OB Ashok Sridharan ein Jahr im Amt Das erste Jahr des Hoffnungsträgers

Bonn · Seit genau einem Jahr ist Ashok Sridharan Oberbürgermeister der Stadt Bonn. Der General-Anzeiger hat Sridharan zu wichtigen Themen des ersten Amtsjahres befragt und die Ergebnisse seiner Arbeit mit einer Bewertung aus Journalistensicht versehen. Geben auch Sie Ihre Wertung ab.

Flüchtlingskrise

Bonn musste in Spitzenzeiten rund 3800 Flüchtlinge unterbringen und versorgen. Ärger mit Stadtsportbund und Vereinen gab es, als die Stadt sechs Turnhallen zu Notunterkünften umfunktionierte. Inzwischen sind alle Hallen wieder frei, die Stadt errichtet Containerbauten, fast alle Kinder haben laut Stadt Plätze an Schulen und in Kindergärten. Es sei gut gewesen, die Turnhallen-Pläne frühzeitig anzukündigen, sagt Sridharan. "Wir haben deshalb auch viele Angebote von privaten Immobilienbesitzern bekommen. Bei den allermeisten bewegten sich die Mietforderungen in einem zivilen Rahmen."

Debatte um Regierungssitz

Gerade hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ihren Statusbericht zur Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin vorgelegt. Sridharan hatte schon im Vorfeld Zweifel, dass die Analyse wie versprochen "ergebnisoffen" erstellt werden würde - und sagte das auch öffentlich. Als Bonner OB spielt er eine Schlüsselrolle im Abwehrkampf gegen Berliner Umzugsgelüste. Sridharan holte die Verwaltungsspitzen und Abgeordneten der Region im Alten Rathaus zusammen, um ein gemeinsames Positionspapier zu erarbeiten. Forderung: Alle Ministerien sollen in Bonn bleiben. Ende: offen.

Schwimmbäder

Im September fasste der Rat nach jahrzehntelangen Diskussionen einen Grundsatzbeschluss. Kurfürsten- und Frankenbad sollen geschlossen werden, dafür errichten die Stadtwerke in Dottendorf einen modernen Neubau. Schon im Wahlkampf hatte Sridharan für ein neues Hallenbad zwischen Bonn und Godesberg getrommelt, dabei aber eher ans benachbarte Miesen-Gelände gedacht. "Das SWB-Gelände am Heizkraftwerk Süd ist natürlich die beste Lösung", sagt er. "Ich wusste vorher gar nicht, dass dort so viel Platz ist." Um das Projekt entscheidungsreif zu machen, führte Sridharan vertrauliche Gespräche mit der SWB-Spitze und Ratspolitikern. Für viele Bad Godesberger ist aber die Schließung des Kurfürstenbades ein Schlag ins Gesicht.

Moschee Godesberg

Die Stadtwerke wollen ihr leer stehendes Gebäude im Gewerbegebiet an der Weststraße an den Trägerverein der Al-Ansar-Moschee verkaufen, der bisher an der Bonner Straße sitzt. SWB-Aufsichtsrat und Kommunalpolitiker hatten längst Zustimmung zum Moschee-Umzug signalisiert, als sich im Sommer Widerstand bei Gewerbetreibenden in der Nachbarschaft regte. IHK und städtische Wirtschaftsförderung sehen das Projekt skeptisch, und auch Sridharan ging nach GA-Informationen während einer nicht öffentlichen Informationsveranstaltung mit Unternehmern auf Distanz. Offiziell ließ er nach einem Gespräch mit dem Verein vor drei Wochen nur erklären: "Beide Seiten werden sich noch einmal Gedanken über das Projekt machen, um zu prüfen, ob die Vorstellungen des Vereins für die Nutzung der Liegenschaft, unter anderem mit Blick auf die Stellplätze, mit den Vorgaben der Bauordnung in Einklang zu bringen sind."

Beethovenhalle

Der Stadtrat hat sich für eine deutlich teurere Sanierungsvariante entschieden, als Sridharan sie wollte. "Ich werde das Projekt eng begleiten und mit den Kollegen darauf achten, dass wir den Zeit- und Kostenrahmen einhalten. Ich bin überzeugt, dass wir 2020 eine geeignete Spielstätte haben werden", sagt er.

Neubauten am Hauptbahnhof

Noch eine Dauerdebatte, die in Sridharans erstem Jahr endlich entschieden worden ist. Investor Ten Brinke schaffte es, die rund 40 Teileigentümer der Südüberbauung unter einen Hut zu bekommen, um dort ein neues Einkaufszentrum zu bauen. Auch das Projekt "Urban Soul" gegenüber kann nun anlaufen. "Wir haben die Investoren an einen Tisch gebracht", betont Sridharan. Die nötigen Beschlussvorlagen seiner Verwaltung fanden im Rat breite Mehrheiten.

Dienstleistungszentrum

Mehr als ein Jahr lang kam die zentrale Bonner Meldestelle nicht aus den Schlagzeilen heraus, nachdem der zuständige Dezernent eine Online-Terminvergabe eingeführt und Personal reduziert hatte. Jetzt hat der Bereich eine Planstelle mehr als vor der Reform. "Wir haben die Sparmaßnahme aufgehoben", sagt Sridharan. "Das war mir wichtig, weil es nicht sein kann, dass man zwölf Wochen und länger auf einen Termin im Meldeamt wartet." Seit einigen Wochen bekommen die Bürger viel schneller einen Termin. Der OB gibt zu, dass die Krise zu lange angehalten habe.

