Problemimmobilie Stadthaus Das Stadtarchiv ist eine einzige Tropfsteinhöhle

BONN · Ein Umzug in die Pestalozzischule ist schon lange in der Diskussion. Doch die Koalition aus CDU, Grünen und FDP will das Filetgrundstück in der Innenstadt nicht so gerne für eine Verwaltungsnutzung weggeben. Sie verlangt die Prüfung anderer Standorte.

Er war gar nicht mal so stark, aber dauerte lang: Der Regen am 10. November. Und abermals hat sich das Wasser im Stadthaus vorgearbeitet durch die undichten Gebäudefugen der Parkhausdecks P1 und P2, hinein ins Bibliotheksmagazin im Stadtarchiv. 29 Bücher wurden so stark durchnässt, dass sie sofort zur Aufbereitung in einen Gefriertrockner nach Köln gefahren wurden. Wert und Schädigungsgrad sind zurzeit nicht bezifferbar. Nahezu hundert Werke mussten getrocknet und von Hand gebügelt werden. 20 Bücher sind so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie neu angeschafft werden müssen.

Bilanz eines Tages und zugleich eine weitere feuchte Erinnerung an die marode Gebäudesubstanz, die die Archivalien von Stadtarchiv und Historischer Bibliothek eigentlich schützen sollte, aber stattdessen Nässe durchlässt und Schimmel bringt. Im jüngsten Kulturausschuss berichtete Archivleiter Norbert Schloßmacher, „dass mittlerweile schon normaler Regen zum Problem wird“.

Die Lage spitzt sich zu

Die undichten Stellen sind keine neue Erkenntnis. Die ersten Risse in den Magazindecken entdeckte man im Jahr 2002, seitdem spitzt sich die Lage Jahr für Jahr zu. Schloßmacher fordert seit Langem, dass diesem Zustand mit einem Umzug in andere Räume ein Ende gesetzt wird. Auch weil Netzwerkverbindungen und Technik dort nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Archiv entsprechen. Eigentlich ist allen Kommunalpolitikern klar: Es muss etwas passieren. Jeder Wassereinbruch zeigt es aufs Neue.

Es liegt auch eine konkrete Machbarkeitsstudie vor, die die Unterbringung in der nahen Pestalozzischule an der Budapester Straße geprüft hat. Ergebnis: Man könnte Verwaltung, Werkstatt und Besucherbereich im denkmalgeschützten Altbau unterbringen. In einem neu zu bauenden Magazinanbau würden Archivalien Platz finden, die zurzeit auch in zusätzlich angemieteten Räumen gelagert sind. Die zuständigen Architekten „ARGE Scheidt Kasprusch – Reiner Becker Architekten BDA“ prognostizieren Baukosten von 13,3 Millionen Euro. Das Areal gehört der Stadt.

Im Kulturausschuss hat die Verwaltung ihre diesbezügliche Mitteilungsvorlage allerdings von der Tagesordnung genommen. Hintergrund: Die Koalition will andere Standorte geprüft wissen, bevor das Filetgrundstück in Innenstadtlage für stadteigene Belange verwendet wird. Auch fremde Grundstücke in nicht ganz so exquisiter Lage soll die Verwaltung in Betracht ziehen. Seit 2008 hatte die Verwaltung immerhin Alternativen wie ein Grundstück an der Oscar-Romero-Allee, Teile der Ermekeilkaserne, das Viktoriakarree, die ehemalige Poliklinik, die frühere Volkshochschule oder eine Randbebauung am Stadthaus geprüft, die aber aus Sicht der Stadtverwaltung, nicht für einen Archivbau geeignet waren.

Für das Archiv sind 15 Millionen Euro vorgesehen

Eine weitere zu klärende Frage aus Sicht der Koalition wäre die, ob in der Schule, in der zurzeit Flüchtlinge Deutschunterricht bekommen, nicht weitere Einrichtungen Platz fänden. Im Gespräch war schließlich einmal, Archiv sowie das im Viktoriakarree untergebrachte Stadtmuseum und die Gedenkstätte für die Nazi-Opfer dort unterzubringen.

Die Stadt bereitet Antworten für einen der nächsten Kulturausschüsse vor, erklärte Kulturdezernent Martin Schumacher und betonte ebenso wie Schloßmacher, „dass die Zeit drängt”. Er sieht die Umsetzung angesichts der Tatsache, dass für das Stadtarchiv im kommenden Doppelhaushalt 2017/18 und in der weiteren Finanzplanung bis 2021 insgesamt 15 Millionen Euro vorgesehen sind, „so nah wie noch nie”.

Das Ringen um eine Lösung zeigt, wie eng der städtische Haushalt gestrickt ist und wie komplex Planungspolitik sein kann. Den etwaigen Umzug von Stadtmuseum und/oder Gedenkstätte (unter Umständen unter einem Dach mit dem Archiv) sollte der Investor des Viktoriakarrees übernehmen. Dieser Handel mit dem österreichischen Investor Signa Holding, der im Karree ein Einkaufszentrum bauen wollte, liegt nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren aber auf Eis, und verzögerte damit auch die Planung für das Archiv.

Wer zahlt die Grundsanierung?

Auf ähnliche Weise wollte die Stadt das Haus der Bildung mit dem Erlös aus dem alten Volkshochschule-Gelände an der Wilhelmstraße bezahlen. Das gelang nicht sofort. Als die Flüchtlinge kamen, behielt man die Liegenschaft gegenüber dem Amtsgericht. Auf Anfrage teilt Vizestadtsprecher Marc Hoffmann dazu mit: „Die Stadtverwaltung prüft zurzeit die weitere Verwendung des VHS-Gebäudes.“

Einige Archivalien des Stadtarchivs sind bereits in zusätzlich angemieteten Räumen untergebracht. Denn dem Durchsickern des Regenwassers kann das Städtische Gebäudemanagement nach Auskunft der Stadt nur provisorisch begegnen. Das Abdichten undichter Fugen auf Parkdeck 2 helfe nur bedingt, „da die Flächenabdichtung von P2 zum Keller mangelhaft ist und sich das Wasser seine Wege sucht“, so Hoffmann. Für eine Grundsanierung müsste nicht nur Geld bereitgestellt werden. Es werde derzeit auch verhandelt, welchen Anteil die Stadt und welchen die Bonner City Parkraum GmbH als Pächter übernimmt. Auch die asbesthaltigen Abhangdecken im Keller der Bibliothek müssten raus. Doch wohin mit den Lager- und Archivflächen? Für dieses Problem fehlt es an Räumen – und an Beschlüssen.

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