Stadtgeschichte der Südstadt Das Juwel der Gründerzeit

BONN · Gerhard Kirchlinne präsentiert in seinem Buch "Die Bonner Südstadt" eine kulturgeschichtliche Gesamtdarstellung des Viertels. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das preußische Bonn zu einer Stadt reicher Rentner und Pensionäre.

Die Villa von Ernst Moritz Arndt in den Weinbergen am Rhein im Jahr 1820. Der Professor liebte das Land und wollte nicht in der Stadt leben, weshalb er im Oktober 1819 mit seiner Familie die Villa bezog.

Die Villa von Ernst Moritz Arndt in den Weinbergen am Rhein im Jahr 1820. Der Professor liebte das Land und wollte nicht in der Stadt leben, weshalb er im Oktober 1819 mit seiner Familie die Villa bezog.

Foto: ARCHIV KIRCHLINNE

Wer etwas über die Bonner Südstadt wissen möchte, muss mit Gerhard Kirchlinne sprechen. Oder direkt sein gleichnamiges neues Buch lesen. Oder beides. Wir treffen den Autor, Historiker und pensionierten Gymnasiallehrer in der Königstraße, Ecke Argelander?straße. Die Häuser dort sind besonders prächtig und prunkvoll und stehen exemplarisch für eines der schönsten Gründerzeitviertel Deutschlands.

Beim Spaziergang zum Café am Bonner Talweg erläutert Kirchlinne, dass er die vielleicht erste, vollständige Gesamtdarstellung über Geschichte, Kultur, Kunst und Architektur der Südstadt geschrieben habe. Es ist ein umfassendes Buch über dieses Viertel, das wissenschaftlich fundiert ist mit einer umfangreichen Literaturliste und einem großen Anmerkungsverzeichnis; das aber auch lesbar und unterhaltsam ist; das eine Menge Fotos und Darstellungen zeigt, die veranschaulichen, wie die Bonner Südstadt zu dem Prachtviertel wurde, das sie heute noch ist.

Kirchlinne hat elf Jahre in der Südstadt gelebt und 30 Jahre am Clara-Schumann-Gymnasium unterrichtet. Gegenüber der alten Schule im Café erzählt der Autor, warum die Südstadt im 19. Jahrhundert so ein Magnet für reiche Neubürger war, mit einer Elite-Universität, die zugleich in dem Ruf stand, Prinzenuniversität zu sein, weil hier im 19. Jahrhundert zahlreiche Söhne aus adeligem Hause und nicht zuletzt unsere beiden letzten Kaiser wie auch die Söhne Wilhelms II. studiert hatten.

Bonn als Stadt der Rheinromantik, Bonn als Gartenstadt mit einem angenehmen Klima - so beschreibt Kirchlinne die Anreize, die viele gehobene Bürger dazu brachten, sich in Bonn anzusiedeln. Reiche preußische Beamte kamen nach Bonn, um hier ihre Pensionszeit zu verbringen; das ging, weil die Stadt am Rhein seit 1815 preußisch war. Bonn als "Pensionopolis" lautet das Stichwort. So bildeten die Rentner Bonns größte Gruppe von Millionären.

"Ich habe versucht, eine themenübergreifende Gesamtdarstellung zu schreiben", erläutert Kirchlinne seinen Ansatz. "Mit Informationen aus 140 Einzeltiteln, also aus kleinen inhaltlichen Bausteinen, habe ich ein großes Puzzle zusammengesetzt." Das Buch widmet sich allen wichtigen Themen - von der städtebaulichen Planung im 19. Jahrhundert bis zur Neuzeit.

Schon vor 30 Jahren führte Kirchlinne seine Schüler durch die Südstadt, um ihnen Leben und Kultur des wilhelminischen Bürgertums näherzubringen. "Damals habe ich schon Material gesammelt und schnell gemerkt, dass es viele Detailuntersuchungen gab, aber keine Gesamtdarstellung der Südstadt." Nach seiner Pensionierung 2006 konzentrierte er sich auf die Bonner Stadtgeschichte und besonders auf die Südstadt. Vor drei Jahren begann der Autor, intensiv an dem Buch zu arbeiten. Seine Recherchen führten ihn häufig in das Bonner Stadtarchiv und die Stadthistorische Bibliothek.

Kirchlinnes Buch ist wissenschaftlich fundiert und zeugt von kritischer Quellenarbeit bei bis zu 40 Anmerkungen pro Kapitel. Trotzdem ist das Buch keinesfalls trocken, sondern unterhaltsam geschrieben, gerade wenn der Autor ins Detail geht und die Lebensumstände seiner Hauptakteure schildert.

Zum Beispiel die kleine Geschichte über das erste Haus der Südstadt, das 1818/1819 von Ernst Moritz Arndt in die Weinberge am Rhein gebaut wurde. Weil Arndt vom Land kam, wollte der berühmte Professor auch in Bonn nicht in der Stadt wohnen, berichtet Gerhard Kirchlinne schmunzelnd. "Er hat erleben müssen, wie die Stadt über ihn hinweggewachsen ist."

"Die Bonner Südstadt. Eines der prächtigsten Gründerzeitviertel Deutschlands", Hardcover, 192 Seiten, 173 größtenteils farbige Karten, Fotos und Abbildungen, im Buchhandel für 19,90 Euro erhältlich (ISBN 978-3-00-050248-4).

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