Organisation der Stadtverwaltung

Man merkt, dass der Mann Verwaltung gelernt hat. Hallenkonzept und Schulentwicklungsplan, seit Jahren unbearbeitet, hat er angeschoben und Verantwortliche benannt. Im OB-Büro will Sridharan ein Controlling installieren, das zum Beispiel Projekte wie die Beethovenhalle überwachen soll. Die Leiterin ist seit April da, weitere zwei bis drei Stellen werden noch besetzt. Sridharan hat sich in anderen Großstädten, aber auch in Unternehmen angeschaut, wie dort Controlling funktioniert. Nicht angepackt: Das krisengeschüttelte Städtische Gebäudemanagement, das jährlich Abermillionen verbaut, wird immer noch kommissarisch geführt - Vizechefin Marion Duisberg wartet seit Jahren auf Entlastung.

Generalintendantenvertrag und Finanzen

Im Streit um die Vertragsverlängerung für Bernhard Helmich, den Chef des Bonner Theaters, hätte sich Sridharan beinahe sein erstes Bürgerbegehren eingefangen. Der Stadtsportbund (SSB) forderte, mit der millionenschweren Entscheidung zumindest bis zum Ende der aktuellen Haushaltsberatungen zu warten. Die Ratsmehrheit segnete den Beschlussvorschlag von Sridharan und Kulturdezernent Schumacher aber schon am 30. Juni ab. In der Ratssitzung erklärte der OB auf Nachfrage der Opposition, der Zeitpunkt der Unterschrift werde noch festgelegt. Das Brisante: Mit Unterzeichnung war der Ratsbeschluss vollzogen, ein Bürgerbegehren wirkungslos. Gleich am nächsten Morgen unterschrieb Sridharan den Helmich-Vertrag und den des künftigen Generalmusikdirektors Dirk Kaftan, der noch in Österreich lebt. "Wir haben unmittelbar nach der Ratssitzung entschieden, dass die Unterzeichnung am nächsten Tag definitiv stattfindet", erklärt der OB. Es sei wichtig gewesen, vor den Sommerferien Klarheit zu schaffen, damit Helmich und Kaftan die Vorbereitungen für das Beethovenjubiläum 2020 anpacken konnten.

Mit dem Generalintendantenvertrag ist der Zuschuss für Oper und Schauspiel festgezurrt, der bis zum Jahr 2023 auf rund 31 Millionen Euro steigt - die mit Abstand größte freiwillige Leistung aus der Stadtkasse. Trotz aller Mahnungen der Bezirksregierung Köln wird Bonn seine überdurchschnittlichen Kulturkosten deshalb nur unwesentlich senken können. Das Ziel, bis 2021 den Gesamthaushalt auszugleichen, hält Sridharan trotzdem für erreichbar: "Mein Ziel ist, die Konsolidierung fortzusetzen und ohne weitere Steuererhöhungen auszukommen."

Viktoriakarree

Sridharan war gerade im Amt, als ein Bürgerbegehren die Signa-Pläne für ein Einkaufszentrum und eine Uni-Bibliothek stoppte - sehr zum Bedauern des OB, der sich dort weiterhin neue Handelsflächen wünscht. Doch es dauerte fast ein Jahr, bis die Verwaltung dem Rat mögliche Moderatoren für die jetzt geplante Bürgerwerkstatt vorschlug. Damit verlängert sich die Hängepartie im Viktoriakarree. "Wir wollen nicht in den Geruch kommen, in die eine oder andere Richtung Einfluss nehmen zu wollen", begründet Sridharan. "Ein externes Büro und einen Moderator zu finden, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch."

Zusammenarbeit mit dem Stadtrat

Die SPD kritisiert, dass der OB Vorlagen oft zu kurzfristig vorlege. Sie klagt über mangelnde Transparenz und Beteiligung bei der Auswahl der zwei neuen Dezernentinnen (Soziales und Finanzen). Aus Sridharans Sicht ist die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen gut. Er hat der Chefin der SPD-Fraktion, Bärbel Richter, aber vorgeschlagen, sich künftig regelmäßig zu treffen. Auch auf andere Oppositionsparteien wolle er zugehen. Die Kritik an den Dezernentenwahlen kontert er mit Blick auf frühere Auswahlverfahren unter anderen (Partei-)Vorzeichen: "Ich wundere mich über die Forderungen, die gestellt wurden."

Pantheon

Als Theaterchef Rainer Pause die Verhandlungen über den Umzug in die Halle Beuel entnervt für gescheitert erklärte, zog Sridharan die Gespräche an sich. Mit Erfolg. "Es ist immer gut, wenn man dem künftigen Vertragspartner die Wertschätzung entgegenbringt, die er verdient hat, und das habe ich versucht", so der OB. Ihm sei wichtig gewesen, das Pantheon in Bonn zu halten.

Mitarbeit: Andreas Baumann, Silke Elbern, Lisa Inhoffen, Rolf Kleinfeld und Philipp Königs

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