Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Catherine Clement: Die Kupplerin der Bücher

BONN-CASTELL · Auf den ersten Blick passt das nicht so recht zusammen: Die lilafarbene Bluse mit Punkten, die riesige Brille im Leopardenmuster, der rote Lippenstift. Catherine Clement ist ein schriller Vogel, der sich für alte Bücher interessiert.

 Catherine Clement teilt ihre Wohnung mit Hund Jules und Tausenden Büchern.

Catherine Clement teilt ihre Wohnung mit Hund Jules und Tausenden Büchern.

Foto: Barbara Frommann

Und auch die scheinen sich keiner Ordnung zu fügen, wie sie auf schmalen Regalbrettern bis zur Decke stehen, Kunstbücher, Lexika und Gedichtbände. "Auch wenn es nicht so aussieht: Da ist Ordnung drin - meine Ordnung", sagt Clement und lacht. Ohrringe und Armreifen klimpern dazu.

31 Jahre lang hat Clement ihr Antiquariat in der Rathausgasse betrieben. Während der Bonner Hauptstadtzeit gingen dort Politiker und Diplomaten ein und aus. Berlin wurde Hauptstadt, der Internethandel mit antiquarischen Büchern wuchs. "Es gibt Raritäten, die finden sich heute im Internet zehn Mal für zehn Euro", sagt Clement, die 2010 ihr Geschäft schließen musste. Seitdem wohnt sie samt Tausender ihrer Schätze in einer Wohnung am Römerkastell. Mit der Französischen Bulldogge Jules, benannt nach dem Parfüm der französischen Luxusmarke Dior, "weil es so schön altmodisch klingt".

Catherine Clement ist der Amor der alten Bücher, eine Kupplerin. Sie findet Schätze und sucht den passenden Liebhaber dazu, oder umgekehrt. So hat sie einst für einen Kunden den fehlenden dritten Band des ersten Drucks von Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" in England ausfindig gemacht. "Es ist einfach eine große Freude, Bücher vermitteln zu können und damit Menschen glücklich zu machen", sagt Clement. Inzwischen verkauft aber auch sie ihre Bücher über das Internet, wo die Suchenden oft ohne die Hilfe der Kupplerin auskommen.

Außerdem nehme die Wertschätzung für Bücher insgesamt ab. So mancher Schatz findet sich in ihren vier Wänden, den sie anpreist, ohne dass einer anbeißt. Wie bei den von Clara Schumann herausgegebenen Jugendbriefen von Robert Schumann, samt handschriftlicher Widmung an Gräfin Marie von Oriola von 1885. "Früher war es in bestimmten Kreisen ganz selbstverständlich, eine gut sortierte Bibliothek zu haben."

Wer verkuppeln will, muss sich selbst mit der Materie auskennen. Dass Catherine Clement Bücher liebt, kauft ihr sofort ab, wer sie über ihre Leidenschaft sprechen hört. "Jedes Buch ist für mich eine sinnliche Begegnung", sagt sie. Da ist der Inhalt, das Lesen als Quelle humanistischer Bildung. "Als Antiquarin muss ich eine ozeanische Bildung haben." Aber da ist auch das Haptische: altes Papier, gut erhaltene Ledereinbände. Und da ist die Provenienz, die Geschichte des Buches. Wer hat eine Widmung hineingeschrieben? Wer hat es besessen? Wer hat sich Notizen gemacht? "Es ist eine Reise in die Vergangenheit - jedes dieser Bücher hat eine spannende Geschichte zu erzählen."

Auch Clement selbst ist eine passionierte Geschichtenerzählerin. Sie plaudert gerne über die Zeit der Bonner Republik. Seit 1974 lebt sie in Bonn. Mit ihrem Lebensgefährten verkaufte sie zunächst in der Holzbude am Kaiserplatz, dann in der Bücheretage. Nach der Trennung eröffnete sie ihr eigenes Antiquariat in der Rathausgasse.

"Mein Vorteil war sicherlich, dass ich aus einer belesenen Familie stamme und viele Sprachen spreche", sagt sie heute. Und so gehörten Erwin Wickert, Willy Brandt und Mildred Scheel zu ihren Kunden. Aber Bonn ist nicht mehr Hauptstadt und in der Rathausgasse 18 ist jetzt ein Nagelstudio. Gesprächsstoff und Zuhörer sind weniger geworden. "Manchmal denke ich: Ich hätte mit nach Berlin umziehen sollen", sagt Clement. "Oder nach Paris."

Auch wenn das Internet ihren Job schwieriger und anonymer gemacht hat, die Passion bleibt. "Ich kann mir nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu machen." Die Kupplerin sucht also weiter nach perfekten Paaren aus Büchern und Sammlern. Und auch ihre eigene Geschichte könnte irgendwann in einem Buch stehen. Einige Seiten ihrer Memoiren hat Catherine Clement schon zu Papier gebracht.

Rund 40.000 ihrer Bücher hat Clement nach China gespendet. Nun haben sie ihren Platz in der Tongji Universität. Die Bonner Maria und Felix von Grünberg hatten den Kontakt vermittelt. Mit einer Freundin ist Clement im Frühjahr dorthin gefahren, um der Eröffnung beizuwohnen. In China habe sie das erlebt, was sie in Deutschland heute oft vermisst: Interesse und Respekt für die alten Dichter und Denker. Und eins hat Clement ganz besonders gefreut: Die Bücher waren fast genau so geordnet, wie noch vor dreieinhalb Jahren in ihrem Antiquariat.

Typisch Bönnsch

Das sagt Catherine Clement über ihre Heimat:

An Bonn gefällt mir die Südstadt.

Mein Lieblingsplatz ist die Poppelsdorfer Allee.

Ich vermisse in Bonn ein altmodisches Café mit den richtigen Hintergrundgeräuschen, in dem ich schreiben und träumen kann.

Typisch bönnsch ist, ewig am Bahnübergang an der Kaiserstraße zu warten.

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