Angebote für Bürger so verbessern können, dass der Umstieg auf Busse und Bahnen oder das Rad gelingen kann. Wie sie Autofahrer dazu bringen können, ihre Fahrzeuge vor den Toren der Stadt abzustellen und auf anderem Weg die letzten Kilometer zu bewältigen.

Stadt für Menschen, nicht für Autos

Bundesumweltministerin Svenja Schulze weilt zwar derzeit in New York (ganz in der Nähe von Greta Thunberg), aber per Videobotschaft richtet sie sich an die Kongressbesucher: Der Bund habe gewaltige Förderprogramme für die Kommunen auf den Weg gebracht. Die Bürger wollten "keine autogerechte Stadt, sondern eine menschengerechte Stadt", sagt Schulze. Doch trifft dieser Satz zu? In der Diskussionsrunde spricht Bonns Verkehrsdezernent Helmut Wiesner von dem "Menschen, der es gerne bequem mag" und wünscht sich, dass das Allgemeinwohl mehr Gewicht bekomme als die Neinsager, die eine Bahn vor Haustür als störend empfänden.

Man müsse die Politik zwar mitnehmen bei der Erweiterung des Nahverkehrs und dem Ausbau von Radwegen, erläutert der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Sebastian Schuster. "Aber wir müssen vor allem die Prozesse beschleunigen." Was damit gemeint sein könnte, dazu gibt Norbert Reinkober, Chef des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS) Hinweise: frühzeitige Bürgerbeteiligung, schnellere Planungsverfahren. "Wir brauchen keine neuen Konzepte. Wir müssen die Konzepte, die in den Schubladen liegen, zügig umsetzen."

VRS-Chef: „E-Busse doppelt so teuer wie Diesel-Fahrzeuge“

Ganz deutlich macht der VRS-Geschäftsführer, dass er das 365-Euro-Jahresticket, das derzeit in den Bonner Stadtgrenzen im Rahmen der Bundesförderung Lead City erprobt wird, für "großen Unsinn" halte. Derlei Subventionen würden nur die Preise kaputtmachen. Er frage sich, von welchem Geld die notwendigen Sanierungen und Erweiterungen der Infrastruktur bezahlt werden sollten. E-Busse kosteten doppelt so viel wie Diesel-Fahrzeuge.

Wiesner, Schuster und Reinkober finden, dass das Legen zusätzlicher Schienen, der Einbau digitaler Stellwerke zur Steuerung des Bahnverkehrs, wie er am Kölner Bahnknotenpunkt kommen soll, eine Aufgabe für die nächsten zwei Jahrzehnte sein werde. Die Versäumnisse der Vergangenheit würden nicht von jetzt auf gleich ausgeräumt werden können. Den Ausbau des viel gerühmten (und stark subventionierten) Nahverkehrs in Wien habe man 20 Jahre lang vorbereitet, erklärt Reinkober. In Bonn hingegen erfolgte der letzte Schienenausbau im Jahre 1994.

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